Dritter Abschnitt

Zusätze

[352] Die Himmelsluft ist so erquickend, daß man gern zu lange über Wipfel und Bäumen schwebet: hinunter an den traurigen Boden, um etwa aufs Ganze oder Nichtganze einen Blick zu werfen.

Großes Geschöpf Gottes! Werk dreier Weltteile und fast sechs Jahrtausende! die zarte saftvolle Wurzel, der schlanke, blühende Sprößling, der mächtige Stamm, die starkstrebende verschlungne Äste, die luftigen, weit verbreiteten Zweige – wie ruhet alles aufeinander, ist auseinander erwachsen! – Großes Geschöpf Gottes! aber wozu? zu welchem Zwecke?

Daß offenbar dies Erwachsen, dieser Fortgang auseinander nicht »Vervollkommung im eingeschränkten Schulsinne sei, hat, dünkt mich, der ganze Blick gezeigt«. Nicht mehr Samenkorn, wenn's Sprößling, kein zarter Sprößling mehr, wenn's Baum ist. Über dem Stamm ist Krone; wenn jeder Ast, jeder Zweig derselben Stamm und Wurzel sein wollte – wo bliebe der Baum? Orientalier, Griechen, Römer waren nur einmal in der Welt, sollten die elektrische Kette, die das Schicksal zog, nur in einem Punkte, auf einer Stelle berühren! – Wir also, wenn wir Orientalier, Griechen, Römer auf einmal sein wollen, sind wir zuverlässig nichts.

»In Europa soll jetzt mehr Tugend sein als je in aller Welt gewesen?« Und warum? weil mehr Aufklärung darin ist – ich glaube, daß eben deshalb weniger sein müsse.

Was ist's, wenn man auch nur die Schmeichler ihres Jahrhunderts frägt, was ist diese mehrere Tugend Europas durch Aufklärung? – »Aufklärung! Wir wissen jetzt so viel mehr, hören, lesen so viel, daß wir so ruhig, geduldig, sanftmütig, untätig sind. – Freilich – freilich – zwar – und auch das noch; aber bei allem bleibt doch der Grund unsrer Herzen immer so weich!« Ewige Süßler, das heißt alles ja, wir sind dort oben die dünnen, luftigen Zweige, freilich bebend und flisternd bei jedem Winde; aber spielt doch der Sonnenstrahl so schön durch uns! stehn über Ast, Stamm und Wurzel so hoch, sehen so weit und – ja nicht vergessen, können so weit und schön flistern!

Ob man nicht sähe, daß wir alle Laster und Tugenden der vergangnen[352] Zeit nicht haben, weil wir – durchaus nicht ihren Stand, Kräfte und Saft, Raum und Element haben. Freilich kein Fehler, aber was erlügt man sich denn auch daraus Lob, Ungereimtheiten von Anmaßung? Was täuscht man sich mit unsern Mitteln der Bildung, als ob die das ausgerichtet? und nimmt alles zusammen, sich über den Tand seiner eignen Wichtigkeit zu hintergehen? Warum endlich trägt man den »Roman einseitiger Hohnlüge« denn in alle Jahrhunderte, verspottet und verunziert damit die Sitten aller Völker und Zeitläufte, daß ein gesunder, bescheidner, uneingenommner Mensch ja fast in allen sogenannt pragmatischen Geschichten aller Welt nichts endlich mehr als den ekelhaften Wust des »Preisideals seiner Zeit« zu lesen bekommt. Der ganze Erdboden wird Misthaufe, auf dem wir Körner suchen und krähen! Philosophie des Jahrhunderts!

»Wir haben keine Straßenräuber, keine Bürgerkriege, keine Untaten mehr« – aber wo, wie und warum sollten wir sie haben? Unsre Länder sind so wohl poliziert, mit Landstraßen verhauen, mit Besatzungen verpropft, Äcker weislich verteilt, die weise Justiz so wachsam – wo soll der arme Spitzbube, wenn er auch Mut und Kraft zu dem rauhen Handwerke hätte, es treiben? warum es aber auch treiben? Er kann ja nach den Sitten unsres Jahrhunderts auf eine weit bequemere, gar ehrwürdige und glorreiche Weise Haus-, Kammer- und Betträuber werden – in diesen Bedienungen vom Staate besoldet werden – warum sich nicht lieber besolden lassen? warum das unsichre Handwerk – zu dem er – und darauf kommt's hinaus – weder Mut noch Kraft, noch Gelegenheit hat? Gnade Gott eurer neuen, freiwilligen Tugend!

Haben wir »keine bürgerlichen Kriege«, weil wir alle so zufriedene, allgesättigte, glückliche Untertanen sind? oder ist's nicht eben aus Ursachen, die oft gerade das Gegenteil begleiten? – »Kein Laster« – weil wir alle soviel hinreißende Tugend, Griechenfreiheit, Römerpatriotism, Morgenlandsfrömmigkeit, Ritterehre und alle im größten Maße – oder ist's nicht gerade, weil wir der allen keine haben und leider also auch ihre einseitige, verteilte Laster nicht haben können? Dünne schwankende Äste!

Und als solche ist's freilich mit unser Vorzug, »eben der matten, kurzsichtigen, allverachtenden, allein selbstgefälligen, nichts ausrichtenden und eben in der Unwürksamkeit trostvollen Philosophie« fähig zu sein. Morgenländer, Griechen und Römer waren's nicht.

Als solche ist's unser Vorzug, unsre Mittel der Bildung so bescheiden[353] zu schätzen und anzurechnen. Geistlicher Stand, daß die Welt nie so menschlich, theologisch aufgeklärt; weltlicher Stand, daß sie nie so menschlich, einförmig, gehorsam- und ordnungsvoll; unsre Gerechtigkeit daß sie nie so menschlich und friedeliebend – endlich unsere Philosophie, daß sie nie so menschlich und göttlich gewesen sei als jetzt – durch wen? – da zeigt jeder auf sich! »Wir sind die Ärzte, die Heilande, die Aufklärer, die neuen Schöpfer – die Zeiten des tollen Fiebers sind vor bei« – Nun ja, gottlob! und der schwindsüchtige Kranke liegt da so ruhig im Bette, wimmert und – – danket! Dankt; aber ob er auch danke? Und wenn er's täte; eben dieser Dank, könnte er nicht als Kennzeichen seiner Verfallenheit, Kleinmut und der zagendsten Menschheit eben gelten? Wie wenn sogar Empfindung eines andern Bessern mit dem Genusse entflohen wäre? daß ich mich selbst, da ich dies schreibe, vielleicht den giftigsten, höhnischten Seitabverzerrungen aussetze? Wenn's eben schon gnug wäre, daß wir denken, haben Manufakturen, Handel, Künste, Ruhe, Sicherheit und Ordnung – unsre Regierungen mit nichts mehr in sich zu kämpfen: unsre Staatsverfassungen werden groß! – so weiten Blick umher! – so weit umher, so ferne voraus spielend – welche Zeit konnte das? – Also! – so sprechen unsre Staats-, Handels- und Kunstgeschichte. – Man glaubt Satire zu lesen, und man liest nichts als treue Denkart. Was lohnt's, daß ich weiterrede? Wenn's bloß Sieche wäre und nicht zugleich Hindernis, das jedes Mittel dagegen aufhebet! – im Todesschweiße aber mit Opium träumen: warum den Kranken stören, ohne daß man ihm hilft?


Also vielmehr, was dem Kranken auch mehr gefallen wird. Wir sind bei dieser Fortrückung freilich auch auf unsrer Stelle Zweck des Schicksals.

Gemeiniglich ist der Philosoph alsdenn am meisten Tier, wenn er am zuverlässigsten Gott sein wollte: so auch bei der zuversichtlichen Berechnung von Vervollkommung der Welt. Daß doch ja alles hübsch in gerader Linie ginge und jeder folgende Mensch und jedes folgende Geschlecht in schöner Progression, zu der er allein den Exponenten von Tugend und Glückseligkeit zu geben wußte, nach seinem Ideal vervollkommet würde! Da traf's nun immer auf ihn zuhinterst: er das letzte, höchste Glied, bei dem sich alles endigt. »Sehet, zu solcher Aufklärung, Tugend, Glückseligkeit ist die Welt gestiegen! ich, hoch auf dem Schwengel! das goldne Zünglein der Weltwaage: sehet mich!«[354]

Und der Weise bedachte nicht, was ihn doch das leiseste Echo von Himmel zu Erde hätte lehren müssen, daß wahrscheinlich immer Mensch Mensch bleibe, nach der Analogie aller Dinge nichts als Mensch! Engel und Teufelgestalt im Menschen Romangestalten! – Er nichts als das Mittelding zwischen! trotzig und verzagt, in Bedürfnis strebend, in Untätigkeit und Üppigkeit ermattend, ohne Anlaß und Übung nichts, durch sie allmählich fortschreitend, beinah alles – Hieroglyphe des Guten und Bösen, wovon die Geschichte voll ist – Mensch! – immer nur Werkzeug!

– bedachte nicht, daß dies verborgne Doppelgeschöpf tausendfach modifiziert werden könne und nach dem Bau unsrer Erde fast müsse; daß es eine Schöpfung von Klima, Zeitumständen, mithin National- und Säkulartugenden gebe, Blüten, die unter dem Himmel wachsen und fast von nichts gedeihen, dort aussterben oder elend falben (eine Physik der Geschichte, Seelenlehre und Politik, woran ja unser Jahrhundert schon so viel gedichtet und gebrütet hat!); daß es dies alles geben könne und müsse, von innen aber unter der vielfach veränderten Schlaube immer noch derselbe Kern von Wesen und Glückfähigkeit aufbewahrt sein könne, und nach aller menschlichen Erwartung fast sein werde.

– bedachte nicht, daß es unendlich mehr Fürsorge des Allvaters zeige, wenn dies geschähe; wenn in der Menschheit ein unsichtbarer Keim der Glücks- und Tugendempfänglichkeit auf der ganzen Erde und in allen Zeitaltern liege, der, verschiedlich ausgebildet, zwar in verschiednen Formen erscheine, aber innerlich nur ein Maß und Mischung von Kräften.

– bedachte endlich nicht – allwissendes Geschöpf! –, daß mit dem Menschengeschlecht ein größerer Plan Gottes im Ganzen sein könne, den eben ein einzelnes Geschöpf nicht übersiehet, eben weil nichts auf etwas bloß einzelnes, zumal nicht auf den Philosophen oder Thronsitzer des achtzehnten Jahrhunderts als letzte Endlinie liefe – weil etwa noch alle Szenen, in deren jeder jeder Schauspieler nur Rolle hat, in der er streben und glücklich sein kann – alle Szenen noch etwa ein Ganzes, eine Hauptvorstellung machen können, von der freilich der einzelne, eigennützige Spieler nichts wissen und sehen, die aber der Zuschauer im rechten Gesichtspunkte und in ruhiger Abwartung des Folgeganzen wohl sehen könnte. –

Siehe das ganze Weltall von Himmel zu Erde – was ist Mittel? was ist Zweck? nicht alles Mittel zu Millionen Zwecken? nicht[355] alles Zweck von Millionen Mitteln? Tausendfach die Kette der allmächtigen, allweisen Güte in- und durcheinandergeschlungen; aber jedes Glied in der Kette an seinem Orte Glied – hängt an Kette und sieht nicht, wo endlich die Kette hange. Jedes fühlt sich im Wahne als Mittelpunkt, fühlt alles im Wahne um sich nur sofern, als es Strahlen auf diesen Punkt oder Wellen geußt – schöner Wahn! Die große Kreislinie aber aller dieser Wellen, Strahlen und scheinbaren Mittelpunkte – wo? wer? wozu?

In der Geschichte des menschlichen Geschlechts wär's anders? auch mit allen Wellen und Folgezeiten anders als eben der »Bauplan allmächtiger Weisheit?« Wenn das Wohnhaus bis aufs kleinste Behör »Gottesgemälde« zeiget – wie nicht die Geschichte seines Bewohners? Jenes nur Dekoration! Gemälde in einem Auftritte, Ansicht! Dies ein »unendliches Drama von Szenen! Epopee Gottes durch alle Jahrtausende, Weltteile und Menschengeschlechte, tausendgestaltige Fabel, voll eines großen Sinns!« –

Daß dieser Sinn, dieser Allanblick wenigstens außer dem Menschengeschlechte liegen müsse – Insekt einer Erdscholle, siehe wieder auf Himmel und Erde! Findest du im ganzen, tot und lebendig auf einmal webenden Weltall dich den ausschließenden Mittelpunkt, auf den alles würke? oder würkest du nicht selbst mit (wo, wie, und wenn! – wer hat dich darum gefragt?) zu höhern, dir unbekannten Zwecken? zu Zwecken, zu denen der Morgenstern und die kleine Wolke neben ihm, du und der Wurm mitwürkt, den du jetzt zertrittst? Das nun in der großen, allweiten Zusammenwelt eines Augenblicks unleugbar und unerforschlich: in der großen, allweiten Folgewelt, in allen Begebenheiten und Fortwickelungen des Menschengeschlechts, in dem Drama, voll Weisheit und Knote des Erfinders, kannst du da etwas minder und anders vermuten? Und wenn dir das Ganze ein Labyrinth wäre, mit hundert Pforten verschlossen, mit hundert geöffnet – der Labyrinth ist »Palast Gottes, zu seiner Allerfüllung, vielleicht zu seinem Lustanblicke, nicht zu deinem!«

Abgrund die ganze Welt, der Anblick Gottes in einem Momente – Abgrund, worin ich von allen Seiten verloren stehe! sehe ein großes Werk ohne Namen, und überall voll Namen! voll Stimmen und Kräfte! Ich fühle mich nicht an dem Orte, wo die Harmonie aller dieser Stimmen in ein Ohr tönt, aber was ich hier an meinem Orte von verkürztem, verwirrenden Schalle höre, soviel weiß und höre ich gewiß, hat auch was Harmonisches! tönt auch zu Lobgesang im Ohre dessen, für den Raum[356] und Zeit nichts sind. – Menschenohr weilet wenige Augenblicke, hört auch nur wenige Töne, oft nur ein verdrüßliches Stimmen von Mißtönen, denn es kam dies Ohr eben zur Zeit des Stimmens und traf unglücklicherweise vielleicht in den Wirbelwind eines Winkels. Der aufgeklärte Mensch der spätern Zeit Allhörer nicht bloß will er sein, sondern selbst der letzte Summenton aller Töne! Spiegel der Allvergangenheit und Repräsentant des Zwecks der Komposition in allen Szenen! – Das altkluge Kind lästert; ei, wenn's vielleicht gar nur Nachhall des letzten, übriggebliebnen Sterbelauts wäre oder ein Teil des Stimmens! –

Unter dem großen Baume Allvaters26, dessen Gipfel über alle Himmel, dessen Wurzeln unter Welten und Hölle reichen: bin ich Adler auf diesem Baume? bin der Rabe, der auf seiner Schulter ihm täglich den Abendgruß der Welten zu Ohr bringt? – welch eine kleine Laubfaser des Baums mag ich sein! kleines Komma oder Strichlein im Buche aller Welten!

Was ich auch sei! Ruf von Himmel zu Erde, daß, wie alles, so auch ich an meiner Stelle etwas bedeute. Mit Kräften ausgespart zum Ganzen und ja nur mit Gefühl der Glückseligkeit auch nach Maß dieser Kräfte! Wer meiner Brüder hatte Vorrecht, ehe er war? und wenn's Zweck und Zusammenstimmung des Hausrats foderte, daß er Gold-, ich Erdegefäß wurde – ich nun eben Erdegefäß auch in Zweck, Klang, Dauer, Gefühl und Tüchtigkeit, kann ich mit dem Werkmeister streiten? Ich bin nicht übergangen, niemand vorgezogen; Fühlbarkeit, Tätigkeit und Tüchtigkeit des Menschengeschlechts ist verteilt. Hier reißt der Strom ab, dort setzt er an. Wem viel gegeben ist, der hat auch viel zu leisten. Wer mit viel Sinnen erquickt wird, hat mit viel Sinnen zu streben – Ich glaube nicht, daß ein Gedanke, mit dem, was er sagt und verschweigt, was er in Ansicht gibt und worüber er Himmelsdecke ziehet, größere Empfindung gebe, als dieser, im Lichte der ganzen Geschichte!


Daß er darin erscheine, dahin läuft wenigstens mein Wunsch, die große olympische Rennbahn! Ist unser Zeitalter in irgendeiner Absicht edel nutzbar, so ist's »seine Späte, seine Höhe, seine Aussicht!« Was Jahrtausende durch auf dasselbe bereits zubereitet worden! wodurch es wieder in so höherm Sinn auf ein anderes zubereite! die Schritte gegen und von ihm – Philosoph, willt du den Stand deines Jahrhunderts ehren und nutzen: das Buch der Vorgeschichte[357] liegt vor dir! mit sieben Siegeln verschlossen; ein Wunderbuch voll Weissagung: auf dich ist das Ende der Tage kommen! lies!

Dort Morgenland! die Wiege des Menschengeschlechts, menschlicher Neigungen und aller Religion. Wenn Religion in aller kalten Welt verachtet und verglüht sein sollte: ihr Wort dorther, Feuer- und Flammengeist dorther webend.27 Mit Vaterwürde und Einfalt, die insonderheit noch immer »das Herz des unschuldigen Kindes« wegführt! Kindheit des Geschlechts wird auf Kindheit jedes Individuum würken: der letzte Unmündige noch im ersten Morgenlande geboren!

Die Jünglinge aller sogenannten feinen Literatur und Kunst sind die Griechen; was weiter liegt, ist dem Gesichte des Jahrhunderts vielleicht zu tief, zu kindisch; aber sie in der rechten Morgenröte der Weltbegebenheiten, was haben sie auf all ihre Nachzeit gewürkt! – Die schönste Blüte des menschlichen Geistes, des Heldenmuts, der Vaterlandsliebe, des Freigefühls, der Kunstliebhaberei, des Gesanges, des Tons der Dichtung, des Lauts der Erzählung, des Donners der Beredsamkeit, des Aufbruchs aller bürgerlichen Weisheit, wie es jetzt ist, ist ihr. Sie dahin gestellet: ihnen Himmel, Land, Verfassung, ein glücklicher Zeitpunkt gegeben: sie bildeten, erfanden, nannten: wir bilden und nennen noch nach – ihr Jahr hundert hat ausgerichtet! – aber nur einmal ausgerichtet! Da Menschengeist mit allen Kräften es zum zweitenmal wecken wollte – der Geist war Staub; der Sprößling blieb Asche: Griechenland kam nicht wieder.

Römer, die ersten Sammler und Austeiler der Früchte, die, anderweit vorher gewachsen, jetzt reif in ihre Hände fielen. Zwar mußten sie Blüte und Saft an seinem Orte lassen; aber Früchte teilten sie doch aus: Reliquien der uralten Welt im Römerkleide, nach Römerart, in Römersprache – wie, wenn alles unmittelbar aus Griechenland gekommen wäre? Griechengeist, Griechenbildung, Griechensprache? – wie alles anders in Europa! – Es sollte nicht! Griechenland, noch so entfernt dem Norden, in seinem schönen Archipelagus von Weltgegend: der menschliche Geist in ihm, noch so schlank und zart – wie sollt er mit allen Völkern ringen? ihnen seine Nachfolge aufzwingen? wie konnte die grobe nordische Schale den feinen Griechenduft fassen? Also Italien war die Brücke: Rom die Mittelzeit der Härtung des Kerns und seiner Austeilung – selbst die heilige Sprache der neuchristlichen Welt war[358] ein Jahrtausend durch, mit allem was ihr anklebt, in ganz Europa römisch.

Selbst da Griechenland zum zweitenmal auf Europa würken sollte, konnt's nicht unmittelbar würken: Arabien ward der verschlämmte Kanal – Arabien der underplot zur Geschichte der Bildung Europas. Wenn, wie's jetzt ist, Aristoteles bestimmt war, seine Jahrhunderte allein zu herrschen und die Würme und Modermotten der scholastischen Denkart in allem – zu erzeugen: wie, wenn's Schicksal gewesen wäre, daß Plato, Homer, die Dichter, Geschichtschreiber, Redner früher hätten würken können? – wie alles unendlich anders! Es war nicht bestimmt. Der Kreis sollte dort hinüber: die arabische Religion und Nationalkultur haßte diese Blumen: vielleicht hätten sie in Europa derzeiten auch noch nicht gedeihet, da sich gegenteils aristotelische Spitzfündigkeit und mohrischer Geschmack so wohl mit dem Geiste der Zeit vertrug – Schicksal!

In Europa sollte das Gewächs der alten Weltjahrhunderte nur gedörret und abgekeltert werden; aber von da aus unter die Völker der Erde kommen: wie sonderbar nun, daß sich Nationen auf die Stätte zur Arbeit drangen, ohne zu wissen, wie? und wozu? Das Schicksal rief sie zum Geschäfte in den Weinberg; nach und nach, jeden zu seiner Stunde. Alles war schon erfunden, gefühlt, fein ersonnen, was vielleicht ersonnen werden konnte: hier ward alles nun in Methode, in Form der Wissenschaft geschlagen – und denn kamen nun eben die neuen, kältesten mechanischen Erfindungen hinzu, die es ins Große spielten: Maschinen der kalten europäisch-nordischen Abstraktion, für die Hand des Allenkers große Werkzeuge! Da liegen nun die Samenkörner fast unter allen Nationen der Erde: wenigstens allen bekannt, allen zugangbar: werden sie haben, wenn ihr Zeitpunkt kommt. Europa hat sie gedörret, aufgefädelt, verewigt – sonderbarer Ball! Was hast du kleiner nordischer Weltteil, einst Abgrund von Hainen und Eisinseln, auf dem Balle werden müssen! – was wirst du noch werden!

Die sogenannte Aufklärung und Bildung der Welt hat nur einen schmalen Streif des Erdballs berührt und gehalten: auch können wir nicht etwas in ihrem Laufe, Stande und Umlaufe ändern, ohne daß sich zugleich alles ändert. Wie, wenn z.E. allein die Einführung der Wissenschaften, der Religion, der Reformation anders gewesen wäre? – sich die nordischen Völker anders gemischt, anders gefolgt wären? nicht das Papsttum so lange Vehikulum sein müssen? – was könnt ich nicht noch zehnfach mehr fragen? – Träume![359]

Es war nicht: und hintennach können wir immer etwas durchblicken, warum es nicht war. Freilich aber ein kleines Etwas!

Auch sieht man, warum eigentlich keine Nation hinter der andern, selbst mit allem Zubehör derselben, jemals worden ist, was die andre war. Mochten alle Mittel ihrer Kultur dieselbe sein: Kultur nimmer dieselbe, weil allemal schon alle Einflüsse der alten, jetzt veränderten Natur dazu fehlten. Griechenwissenschaften, die die Römer an sich zogen, wurden römisch; Aristoteles ein Araber und Scholastiker; und mit den Griechen und Römern der neuen Zeiten – welche elende Sache! Marsilius, du bist Plato? Lipsius, du Zeno? Wo sind deine Stoiker? deine Helden, die dort so viel taten? Alle ihr neuen Homere, Redner und Künstler – wo ist eure Welt der Wunder?

Auch in kein Land hat die Bildung ihren Rücktritt nehmen können, daß sie zum zweitenmal geworden wäre, was sie war – der Weg des Schicksals ist eisern und strenge: Szene der Zeit, der Welt war schon vorüber; Zwecke, wozu sie sein sollten, vorbei – kann der heutige Tag der gestrige werden? Werden, da der Gang Gottes unter die Nationen mit Riesenschritte fortgeht, kindische Rückpfade von Menschenkräften bewürkt werden können? – Ihr Ptolomäen konntet nicht wieder Ägypten schaffen! ihr Hadriane nicht Griechenland wieder! noch Julian Jerusalem! – Ägypten, Griechenland und du Land Gottes! wie elend liegt ihr, mit nackten Bergen, ohne Spur und Stimme des Genius, der voraus auf euch gewandelt und in alle Welt sprach – warum? er hat ausgesprochen! Sein Druck auf die Zeiten ist geschehen: das Schwert ausgebraucht, und die zerstückte leere Scheide liegt da! Das wäre Antwort auf so viel un nütze Zweifel, Bewunderungen und Fragen.


»Gang Gottes über die Nationen! Geist der Gesetze, Zeiten, Sitten und Künste, wie sie sich einander gefolgt, zubereitet! entwickelt und vertrieben!« hätten wir doch einen solchen Spiegel des Menschengeschlechts in aller Treue, Fülle, und Gefühl der Offenbarung Gottes. Vorarbeiten gnug; aber alles in Schlaube und Unordnung! Wir haben unser jetziges Zeitalter fast aller Nationen und so die Geschichte fast aller Vorzeiten durchkrochen und durchwühle, ohne fast selbst zu wissen, wozu wir sie durchwühlt haben. Historische Fakta und Untersuchungen, Entdeckungen und Reisebeschreibungen liegen da: wer ist, der sie sondere und sichte?[360]

»Gang Gottes über die Nationen!« Montesquieus edles Riesenwerk hat nicht durch eines Mannes Hand werden können, was es sein sollte. Ein gotisches Gebäude im Philosophischen Geschmack seines Jahrhunderts, Esprit! oft nichts weiter! aus Stelle und Ort gerissen und auf drei oder vier Marktplätze, unter das Panier drei elender Allgemeinörter – Worte! – dazu leerer, unnützer, unbestimmter, allverwirrender Espritworte! hingetrümmert. Durchs Werk also ein Taumel aller Zeiten, Nationen und Sprachen, wie um den Turm der Verwirrung, daß jedweder seinen Bettel, Reichtum und Ranzen, an drei schwache Nägel hange – Geschichte aller Völker und Zeiten, dies große lebendige Werk Gottes auch in seiner Folge, ein Ruinenhaufen von drei Spitzen und Kapseln – aber freilich auch sehr edler, würdiger Materialien – Montesquieu!

Wer, der uns den Tempel Gottes herstelle, wie er in seinem Fortgebäude ist, durch alle Jahrhunderte hindurch! Die ältesten Zeiten der Menschenkindheit sind vorbei; aber Reste und Denkmäler gnug da – die herrlichsten Reste, Unterweisung des Vaters selbst an diese Kindheit – Offenbarung! Sagst du, Mensch, daß sie dir zu alt sei in deinen zu klugen, altgreisen Jahren – siehe um dich! – der größte Teil von Nationen der Erde ist noch in Kindheit, reden alle noch die Sprache, haben die Sitten, geben die Vorbilder des Grads der Bildung – wohin du unter sogenannte Wilde reisest und horchest, tönen Laute zur Erläuterung der Schrift! wehen lebendige Kommentare der Offenbarung!

Die Abgötterei, die die Griechen und Römer so viel Jahrhunderte genossen, der oft fanatische Eifer, mit dem alles bei ihnen aufgesucht, ins Licht gesetzt, verteidigt, gelobt worden – welch große Vorarbeiten und Beiträge! Wenn der Geist der übertriebnen Verehrung wird gedämpft, die Parteilichkeit, mit der ein jeder sein Volk, als eine Pandora, liebkoset, gnug ins Gleichgewicht gebracht sein – ihr Griechen und Römer, denn werden wir euch kennen und ordnen!

Es hat sich ein Nebenweg zu den Arabern gezeigt, und eine Welt von Denkmälern liegt da, um sie zu kennen. Es haben sich, obwohl zu ganz andern Zwecken, Denkmäler der mittlern Geschichte vorgefunden, teils wird sich, was noch im Staube liegt (wenn alles von unsrer aufgeklärten Zeit so gewiß zu hoffen wäre!), gewiß bald, vielleicht in einem halben Jahrhunderte Enden. Unsre Reisebeschreibungen mehren und bessern sich: alles läuft, was in Europa nichts zu tun hat, mit einer Art philosophischer Wut über die Erde – wir sammlen »Materialien aus aller Welt[361] Ende« und werden in ihnen einst finden, was wir am wenigsten suchten, Erörterungen der Geschichte der wichtigsten menschlichen Welt.

Unsre Zeit wird bald mehrere Augen öffnen: uns zeitig gnug wenigstens idealische Brunnquellen für den Durst einer Wüste zu suchen treiben – wir werden Zeiten schätzenlernen, die wir jetzt verachten – das Gefühl allgemeiner Menschheit und Glückseligkeit wird rege werden: Aussichten auf ein höheres als menschlich Hiesein wird aus der trümmervollen Geschichte das Resultat werden, uns Plan zeigen, wo wir sonst Verwirrung fanden: alles findet sich an Stelle und Ort – Geschichte der Menschheit im edelsten Verstande – du wirst werden! So lange lasset also den großen Lehrer und Gesetzgeber der Könige führen und verführen. Er hat so schönes Vorbild gegeben, mit zwei, drei Worten alles zu messen, auf zwei, drei Regimentsformen, denen man's leicht ansieht, wannen und wie eingeschränktes Maßes und Zeitraums sie sind – auf sie alles hinzuführen. Wie angenehm, ihm im Geiste der Gesetze aller Zeiten und Völker und nicht seines Volks zu folgen – auch das ist Schicksal. Man hat oft lange den Fadenknäul in der Hand, freut sich, daran bloß einzeln rupfen zu können, um ihn nur mehr zu wirren! Eine glückliche Hand, die das Gewirre an einem Faden sanft und langsam zu entwickeln Lust hat – wie weit und eben läuft der Faden! Geschichte der Welt! dahin denn jetzt die kleinsten und größten Reiche und Vogelnester streben. –


Alle Eräugnisse unsrer Zeit sind auf großer Höhe und streben weit hinaus – mich dünkt, in beiden liegt der Ersatz dessen, daß wir freilich als einzelne mit wenigerer Kraft und Freudegefühl würken können. Also würklich Aufmunterung und Stärke.

Du kannst, Sokrates unsrer Zeit! nicht mehr wie Sokrates würken: denn dir fehlt der kleine, enge, starkregsame, zusammengedrängte Schauplatz! die Einfalt der Zeiten, Sitten und des Nationalcharakters! die Bestimmtheit deiner Sphäre! – Erdbürger und nicht mehr Bürger zu Athen, fehlt dir natürlich auch die Ansicht dessen, was du in Athen tun sollt: das sichere Gefühl dessen, was du tust: die Freudempfindung von dem, was du ausgerichtet habest – dein Dämon! Aber siehe! wenn du wie Sokrates handelst, demütig Vorurteilen entgegenstrebest, aufrichtig, menschenliebend, dich selbst aufopfernd, Wahrheit und Tugend ausbreitest, wie du kannst – Umfang deiner Sphäre ersetzt vielleicht[362] das Unbestimmtere und Verfehlende deines Beginnens! Dich werden hundert lesen und nicht verstehen: hundert und gähnen: hundert und verachten: hundert und lästern: hundert und die Drachenfesseln der Gewohnheit lieber haben und bleiben, wer sie sind; aber bedenke, noch vielleicht hundert überbleiben, bei denen du fruchtest: wenn du lange verweset bist, noch eine Nachwelt, die dich lieset und besser anwendet. Welt und Nachwelt ist dein Athen! rede!

Welt und Nachwelt! Ewiger Sokrates, würkend und nicht bloß die tote Büste mit Pappellaube bekränzt, wie wir's Unsterblichkeit nennen! Jeder sprach anschaulich, lebendig, im engen Bezirke: und sein Wort fand eine so gute Stelle. – Xenophon und Plato dichteten ihn in ihre Denkbücher und Gespräche: es waren nur Manuskripte, zum Glück für uns besser als hundert andre, dem wegschwemmenden Strom der Zeit entronnen. Was du schreibst, sollte Wort für Wort Welt und Ewigkeit wert sein, weil du (wenigstens Materialien und Möglichkeit nach) für Welt und Ewigkeit schreibest. In wessen Hand kann deine Schrift kommen! im Kreise wie würdiger Männer und Richter solltest du reden! Tugend lehren, in dem Lichte und Klarheit, wie's Sokrates in seinem Alter noch nicht konnte! zur Menschenliebe anmuntern, die, wenn sie sein könnte, wahrhaftig mehr als Vaterlands- und Bürgerliebe wäre! Glückseligkeit auch in Zuständen, auch unter Situationen verbreiten, wie jene mit den dreißig Heilanden des Vaterlands, denen auch ihre Statuen gesetzt waren, kaum sein mochten – Sokrates der Menschheit!

Lehrer der Natur! was kannst du mehr sein als Aristoteles und Plinius! wie weit mehr sind dir Wunder und Werke geöffnet! was für Hülfsmittel, sie den Augen andrer zu öffnen, die jene nicht hatten! auf welcher Höhe stehest du! Gedenke Newtons! was der einige Newton fürs Ganze des menschlichen Geistes gewürket! was das alles allweit gewürket, geändert, gefruchtet! zu welcher Höhe er sein ganzes Geschlecht gehoben! – – Du stehest auf der Höhe! strebest, statt die große Schöpfung Gottes in ein klein Gebäude deines Kopfs von Kosmogonie, Tierentstehung, Formenbildung u. dgl.28 zu verengen, bloß dem Strome der Gotteskraft nach, sie in allen Formen, Gestalten und Schöpfungen tief und treu zu fühlen, zu fühlen zu geben, dem Schöpfer zu dienen und nicht dir – Bote der Herrlichkeit durch alle Reiche der Wesen! Nur von dieser Zeithöhe[363] konntest du den Himmelsflug nehmen, entdecken, mit der Fülle und Adel und Weisheit reden! mit der unschuldigen, mächtigen, allgütigen Gottesansicht Menschenherzen erquicken, die aus keiner andern Pfütze erquickt werden konnten. Das tust du für Welt und Nachwelt! Freilich unter allen Entdeckern und Forschern nur einer, ein kleiner Name! aber für Welt und Nachwelt! und wie hoch! wie herrlich – als es Plinius und Aristoteles nicht konnten – Engel Gottes in deiner Zeit!

Was für hundert mehrere Mittel hat Arzt und Menschennaturkenner jetzt als Hippokrates und Machaon! in Vergleich dieser gewiß Sohn Jupiters, Gott! Und wie? wenn er's nun auch mit aller Empfindung jener menschlichern Zeiten würde! Gott, Entdecker und Heiland dem Siechen an Leib und Seele! rettend hier einen Jüngling, der jetzt unter den ersten Rosen des Lebens, die er zu brechen glaubte, eine Feuerschlange fand – ihn (er kann's vielleicht allein!) ihm selbst, Eltern, der Nachkommenschaft, die durch uns leben- oder todvolles Dasein erwartet, der Welt, der Tugend wiedergebe! Unterstützte hier den Mann, der ein Opfer seiner Verdienste durch Arbeit oder Gram ward, schenkte ihm die süßeste Belohnung, die er jetzt doch nur oft als ganzen Dank für sein Leben genießen konnte, ein heitres Alter! rettet ihn – vielleicht die einzige Säule gegen hundert Unfälle der Menschheit, die den letzten Blick seiner Augen begleiten werden, nur einige Jahre vom Grabe! Das Gute dieser Jahre sein: das Tröstende, Heitre, was dieser Totenerweckte verbreitet, sein! in Zeiten, wo ein geretteter Mann so viel tun und wo auch die unschuldigere Menschheit auf wie hundert Weisen so elend erliegen kann – was bist du in den Zeiten, Arzt mit menschlichem Herzen!

Was soll ich alle Stände und Klassen durchgehen, der Gerechtigkeit, der Religion, der Wissenschaften, einzelner Künste – je höher jede in ihrer Art ist, je weiter sie würken kann, wie besser und lieber! Eben weil du nur freiwillig so würken mußtest, weil nichts dich foderte oder zwang, in deinem Stande und Klasse so gut und groß und edel zu handeln: eben weil dich nichts so gar weckte und vielmehr alles zudrang, dich zu einem bloß mechanischen Diener deiner Kunst zu machen und jede tiefere Empfindung einzuschläfern – vielleicht dies Ungewöhnliche, das dir statt Lorbeer gar Dornen auf dein Haupt pflanzte – um so reiner, stiller, göttlicher ist deine verborgne, geprüftere Tugend: ist mehr als jene Tugend andrer Zeiten, die, von Antrieben und Belohnungen[364] geweckt, am Ende doch nur Bürgerzubehör war und edle Pracht des Körpers! Die deine ist Lebenssaft des Herzens.

Wie müßte ich reden, wenn ich das Verdienst derer beschreiben wollte, die würklich Säulen oder Angeln unsres Jahrhunderts sind, um die sich alles bewegt. Regenten! Hirten! Pfleger der Völker! – ihre Kraft mit den Triebfedern unsrer Zeit ist halbe Allmacht! Schon ihr Bild, ihr Anschauen, ihr Belieben, ihre schweigende, nur geschehen lassende Denkart – sagt ihnen ihr Genius nur, daß sie zu was Edlerm da sind, als mit einer ganzen Herde als Maschine zu eignen – es sei auch so glorreichen Zwecken – zu spielen diese Herde auch, als Zweck! zu weiden, wenn mehr, für ein größeres Ganze der Menschheit zu sorgen – Regenten, Hirten Pfleger der Völker! den Zepter der Allmacht in ihrer Hand! mit wenigen Menschenkräften! in Jahren! durch bloße Absicht und Aufmunterung, wie unendlich mehr zu tun, als jener Mogul auf seinem goldnen Throne tut oder jener Despot auf einem Thron Menschenköpfe jetzt tun will! Wer unter bloß politischen Absichten erliegt, ist vielleicht im höchsten Stande so gemeinere Seele als jener Linsenwerfer, nur glücklich, geworfen zu haben, oder jener Flötenspieler, der nur die Löcher trifft –

Mit dir rede ich lieber, Hirt deiner Herde, Vater, Mutter in der armen Hütte! Auch dir sind tausend Antriebe und Lockungen genommen, die dir einst dein Vatergeschäft zum Himmel machten. Kannst dein Kind nicht bestimmen! wird dir frühe, vielleicht in der Wiege schon, mit einer Ehrenfessel der Freiheit – höchstes Ideal unsrer Philosophen! – gezeichnet kannst's nicht für väterlichen Herd, Vatersitten, Tugend und Dasein erziehen – es mangelt dir also schon immer Kreis und, da alles verwirret ist und läuft, die erleichternste Triebfeder der Erziehung, Absicht. Mußt besorgen, daß, sobald es dir aus den Händen gerissen wird, es mit einmal ins große Lichtmeer des Jahrhunderts, Abgrund! sinke – versunknes Kleinod! unwiederbringliche Existenz einer Menschenseele! Der blütenreiche Baum, zu früh aus seiner Muttererde gerissen, in eine Welt von Stürmen verpflanzt, denen der härteste Stamm oft kaum bestehet, vielleicht gar dahin eingepflanzt mit verkehrtem Ende, Gipfel statt Wurzel und die traurige Wurzel in der Luft – er droht dir in kurzem dazustehn, verdorret, scheußlich, Blüte und Frucht auf der Erde! – Verzweifle nicht im Hefen des Zeitalters! was dich auch drohe und hindere – erziehe. Erzieh um so besser sicherer, fester – für alle Stände und Trübsale, wohin er geworfen[365] werde! für Stürme, die auf ihn warten! Untätig sein kannst du doch nicht: böse oder gut erziehen mußt du: gut – und wie größere Tugend! wie größerer Lohn also in jedem Paradiese leichterer Zwecke und einförmigerer Bildung. Wie nötiger hat jetzt die Welt einen der simplen Tugend Erzognen, als sie's jemals hatte! Wo alle Sitten gleich und alle gleich eben, recht und gut sind – was braucht's Mühe! Gewohnheit erzieht und Tugend verliert sich in bloße Gewohnheit. Aber hier! Ein leuchtender Stern in der Nacht! Demant unter Haufen Erde- und Kalksteine! Einen Menschen unter Scharen Affen und politischer Larven – wie viel kann er weiter bilden durchs stille, göttliche Beispiel! Wellen um und nach sich verbreiten vielleicht in die Zukunft! – Zudem denke, wie reiner deine Tugend und edler! mehrere und größere Hülfsmittel der Erziehung von gewissen Seiten, je mehr dir und deinem Jünglinge äußere Triebfedern auf der andern Seite fehlen! – denke, zu welcher höhern Tugend du ihn erziehest, als zu der Lykurg und Plato erziehen konnten und durften! – das schönste Zeitalter für die stille, verschwiegne, meist verkannte, aber so hohe, sich so weit verbreitende Tugend!

Das dünkt mich also immer gewiß: je weniger es in unserm Jahrhunderte geben mag ganz und groß Gute, je schwerer die höchste Tugend uns werden muß und je stiller, verborgner sie anitzt nur werden kann – wo sie ist, um so höhere, edlere, vielleicht einmal unendlich nützliche und folgenschwangere Tugend! Indem wir uns meistens verlassen und verleugnen, können wir manche unmittelbare Belohnungen nicht genießen, streun das Samenkorn in die weite Welt hin, ohne zu sehen, wo es falle, wurzele, ob's auch da nur einmal zum Guten fruchte? Edler, ins Verborgne und Allweite zu säen, ohne daß man selbst Ernte erwartet! und gewiß um so größer die allweite Ernte! Dem wehenden Zephir vertraue den Samen: um so weiter wird er ihn fahren, und wenn einmal alle die Keime aufwachen, zu denen auch der edlere Teil unsres Jahrhunderts still und schweigend beitrug – in welche selige Zeit verliert sich mein Blick! –


Eben an Baumes höchsten Zweigen blühen und sprießen die Früchte – siehe da die schöne Voraussicht des größesten der Werke Gottes! Aufklärung – wenn sie uns gleich nicht immer zustatten kommt, wenn wir gleich bei größerer Oberfläche und Umfange an Tiefe und Grabung des Stroms verlieren: gewiß eben damit, daß wir uns einem großen Ozean, schon selbst ein kleines[366] Meer, nähern. Assoziierte Begriffe aus aller Welt: eine Kenntnis der Natur, des Himmels, der Erde, des Menschengeschlechts, wie sie uns beinah unser Universum darreichen kann – Geist derselben, Maße und Frucht bleibt für die Nachwelt. Das Jahrhundert ist hinüber, da Italien unter Verwirrung, Unterdrückung, Meuterei und Betrug seine Sprache, Sitten, Poesie, Politik und Künste bildete – was gebildet wurde, hat sein Jahrhundert überlebt: würkte weiter und ward die erste Form Europens. Elend und Jammer, unter dem das Jahrhundert des französischen großen Königs seufzte, zum Teil vorüber: die Zwecke, zu denen er alles wollte und brauchte, vergessen, oder stehn als Puppen der Eitelkeit und Hohnlache müßig da: all seine eherne Meere, die er selbst trug, und die Wände, wo er immer selbst leibte, sind dem Gedanken jedwedes preisgegeben, der auch nicht dabei denken will, was Ludwig wollte – aber Geist der Künste, an ihnen geübt, ist blieben. Die Forschungen der Kraut- und Münz- und Edelstein- und Wasserwaage- und Messungsreisen bleiben, wenn alles verfallen ist, was daran teilhatt, und was dadurch litt und wozu es sollte! Die Zukunft streift uns unsre Schlaube ab und nimmt den Kern. Der kleine Zweig hat nichts davon, aber an ihm hangen die lieblichen Früchte.

Wie nun? wenn einst alle das Licht, das wir in die Welt säen, womit wir jetzt viel Augen blenden, viel elend machen und verfinstern, allenthalben gemäßigt Lebenslicht und Lebenswärme würde – die Masse von toten, aber hellen Kenntnissen, das Feld voll Beine, was auf, um und unter uns liegt, würde – woher? wozu? – belebt – befruchtet – welch neue Welt! wie glücklich, seiner Hände Werk in ihr genießen! Alles bis auf Erfindungen, Ergötzlichkeiten, Not, Schicksal und Zufall strebt, uns über eine gewisse gröbere Sinnlichkeit voriger Zeitalter zu erheben, uns zu einer höhern Abstraktion im Denken, Wollen, Leben und Tun zu entwöhnen – für uns nicht immer annehmlich, oft mißlich! Die Sinnlichkeit des Morgenlands, die schönere Sinnlichkeit Griechenlands, die Stärke Roms hinüber: und wie elend trösten uns unsre leidige Abstraktionströster und Sentenzen, worin uns oft schon Beweggründe, Triebfedern und Glückseligkeiten bestehen müssen: das Kind wird auch von einer letzten Sinnlichkeit hart entwöhnet – aber siehe das höhere Zeitalter, was vorwinkt. Kein Tor kann's leugnen, wenn die feinen Beweggründe, die höhere, himmlische Tugend, der abgezogenere Genuß irdischer Seligkeiten der menschlichen Natur möglich ist: äußerst erhebend und veredelnd[367] ist sie! Vielleicht also, daß jetzt an dieser Klippe viele zugrunde gehen! Vielleicht und gewiß haben jetzt unendlich wenigere diese Fénelonsche Tugend als jene Spartaner, Römer und Ritter die sinnliche Blüte ihres Welt- und Zeitgeists. – Die breiten Landstraßen werden immer engere Fußtritte und Steilhöhen, auf denen wenige wandeln können – aber Höhen sind's und streben zum Gipfel! Welcher Zustand einmal auf dem krümmenden Schlangenwege der Vorsehung, wenn Haut und Hindernisse zurückgelassen, verjüngtes Geschöpf in neuem Frühlinge auflebet! – eine unsinnlichere, sich gleichere Menschheit! nun völlig Welt um sich, Lebenskraft und Principium, nach dem wir nur mühsam streben, in sich habend – welche Schöpfung! und wer, der die Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit davon zu leugnen hätte? Verfeinerung und läuternder Fortgang der Tugendbegriffe aus den sinnlichsten Kindeszeiten hinauf durch alle Geschichte ist offenbar: Umherbreitung und Fortgang ins Weite offenbar: und das alles ohne Zweck? ohne Absicht?

Daß sich die Begriffe von menschlicher Freiheit, Geselligkeit, Gleichheit und Allglückseligkeit aufklären und verbreiten, ist bekannt. Für uns nicht sogleich von den besten Folgen, oft dem ersten Anscheine nach das Böse anfangs das Gute überwiegend: aber! –

Geselligkeit und leichter Umgang zwischen den Geschlechtern, hat er nicht die Ehre, Anständigkeit und Zucht beider Teile erniedrigt? für Stand, Geld und Artigkeit alle Schlösser der großen Welt aufgesprengt? die erste Blüte des männlichen und die edelsten Früchte des weiblichen Geschlechts in Ehe- und Mutterliebe und Erziehung haben wieviel gelitten? ihr Schade sich wohin fortverbreitet? – Abgrund unersetzlicher Übel! da selbst die Quellen der Besserung und Genesung, Jugend, Lebenskraft und bessere Erziehung, verstopft sind! – Die schlankern, also leicht umherspielenden Äste können nicht anders als in ihrem zu früh und unkräftigen Lebensspiele mitten im Sonnenstrahle verdorren! Unersetzlicher Verlust! – vielleicht für alle Politik unabhelfbar! für alle Menschenliebe nicht gnug zu beklagen – aber für die Hand der Vorsehung noch Werkzeug. Wenn hundert arme Geschöpfe hier mit vertrocknetem Gaum um die erste Quelle des Lebens, der Geselligkeit und Freude hinsinken, lechzen und verschmachten – die Quelle selbst, an denen sie sich unglücklich täuschten, läutert! Siehe, wie sie in spätern Jahren, vielleicht auch übertrieben,[368] nun andre Früchte der Ergötzlichkeit suchen, sich neue Welten idealisieren und mit ihrem Unheil die Welt bessern! Abgelebte Aspasien bilden Sokrate: Ignaz seine Jesuiten: die Epaminondas aller Zeit erzeugen sich Schlachten bei Leuktra: Helden, Philosophen, Weise und Mönche von so unsinnlicher, höherer Tugend, Aufstrebung und Verdienstlichkeit – wie viele bloß aus diesem Grunde! Wer zum Nutzen der Welt berechnen und wägen will, tu's! Er hat große Summe von meistens nicht ungewissen Ausschlage vor sich: der Gang der Vorsehung geht auch über Millionen Leichname zum Ziel!

Freiheit, Geselligkeit und Gleichheit, wie sie jetzt überall aufkeimen – sie haben in tausend Mißbräuchen Übels gestiftet und werden's stiften. Wiedertäufer und Schwärmer verwüsteten Deutschland zu Luthers Zeiten, und jetzt bei der allgemeinen Vermischung der Stände, bei dem Heraufdringen der Niedern an die Stelle welker, stolzer und unbrauchbarer Hohen, um in kurzem noch ärger als sie zu werden – die stärksten, notwendigsten Grundplätze der Menschheit werden leerer: die Masse verderbten Lebensafts tritt tief hinunter. Und wenn eine Vormundschaft dieses großen Körpers um eines zeitigen vermehrten Appetits oder eines scheinbaren Zusatzes von Kräften halber zusieht, lobt und befördert – oder wenn sie auch aufs ärgste sich widersetzte: den Grund der »fortgehenden Verfeinerung und des Aufdringens zu Räsonnement, Üppigkeit, Freiheit und Frechheit« wird sie nimmermehr leben. Wie sehr das wahre freiwillige Ansehen der Obrigkeit, Eltern und höchsten Stände in der Welt nur seit einem Jahrhunderte gefallen, ist bei einer kleinen Vergleichung unsäglich: auf zehnfache Weise tragen unsre kleine und große Große dazu weiterhin bei: Schranken und Schlagbäume niedergerissen: Vorurteile, wie es heißt, des Standes, der Erziehung, und ja der Religion unter die Füße getreten und zu ihrem Schaden selbst verspottet: wir werden alle – durch einerlei Erziehung, Philosophie, Irreligion, Aufklärung, Laster und endlich, zur Zugabe, durch Unterdrückung, Blutdurst und unersättliche Habsucht, die schon die Gemüter weckt und zum Selbstgefühl bringt werden wir alle – Heil uns! und nach vielen Unordnungen und Elende, Heil uns! was unsre Philosophie so rühmet und anstrebt – Herr und Knecht, Vater und Kind, Jüngling und die fremdeste Jungfrau, wir alle werden Brüder. Die Herren weissagen wie Kaiphas, aber freilich zuerst auf eigenen Kopf oder das Haupt ihrer Kinder![369]

Wenn unsre »Menschenregierung« auch nichts mehr als schöne Hülle gewonnen hätte: den guten Schein und Anschein? die Sprache, die Grundsätze und Gesinnungen und Ordnung, die jetzt jedes Buch und jeder junge Prinz, als ob er ein lebendiges Buch wäre, auf der Zunge führet – großer Fortgang. Versuche jemand, Machiavell und »Antimachiavell« zusammen zu lesen – Philosoph und Menschenfreund wird den Letzten verehren, seine unberührten mit Blumen und grünem Strauch bedeckte Moderstellen und unsondierte Wunden, wo man nicht auf den Grund kommen wollen und mögen, willig übersehen und sagen: welch ein Buch! welch ein Prinz, der wie das Buch dächte! nur eingestünde, anerkennte, wüßte, in beiläufigen Gesinnungen handelte, für Welt und Nachwelt welch ein Prinz! Statt grober, unmenschlich grausamer Tollheit könnten freilich Krankheiten herrschen, die ebenso drückend und schädlicher sind, weil sie schleichen, gepriesen und nicht erkannt werden und bis Mark und Bein in die Seele fressen. Das allgemeine Kleid von Philosophie und Menschenliebe kann Unterdrückungen verbergen, Eingriffe in die wahre, persönliche Menschen-und Landes-, Bürger- und Völkerfreiheit, wie Cäsar Borgia sie nur wünschte: alle das den angenommenen Grundsätzen des Jahrhunderts gemäß mit einem Anstande von Tugend, Weisheit, Menschenliebe und Völkervorsorge: da's also geschehen kann und fast muß – Lobredner dieser Hüllen sein, als ob sie Taten wären, mag ich nicht: ohne Zweifel hätte auch Machiavell in unserm Jahrhunderte nicht geschrieben, wie er schrieb, und Cäsar in andern Beziehungen nicht handeln dürfen wie damals: im Grunde würde noch mit alledem nichts als Kleid geändert. Aber auch nur dies geändert, ist Wohltat. Daß in unserm Jahrhunderte jeder, der wie Machiavell schriebe, gesteinigt würde – Doch ich nehme mein Wort zurück – wer für die Tugend ärger als Machiavell schreibt, er wird nicht gesteinigt – er schreibt philosophisch, witzig, französisch und ja – ohne Religion. Also »wie unsereiner!« Und – desavouiert ja seine Schriften! –

Ausgelassenheit zu denken, wenn's nur mit gewissen Konvenientien des Wohlstands geschieht (der wahre Wohlstand darf um so ferner sein!), auch selbst auf diesem giftigen ausschweifenden Baume sprossen gute Früchte! Glaubt ihr nicht, daß dieser Sinn und Unsinn, den man jetzt gegen die Religion so ungescheuet saget, einst vortreffliche Würkungen haben werde? Von Erläuterungen, Rechtfertigungen und Beweisen der Religion abstrahiert,[370] die oft nicht viel beweisen, ich weiß nicht, welcher große Mann ein nächstes Jahrhundert des Aberglaubens prophezeite, weil das unsre sich in so dummen Unglauben erschöpfte. – Aber wie's auch laufe (und es wäre schlimm, wenn nur Aberglaube wieder den Unglauben abwechseln könnte und der ewige elende Kreislauf nicht weiterbrächte!), Religion, Vernunft und Tugend müssen durch die tollesten Angriffe ihrer Gegner unfehlbar einmal gewinnen! – Der Witz, die Philosophie, die Freiheit, zu denken, war gewiß zu diesem neuen Throne nur wider Wissen und Willen Gerüst: plötzlich einmal die Wolke zerteilet, und wenn sie denn dastehn wird in voller Glorie die alleuchtende Sonne der Welt. –

Auch der große Umfang und die Allgemeinheit, in der das alles läuft, sehen wir, kann dazu offenbar ein unbekanntes Gerüste werden. Je mehr wir Europäer Mittel und Werkzeuge erfinden, euch andern Weltteile zu unterjochen, zu betrügen und zu plündern – vielleicht ist's einst eben an euch, zu triumphieren! Wir schlagen Ketten an, womit ihr uns ziehen werdet: die umgekehrte Pyramiden29 unsrer Verfassungen, werden auf eurem Boden aufrecht kommen, ihr mit uns – gnug, sichtbarlich geht alles ins Große! Wir umfassen, womit es sei, den Kreis der Erde, und was darauf folgt, kann wahrscheinlich nie mehr seine Grundlage schmälern! wir nahen uns einem neuen Auftritte, wenn auch freilich bloß durch Verwesung!

Eben daß sich unsre Denkart in Gutem und Bösem verfeinet und sich eben damit unsre stärkere, sinnlichere Grundsätze und Triebfedern abreiben, ohne daß der größere Haufe etwas dagegen, noch bisher an die Stelle zu setzen Lust oder Kraft hätte: wohin muß uns dies bringen? Die sinnlichen starken Bande der alten Republiken und Zeitalter sind längst (und es ist Triumph unsrer Zeit!) aufgelöst: an den feinern Banden unsrer Zeit nagt alles: Philosophie, Freigeisterei, Üppigkeit und eine Erziehung zu diesem allen, von Gliede zu Gliede tiefer und weiter verbreitet – die meisten unsrer politischen Triebfedern muß sogar schon die ruhige Weisheit verdammen oder verachten, und der Streit zwischen dem Christentume und der Weltart ist ein wie alter Vorwurf und Skrupel zu beiden Seiten! Da sich also Schwäche in nichts als Schwäche endigen und eine überstrengte Anziehung und Mißbrauch des letzten geduldigen Wurfs[371] der Kräfte nichts als jenen völligen Hinwurf beschleunigen kann – doch es ist nicht mein Amt weissagen!

Noch minder weissagen, »was allein Ersatz und Quelle neuer Lebenskräfte auf einem so erweiterten Schauplatze sein könne, werde und fast sein müsse, woher neuer Geist alle das Liebt und die Menschengesinnung, auf die wir arbeiten, zu der Wärme, zu der Bestandheit und zu der Allglückseligkeit bringen könne und werde.« Ohne Zweifel rede ich noch von fernen Zeiten!

Lasset uns, meine Brüder, mit mutigem, fröhlichen Herzen auch mitten unter der Wolke arbeiten: denn wir arbeiten zu einer großen Zukunft.

Und lasset uns unser Ziel so rein, so hell, so schlackenfrei annehmen, als wir's können: denn wir laufen in Irrlicht und Dämmerung und Nebel.


Wenn ich da Taten sehe oder vielmehr schweigende Merkmale von Taten ahnde aus einem Geiste, der für die Hülle seiner Zeit zu groß und für ihr Lobgeschrei zu still und blöde dahingeht und im Finstern säet: Samenkörner, die wie alle Gotteswerke und Schöpfungen vom kleinen Keim anfangen, denen man's aber beim ersten kleinen Sprößlein so lieblich ansiehet und anreucht, daß sie Schöpfung Gottes im Verborgenen sein werden – und wären's Anlagen, insonderheit zur edelsten Pflanze der Menschheit, Bildung, Erziehung, Stärkung der Natur in ihren bedürftigsten Nerven, Menschenliebe, Sympathie und Brüderglückseligkeit – heilige Pflanzen, wer ist unter euch gewandelt, daß ihn nicht ein Schauer besserer Zukunft ergriffe und er euren Urheber, klein und groß, König und Knecht, nicht im stillesten Abend- Morgen- und Mitternachtopfer segne! Alle bloß körperliche und politische Zwecke zerfallen, wie Scherb und Leichnam: die Seele! der Geist! Inhalt fürs Ganze der Menschheit – der bleibt: und wohl, wem da aus der reinen, untrübbaren Lebensquelle viel ward! –


Es ist fast unvermeidlich, daß ebendas Höhere, Weitverbreitete unsres Jahrhunderts auch Zweideutigkeiten der besten und schlimmsten Handlungen geben muß, die bei engern, tiefern Sphären wegfielen. Eben daß niemand fast mehr weiß, wozu er würkt: das Ganze ist ein Meer, wo Wellen und Wogen, die wohin? aber wie gewaltsam! rauschen – weiß ich, wohin ich mit meiner kleinen Woge komme? – Nicht bloß Feind und Verleumder[372] wird die Beginnen des würksamsten, besten Mannes oft in ein zweifelhaftes Licht stellen können; vielleicht wird selbst dem warmen Bewunderer in kältern Stunden auch Nebel und Doppellicht erscheinen. Alle Radien sind schon dem Mittelpunkte so fern – laufen alle, wohin? und wenn werden sie dahin kommen?

Man weiß, was man allen Reformatoren aller Zeiten vorgeworfen, daß wenn sie einen neuen Schritt taten, sie auch immer hinter sich Lücken ließen, vor sich Staub und Erschütterung machten, und unter sich Unschuldiges zertraten. Die Reformatoren der letzten Jahrhunderte trifft das sichtlicher und doppelt. Luther! Gustav Adolf! Peter der Große! Welche drei haben in den neuern Zeiten mehr verändert? edleren Sinnes geändert? – und sind ihre, zumal unvorhergesehne Folgen, allemal zugleich unwidersprüchliche Zunahmen des Glücks ihrer Nachkommen gewesen? Wer die spätere Geschichte kennt, wird er nicht manchmal sehr zweifeln?

Ein Monarch, dessen Namen unsre Zeit mehr trägt und zu tragen verdient als das Zeitalter Ludwigs


– den uns

sein Jahrhundert mit aufbewahrt!,


welche neue Schöpfung Europas hat er von seinem Flecke her in dreißig kurzen Jahren bewürkt! – In Kriegs- und Regierungskunst, in Behandlung der Religion und Einrichtung der Gesetze, als Apollo der Musen und als Privatmann unter der Krone – dem allgemeinen Scheine nach das Muster der Monarchien – welch ein Gutes gestiftet! Aufklärung, philosophischen Geist und Mäßigung vom Throne ringsum verbreitet! Orientalischen, dummen Pracht, Schwelgerei und Luxus, der vormals oft das einzige Goldgehege der Höfe war, wie erschrecklich zertrümmert und verjaget! Fette Unwissenheit, blinden Eifer und Aberglauben überall wie tief verwundet! Sparsamkeit und Ordnung, Regelmäßigkeit und Fleiß, schöne Künste und einen sogenannten Geschmack, frei zu denken – wie hoch erhoben! – Das Jahrhundert trägt sein Bild wie seine Uniform: Jahrhundert ohne Zweifel die größte Lobrede seines Namens. – Indes wird auch ebendie Münze, das Brustbild weggekehrt und das bloße Resultat seiner Schöpfung als Menschenfreund und Philosoph betrachtet, ohne Zweifel einmal etwas mehr und anders zeigen! Zeigen vielleicht, wie durch ein natürlich Gesetz der Unvollkommenheit menschlicher[373] Handlungen mit der Aufklärung auch ebensoviel luxurierende Mattigkeit des Herzens – mit Sparsamkeit ihr Zeichen und Gefolge, Armut – mit Philosophie blinder kurzsichtiger Unglaube – mit Freiheit zu denken immer Sklaverei zu handeln, Despotismus der Seelen unter Blumenketten – mit dem großen Helden, Eroberer und Kriegsgeist Erstorbenheit, Römerverfassung, wie da Armeen alles waren, Verfall und Elend sich habe verbreiten müssen! Zeigen, was Menschenliebe, Gerechtigkeit, Mäßigkeit, Religion, Wohl der Untertanen – alle bis auf einen gewissen Grad als Mittel zum Erreichen behandelt – was alle das auf seine Zeit – auf Reiche ganz andrer Verfassung und Ordnung – auf Welt und Nachwelt für Folgen haben müssen! – Die Waage wird schweben? steigen – sinken – welche Schale? was weiß ich? –

Der Schriftsteller von hundert Jahren30, der ohne Zank und Widerspruch wie ein Monarch auf sein Jahrhundert gewürkt hat – von Lissabon bis Kamtschatka, von Zembla bis in die Kolonien von Indien gelesen, gelernt, bewundert und, was noch mehr ist, befolgt – mit seiner Sprache, mit seinen hundertfachen Talenten der Einkleidung, mit seiner Leichtigkeit, mit seinem Schwunge von Ideen auf lauter Blumen – am allermeisten dadurch, daß er auf der glücklichen Stelle geboren wurde, die Welt zu nützen, Vorgänger und Nebenbuhler zu nützen, Gelegenheiten, Anlässe, zumal Vorurteile und Lieblingsschwächen seiner Zeit, zumal ja die nutzbarsten Schwächen der schönsten Bräute seiner Zeit, der Regenten in ganz Europa zu nutzen – dieser große Schriftsteller, was hat er nicht ohne Zweifel auch zum Besten des Jahrhunderts getan! Licht verbreitet, sogenannte Philosophie der Menschheit, Toleranz, Leichtigkeit im Selbstdenken, Schimmer der Tugend in hundert liebenswürdigen Gestalten, verdünnte und versüßte kleine menschliche Neigungen – als Schriftsteller ohne Zweifel auf der größten Höhe des Jahrhunderts! – Aber nun zugleich damit, was für elenden Leichtsinn, Schwäche, Ungewißheit und Kälte! was für Seichtigkeit, Planlosigkeit, Skeptizism an Tugend, Glück und Verdienst! – was mit seinem Witze weggelacht, ohne es zum Teil weglachen zu wollen! – sanfte, angenehme und notwendige Bande mit frevelnder Hand aufgelöset, ohne uns, die wir nicht alle au Château de Fernay residieren, das mindeste an die Stelle zu geben? Und durch welche Mittel und Wege hat er selbst sein Bestes erlangt? wem er uns mit alle der Philosophie und Schönliebhaberei der Denkart ohne Moral und feste menschlich[374] Empfindung denn in die Hände liefere? – man kennet die große Kabale gegen und für ihn, weiß, wie anders Rousseau predige. Vielleicht gut, daß beide predigen, weit voneinander und in manchem beide einander aufhebend – oft das Ende menschlichen Beginnens! die Linien heben sich auf, aber ihr letzter Punkt steht weiter! – –

Kein großer Geist, durch den das Schicksal Veränderung bewürkt, kann freilich mit allem, was er denkt und fühlt, nach der Gemeinregel jeder mittelmäßigen Seele gemessen werden. Es gibt Ausnahmen höherer Gattung, und meist alles Merkwürdige der Welt geschieht durch diese Ausnahmen. Die graden Linien gehen nur immer gerade fort, würden alles auf der Stelle lassen! wenn nicht die Gottheit auch außerordentliche Menschen, Kometen, in die Sphären der ruhigen Sonnenbahn würfe, fallen und im tiefsten Falle sich wieder erbeben ließe, wohin kein Auge der Erde sie verfolget. Auch tut's nur Gott oder unter Menschen ein Tor, daß er jede fernste moralische oder unmoralische Zwischenfolge einer Handlung auf die Rechnung des Verdienstes und der ersten Absicht des Handelnden setzet! Wer fände sonst in allem in der Welt mehr Ankläger als der erste und einzige Handler, der Schöpfer! – Aber, meine Brüder, lasset uns ja die Pole nicht verlassen, um die sich alles dreht, Wahrheit, Bewußtsein des Wohlwollens, Glückseligkeit der Menschheit! laßt uns am allermeisten auf der größten Höbe des Meers, auf welcher wir jetzt schweben, in Irr- und Nebellichte, das vielleicht ärger ist als völlige Nacht, lasset uns da fleißig nach diesen Sternen, den Punkten aller Richtung, Sicherheit und Ruhe hinsehen, und denn mit Treue und Emsigkeit unsern Lauf steuren.


Groß muß das Ganze sein, wo in jeder Einzelnheit schon so ein Ganzes erscheint! in jeder Einzelnheit aber nur auch immer so ein unbestimmtes Eins, allein aufs Ganze, sich offenbaret! Wo kleine Verbindungen schon großen Sinn geben und doch Jahrhunderte nur Silben, Nationen nur Buchstaben und vielleicht Interpunktionen sind, die an sich nichts, zum leichtern Sinne des Ganzen aber so viel bedeuten! Was, o einzelner Mensch, mit deinen Neigungen, Fähigkeiten und Beitrage, bist du? – und willt, daß sich an dir allseitig die Vollkommenheit erschöpfe?

Ebendie Eingeschränktheit meines Erdpunktes, die Blendung meiner Blicke, das Fehlschlagen meiner Zwecke, das Rätsel[375] meiner Neigungen und Begierden, das Unterliegen meiner Kräfte nur auf das Ganze eines Tages, eines Jahrs, einer Nation, eines Jahrhunderts – ebendas ist mir Bürge, daß ich nichts, das Ganze aber alles sei! Was für ein Werk, zu dem so viel Schattengruppen von Nationen und Zeiten, Kolossenfiguren fast ohne Gesichtspunkt und Ansicht, so viel blinde Werkzeuge gehören, die alle im Wahne des Freien handeln und doch nicht wissen, was? oder wozu?, die nichts übersehen und doch so eifrig mithandeln, als wäre ihr Ameisenhaufe das Weltall – was für ein Werk, dies Ganze! Bei der kleinsten Spanne, die wir davon übersehen, so viel Ordnung und so viel Wirrung, Knote und Anlage zur Auflösung – beides eben für die überschwengliche Herrlichkeit im Allgemeinen, Sicherheit und Gewährleistung. Elend klein müßte es sein, wenn ich, Fliege, es übersehen könnte! wie wenige Weisheit und Mannigfaltigkeit, wenn ein durch die Welt Taumelnder, der so viel Mühe hat, nur einen Gedanken festzuhalten, nie eine Verwickelung fände? – In einer Spanne, die nichts ist und wo doch tausend Gedanken und Samenkörner zugleich streben: in einem halben Zeitmaß der Tonkunst von zwei Schlägen, wo sich aber eben vielleicht die schwersten Töne zur süßesten Auflösung wickeln – wer bin ich, daß ich urteile, da ich eben nur den großen Saal quer durchgehe und einen Seitenwinkel des großen verdeckten Gemäldes im dunkelsten Schimmer beäuge? Was Sokrates zu den Schriften eines Menschen sagte, der, eingeschränkt wie er, mit ihm in einem Maße der Kräfte schrieb – was soll ich zu dem großen Buche Gottes sagen, das über Welten und Zeiten gehet! von dem ich kaum eine Letter bin, kaum drei Lettern um mich sehe – –

Unendlich klein für den Stolz, der alles sein, wissen, würken und bilden will! unendlich groß für die Kleinmut, die sich nichts zu sein getrauet – beide nichts als einzelne Werkzeuge im Plane einer unermeßlichen Vorsehung!

Und wenn uns einst ein Standpunkt würde, das Ganze nur unsres Geschlechts zu übersehen! wohin die Kette zwischen Völkern und Erdstrichen, die sich erst so langsam zog, denn mit so vielem Geklirr Nationen Durchschlag und endlich mit sanfterm, aber strengerm Zusammenziehen diese Nationen binden und wohin? leiten sollte – wohin die Kette reicht? wir sehen die reife Ernte der Samenkörner, die wir aus einem blinden Siebe unter die Völker verstreut, so sonderbar keimen, so verschiedenartig blühen, so zweideutige Hoffnungen der Frucht geben, sahen –[376] wir haben's selbst zu kosten, was der Sauerteig, der so lang, so trüb und unschmackhaft gärte, endlich für Wohlgeschmack hervorbrachte zur allgemeinen Bildung der Menschheit – Fragment des Lebens, was warest du? –


– quanta sub nocte iacebat

Nostra dies!


Wohl aber, wen sein Lebensfragment auch alsdann nicht gereuet!


Βλεπομεν γαρ αρτι δι' εσοπτρου εν αινιγματι, τοτε δε προσωπον προς προσωπον αρτι γινωσκω εκ μερους, τοτε δε επιγνωσομαι, καϑως και επεγνωσϑην. Νυνι δε μενει πιστις, ελπις, αγαπη, τα τρια ταυτα, μειζων δε τουτων ή αγαπη.

Fußnoten

1 Neueste historische Untersuchungen und Reisen in Asien


2 Boulanger, »Du despotisme oriental«; Voltaire, »Phil. de l'histoire« – »De la tolerance« etc.; Helvét., »De l'esprit«, Disc. III etc. etc.


3 Montesquieus Scharen Nachfolger und imitatorum servum p.


4 Montesq. »Espr.«, 24, 25.


5 Voltaire. »Phil. de l'hist.«; Helvét., Boulanger etc.


6 Shaftesbury, »Charact.«, T. III, »Miscell.«.


7 Kircher, d'Origny, Blackwell usw.


8 Wood, Webb, Winckelmann, Newton, Voltaire bald eins, bald das andere, pro loco et tempore.


9 Die Herren müssen ein erschrecklich hohes Ideal gehabt haben, denn meines Wissens haben sie keine ihrer philosophischen Aufgaben je erreicht gefunden.


10 Der gute ehrliche Montaigne fing an; der Dialektiker Bayle, ein Räsoneur, dessen Widersprüche nach Artikeln seiner Gedankenform , des »Dictionnairs«, Crousaz und Leibniz gewiß nicht haben vergüten können, würkte aufs Jahrhundert weiter. Und denn die neuem Philosophen, Allanzweifler mit eigenen kühnsten Behauptungen, Voltaire, Hume, selbst die Diderots – es ist das große Jahrhundert des Zweifelns und Wellenerregens.


11 Hurd, »Lettr. on Chivalry«.


12 Hume, »Geschichte von Engl.« und »Vermischte Schr.«; Robertsons »Gesch. von Schottland« und »Karl V.«; D'Alembert, »Mélanges de littérature et de philos.«; Iselins »Gesch. der Menschheit«, T. 2, »Vermischte Schriften.« und was dem nachhinkt und nachlallet.


13 Gloire de l'esprit humain, ses progrès, révolutions, son développement, sa création etc.


14 Hume. »Politische Schr.«, »Vers.« 4, 9, 25, 26 u. seine »Gesch.«


15 Robertsons »Gesch. Karls V.«, die Einleitung, davon dies nur ein treuer Auszug ist, mit etwanigem Urteil über sein Urteil. Ταρασσει τους ανϑρωπους ου τα πραγματα, αλλα τα τερι των πραγματων δογματα. Επικτ.


16 Noch immer bloß aus Robertson Auszug.


17 Millar, »Über den Unterschied der Stände«. Hauptst. 5.


18 Hume, »Vermischte Schr.«, T. 4, XXIV.


19 Hurds »Gespräche über das Reisen«.


20 Hume, »Pol. Vers.«, 1, 17, 23.


21 Hume, »Vers.«, T.4, XVI, XVII; Voltaire, »Siècle de Louis XIV.«, XV und XX, und die Heere Panegyristen der neuen Literatur.


22 Voltaire, »Siècle de Louis XIV.«


23 »Disc. prélim.« vor der »Enzyklopädie«; Voltaire, »Tableau encyclopédique des connoissances humaines«.


24 Hume, »Vers.«, T. I. Abh. 1.


25 »Disc. prélim.« und »Mélange de litt.« p. d'Alembert, T. I, IV.


26 Eine große Vorstellung der nordischen »Edda«!


27 Das verachtete Buch – die Bibel!


28 Buffon.


29 Ritter Temple verglich eine gewisse Regierungsform mit dem Bilde!


30 Voltaire.


Quelle:
Sturm und Drang. Weltanschauliche und ästhetische Schriften. Band 1, Berlin und Weimar 1978.
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Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 1-4

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Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.

640 Seiten, 29.80 Euro

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Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

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