Träume der Jugend

[17] Fliegt, Ihr meiner Jugend Träume,

Flattert, leichtbeschwingte Reime,

In mein frohes Jugendland,

Wo ich unter dichten Bäumen,

In der Muse sel'gen Träumen

Wahrheit suchte, Bilder fand.


Gleich den bunten Schmetterlingen

Schlüpften mir auf leichten Schwingen

Manche, manche längst vorbei;

Andre sind mir treu geblieben,

Und so bleib' ich Euch, Ihr Lieben,

Auch mit Herz und Seele treu.


Ach, in Deinen Schooß versunken

Sind die Welten, die ich trunken

In Dir sahe, Silbersee.

Schlummert sanft! denn auch in jenen

Luftgefärbten hellen Scenen

Winket mir der Wahrheit Höh.


Flieht, Ihr meiner Jugend Träume,

Flattert, leichtbeschwingte Reime,

In die Hand der Jugendzeit!

Träume sind wir, denen Schatten

Sich mit Licht und Wahrheit gatten,

Und die auch der Traum erfreut.


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 17.
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