[307] Angekommen in Valencia,
Angelangt nach langer Trennung
In der schönen Stadt, gewonnen
Durch die Tapferkeit des Cid,
Lebten jetzt Doña Ximena,
Sie, die Mutter, und die Töchter
Mit dem Cid, der hoch sie liebte,
In Verehrung Freud und Glück,
[307]
Als schnell eine Botschaft ankam:
Miramamolin der Große
Nahe sich mit mächtgen Heeren;
Funfzigtausend Mann auf Rossen,
Die zu Fuße nicht zu zählen;
Ihm Valencia zu entreißen,
Nah er mächtig sich dem Cid.
Wohlerfahren in den Waffen,
Rüstet dieser stracks die Festen
Aus mit Vorrat und mit Volk,
Muntert, auf dann seine Ritter;
Freudig, auf gewohnte Weise,
Führte dann Doña Ximena,
Sie und seine beiden Töchter
Auf des Schlosses höchsten Turm.
Allda sahen sie zum weiten
Meer hinaus die Mauren kommen,
Sahn mit großer Eil und Sorgfalt
Sie aufschlagen ihre Zelte
Unter Kriegsgeschrei und Trommeln,
Kriegsgeschrei und Paukenhall.
Großes Schrecken faßt die Mutter
Wie die Töchter; denn sie hatten
Solche Heere nie zu Felde,
Nie auf einem Platz gesehn.
»Fürchtet nichts, ihr Lieben alle«,
Sprach der Cid, »so lang ich lebe,
Nah euch keine Sorg und Angst!
Morgen – und ihr sehet alle
Diese Mauren überwunden;
Töchter, und von ihrer Habe
Mehrt sich euer Heiratsgut.
Je mehr ihrer, desto besser,[308]
Desto reicher wird die Beute
Für die Kirche zu Valencia,
Die, dem Volk zu hoher Freude,
Morgen euch zu Füßen liegt.«
Jetzt bemerkend, daß die Mauren
Nah sich an die Tore drängten,
Sonder Ordnung im Gewühl,
Sprach er: »Alvar Salvadorez,
Leget an Euch Eure Rüstung,
Nehmt mit Euch zweihundert Reiter,
Wohlgeübt auf ihren Rossen,
Und macht auf die Heiden Jagd,
Daß Ximene und die Mädchen
An dem Jagen sich erfreun!«
Kaum gesprochen, so geschah es:
Im Getümmel, im Getrappel
Flohn die Mauren zu den Zelten;
Wer nicht fliehen konnte, blieb.
Doch hier wandten sie sich alle,
Und weil Alvar Salvadorez
Vorwärts sich zu weit gewagt,
Fiel er in die Hand der Mauren,
Bis ihn tages drauf mit reichem
Ruhm befreite der Cid.
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