39.

[273] »Künftig rat ich Euch mehr Vorsicht,

– Euch betrifft jetzt meine Rede,[273]

Don Rodrigo von Bivar! –

Zittert über jenen Eidschwur,

Den mit Schimpf Ihr von mir nahmt!

Jenes Schloß und jene Leimrut,

Zeugen meines Schwures, waren

Zeugen meiner tiefen Schmach.

Künftig rat ich Euch zu wissen,

Daß ich Euer König bin.


Seid Ihr tapfer – wohl, so zeiget

Euch auch ohne Leidenschaften!

Unterwürfigkeit gebühret

Dem Vasallen auch im Recht.

Zeiget Ihr im Felde Kühnheit,

Kopf und Herz, so zeigt an Hofe

Höfliche Bescheidenheit!

Mit den Worten nimmt die Zunge

Weg die Hälfte des Verdienstes,

Das der Arm sich kühn erwarb.


Viel zu viel habt Ihr gesprochen,

Viel zu viel Euch angemaßet;

Doch – Ihr dientet meinem Vater;

Sonst – Und dann, was sagt der Eid?


Durch die Hand des schlechtsten Menschen

Sterben? Nur des schlechtsten Menschen –

Nie die Hand des Edelmanns

Waget an den König sich.


Kurz, des Unbenehmens halben

Und Bescheidenheit zu lernen,

Weis ich Euch aus meinen Landen,

Don Rodrigo, auf ein Jahr.«


»Und ich nehme vier der Jahre«,

Sprach der Cid, »um so viel lieber,[274]

Da von Hofe die Entfernung

Mir der König selbst gebeut.«


Ohne ihm die Hand zu küssen,

Ging Rodrigo von Alfonso;

Seine dreimalhundert Männer

Mit gespitzten, scharfen Lanzen,

Mit Wolfsrachen auf den Schilden,

Alle zogen sie mit ihm.

Quelle:
Herders Werke in fünf Bänden, Band 1, Weimar 1963, S. 273-275.
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Der Cid
Der Cid (Hardback)(German) - Common
Der Cid unter Ferdinand dem Großen.
Herders Cid: Neu Durchgesehene Aufl, Volume 22 (German Edition)