Die Nacht 3

Jetzt schlafen viele, wie in weißen Särgen,

Und in den Wänden sieht man Betten stehen,

Darin sich schaukelnd große Köpfe drehen.


Doch manche müssen einsam weit noch gehen

Um sich in dunkle Nächte zu verbergen

Wo schwer im Himmel sich die Wolken winden.


Sie hören oft ein großes Wagenrollen

Und schattenhafte Pferde schnell verschwinden

In Straßen fort und Mauern dunkelvollen.


Und manchmal sehen sie in hohen Stürmen

Den grauen Mond in Falten und verquollen

Und Nachtgevögel [singet in den Türmen.]
[427]

Im Irrsal suchen sie den Weg in Fernen

Und tasten mit den Händen rund, den blinden,

Und hinter ihnen kichern die Laternen,

Die schnell in trübe Nacht hinab entschwinden.


Doch in der Dächer Sturz und Häuser Engen,

In leerer Giebel ausgebrannten Sparren,

Sind viele Tote, die im Kühlen hängen

Und mit dem Fuß das Morgengrauen scharren.
[428]

Quelle:
Georg Heym: Dichtungen und Schriften. Band 1, Hamburg, München 1960 ff., S. 406-407,427-429.
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