Confirmationslied

[483] Die Gemeine.


Tretet zum Altar des Herrn,

Kinder, Gott Euch zu geloben!

Was Ihr bittet, hört Gott gern,

Euer treuer Vater droben.

Was Ihr kindlich ihm versprecht,

Macht Euch gütig und gerecht.


Unsre Menschenseligkeit

Ist ein rein und gut Gewissen;

Dies zu haben jederzeit,

Kinder, seid mit Ernst beflissen!

Wer sein Herz in Frieden hält,

Hat den Himmel auf der Welt.


Die Kinder.


Wir treten freudig zum Altar,

Uns unserm Gott zu weihen;

Ihm sind die Herzen offenbar,

Er kennet seine Treuen,

Ob ich es meine oder nicht,

Wenn meines Mundes Wort es spricht.


Sein bin ich ja mit Leib und Geist

Und allen meinen Gaben;

Was man auf Erden glücklich preist,

Kann ich durch sie nur haben.

Er gab mir Glieder und Verstand

Und Eltern, Freund' und Vaterland.


Er gab Gesundheit mir und Kraft

Und Freuden meiner Jugend;

Wie man auf Erden Gutes schafft,

Gefälligkeit und Tugend,

Wie man von sich die Noth entfernt,

Hab' ich erkennen froh gelernt.


Was ich erkannte, hab' ich Lust

Mit ganzem Ernst zu üben,

Aus redlicher und treuer Brust

Vor Allem Gott zu lieben,[484]

Dem Nächsten, nicht mir selbst allein,

Ihm dienen, ihm gefällig sein.


Mit Hand und Mund weih' ich mich Dir,

O Gott, zu Deinem Kinde.

Du machest froh das Leben mir

Und seine Last gelinde.

Was ich vor Deinen Augen thu',

Das giebt mir süßen Fried' und Ruh.


Vor Deinen Augen will ich dann

Stets fromm und redlich handeln

Und nie der Spötter böse Bahn

Nach eiteln Lüsten wandeln;

Zum Abgrund eilt der Bösen Schritt,

Und Reu und Strafe folgt ihm mit.


Der Weg der Guten führt hinauf

Mit Licht und Wohlgefallen;

Gen Himmel geht ihr froher Lauf,

Ein Glanzbild ist er Allen.

Von Gott und Menschen wird geliebt,

Wer sich der Tugend rein ergiebt.


Wir weihen uns der Tugend ganz

Mit Herz und Sinn und Kräften.

Es leuchte um uns Gottes Glanz

Zu jeder Art Geschäften,

Und in uns wohn' ein guter Geist,

Der stets das Richtigste uns weist!


Schaff in mir, Herr, ein reines Herz,

Ein neu und gut Gewissen,

Das nie in Freud' und nie in Schmerz

Von Scham und Reu darf wissen!

Froh tret' ich vor die Augen Dir;

Den guten Geist nimm nie von mir!


Die Gemeine.


Seid gelobt denn und geweihet

Dem Vater, der in Euch sich freuet,

Der Eures Lebens Bahn regiert!

Eure Tage sind gezählet

In Gottes Buch, und keinem fehlet

Der Segen, der den Guten führt.[485]

Mit Euch sei Glück und Heil!

Euch sei das beste Theil,

Herzensfrieden

Und froher Muth,

Das schönste Gut,

Beschieden Dem, der Gutes thut!

Laß sie wachsen und gedeihen

Und Menschen sich an ihnen freuen

Als Bäumen der Gerechtigkeit!

Gehn wir einst zum Staube nieder,

O Herr, so müss' in ihnen wieder

Aufblühen eine bessre Zeit!

Ein neues Licht vom Herrn,

Auf Erden nah und fern

Fried' und Freude!

Wir wollen nie

Verlassen sie,

Begleiten sie mit süßer Müh.


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 483-486.
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