Zage nicht!

[56] Der Du in dem Sturm des Unglücks

Mastlos und entsegelt fährst,[56]

Zage nicht! noch ist zu hoffen;

Plötzlich steht der Hafen offen,

Wo Du Dich dem Sturm entwehrst.


Man entwaffnet durch die Hoffnung

Künft'gen Guts des Uebels Wuth;

Sieh, auf flüchtigem Gefieder

Stürzet Nacht und Tag hernieder,

Und der Nord ergrimmt und ruht.


Unter wechselnden Gestalten

Steht erschaffend die Natur;

So geschäftig steht der Weise

In der Aenderungen Kreise,

Stürzet nicht, entweichet nur.


Lieget unter kalten Schneen

Sicher nicht die goldne Saat?

Unter diesem starren Schleier

Ruhet sie, bis daß das Feuer

Titan's sie erwärmet hat.


Die Du edler als die Liebe,

Meines Lebens Athem bist,

Sanfte Hoffnung, Dir zu Ehren

Lass' ich frohe Töne hören;

Du bist mehr, als Amor ist.


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 56-57.
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