Die Parzen

[187] Ein Gemälde von Heinrich Meyer.


Furchtbar waren mir sonst die Schwestern des ehernen Schicksals,

Graue Töchter der Nacht, fremde dem Menschengefühl;

Jetzt verehr' ich die Hohen, die Mildegesinneten. Klotho,

Jugendlich unbesorgt, munter und rüstig am Werk,

Zieht vom vollesten Rocken den bunten Faden; es weitet

Lachesis ihn; sie hebt schwebend und leicht ihn empor.

Atropos schneidet – doch nein! mit weggewendetem Antlitz

Säumt sie, zu schneiden; die Hand fühlet den kommenden Schmerz.

Wandelte, Jungfraun, Euch zu Lebenszeiten der Künstler?

Oder hob er in Euch diese zu Göttern empor?[187]

Jugend, Du bist die Klotho; Du, Lachesis, weite den Faden

Grazienhaft; und dann, Atropos, schneide beherzt!


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 187-188.
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