J....

[106] Und wieder ob den Landen

Lag jüngst ein schwerer Bann:

Da ist ein Mann erstanden,

Ein ganzer, deutscher Mann;

Ein Deutscher und ein Freier,

Wer hätte das gedacht?

Daß selbst die deutsche Leier

Aus ihrem Schlaf erwacht.


Ein Deutscher und ein Freier,

Was ihr wohl selten schaut;

Jawohl, ein kühner Freier

Um eine stolze Braut:

Der schwur gar laute Fehde

Der trotzigen Gewalt,

Daß rings von seiner Rede

Das Echo widerhallt:
[106]

»Mög' euch der Herr behüten

Der Kronen lichten Glanz:

Doch flechtet aus den Blüten

Auch endlich einen Kranz;

Um all die deutschen Sonnen

Muß auch ein Himmel sein,

Er muß zu einer Tonnen,

Der deutsche Feuerwein.


Drum kommt, ihr Herrn, geschwinde,

Laßt uns zur Taufe gehn:

Bei einem schönen Kinde

Sollt ihr Gevatter stehn!

Wollt ihr den Namen wissen?

Einheit, der soll es sein:

Ihr bindet in die Kissen

Ihm wohl die Freiheit ein?


Und was ihr sonst versprochen,

Gebt auch die Rede frei!

Er wird ja doch zerbrochen,

Der Stab der Tyrannei;

Nie wird sich mehr erheben

Bis zu des Adlers Nest

Die Wespe, die ihr Leben

Mit ihrem Stachel läßt.


Es wird zunichte werden

Der Sklaverei Phantom,

Und frei rauscht durch die Erden

Der Freiheit Alpenstrom;

Der Strom, der sich sein Bette

Nur tiefer, tiefer wühlt,

Bis er die letzte Kette

Der Menschheit fortgespült.


Vertraut doch eurem Volke,

Dem Seemann, der nie irrt

Und weiß, was euch die Wolke

Am Abend bringen wird;

Dem Schnitter, der die Garbe,

Die reife, wohl erkennt,

Dem Krieger, den die Narbe

Vor jedem Treffen brennt!
[107]

Es kommt ein Sturm, drum gehen

Die Seelen auch so hoch,

Ihr müßt das Steuer drehen:

So hört, ihr Fürsten, doch!

Hier hilft kein Kompaßregeln,

Hier hilft am Strand kein Turm;

Wollt ihr noch weiter segeln,

So segelt mit dem Sturm


So rief er laute Fehde

Der trotzigen Gewalt,

Daß noch von seiner Rede

Das Echo widerhallt.

Den Weisen, den Gelehrten,

Hat's aber mißbehagt:

Gleich jenen Schriftgelehrten,

Wenn sie der Herr gefragt.


Quelle:
Herweghs Werke in drei Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1909], S. 106-108.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Vögel. (Orinthes)

Die Vögel. (Orinthes)

Zwei weise Athener sind die Streitsucht in ihrer Stadt leid und wollen sich von einem Wiedehopf den Weg in die Emigration zu einem friedlichen Ort weisen lassen, doch keiner der Vorschläge findet ihr Gefallen. So entsteht die Idee eines Vogelstaates zwischen der Menschenwelt und dem Reich der Götter. Uraufgeführt während der Dionysien des Jahres 414 v. Chr. gelten »Die Vögel« aufgrund ihrer Geschlossenheit und der konsequenten Konzentration auf das Motiv der Suche nach einer besseren als dieser Welt als das kompositorisch herausragende Werk des attischen Komikers. »Eulen nach Athen tragen« und »Wolkenkuckucksheim« sind heute noch geläufige Redewendungen aus Aristophanes' Vögeln.

78 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon