Zweite Scene.


[279] Don Juan. Leporello.


DON JUAN. Ein zweites und drittes Leben? Mag sein! Doch wär' es nicht das meine mehr. So aber mißt ein Jeder die Welt nach seinem Maß, und wenn er gutherzig ist, wünscht er seinem Nachbarn einen Himmel, der dem vielleicht die Hölle wäre. Mir Kinder und Enkel –! dem Nichts so widrig war von je, wie ein zappelndes Würmchen, ein säugendes Weib und der fade Milchgeruch in Ammenstuben!

LEPORELLO phlegmatisch. Und doch, Herr –

DON JUAN ohne auf ihn zu achten. Verliert nicht auch der Mann seine Herrschaft über das Weib, sobald ein Kind sich ihr vom Herzen windet? Mit jedem Nebenbuhler nehm' ich's auf: ein Kind ist mir zu mächtig. Es beherrscht die Mutter an Seel' und Leib.

LEPORELLO. Und doch, Herr, verzeiht: was der alte Mann sagte, war so übel nicht.[279]

DON JUAN. Was weißt du davon, Taugenichts, der du zum Landstreicher geboren bist?

LEPORELLO. Je nun, man mag immerhin auf der Landstraße geboren sein und doch lieber an einem ruhigen Ort und im eigenen Bette sterben. Da wir gerade davon sprechen, gnädiger Herr, – ich wollt' Euch bitten – aber Ihr müßt mich nicht auslachen –: ich möchte mich verändern.

DON JUAN. Verändern? Zum Bessern oder Schlimmern?

LEPORELLO. Mit Gottes und der heil. Jungfrau Hülfe denk' ich mich zu verbessern, gnädiger Herr. Ich möchte – heirathen.

DON JUAN. Auf wie lange, du Narr?

LEPORELLO. Vorläufig bis an mein seliges Ende. Denn seht, Herr, ich fange an, die Weiber nur noch für ein notwendiges Uebel zu halten; da dünkt es mir Zeit, aus der Noth eine Tugend zu machen und wenigstens für ein ruhiges Alter zu sorgen. Und darum, nachdem ich Ew. Gnaden durch ganze zwanzig Jahre treu gedient, so manche Prügel eincassirt habe, die für meinen gnädigen Herrn bestimmt waren, mit mancher garstigen Dueña schön gethan, während Ihr mit ihrer jungen Herrin –

DON JUAN. Genug! Man soll keinem Verzweifelnden in den Arm fallen, der sich selbst den Garaus machen will. Du wirst in Neapel Närrinnen genug finden, die dir gern bei diesem halsbrechenden Vorsatz behülflich sind, und die Aussteuer ist natürlich meine Sache.

LEPORELLO. Ich küss' Ew. Gnaden tausendmal die Hand. Aber was ich in Neapel suchen soll, hab' ich drunten in Resina bereits gefunden.[280]

DON JUAN. In Resina? Ist mir doch, da wir hindurchritten, Nichts in die Augen gefall –

LEPORELLO. Freilich kein Bissen für einen Herrn, wie Ew. Gnaden, aber für Unsereinen und so fürs Haus –

DON JUAN. Ein armes junges Gänschen, das noch von der Welt Nichts weiß und den Herrn Leporello für einen Biedermann ansieht?

LEPORELLO. Weder ganz arm, noch ganz jung, und Gänschen so wenig, daß sie gleich merkte, mit was für einem Fuchs sie es zu thun hatte. Eine Wittwe, gnädiger Herr, so um die Dreißig, aber noch frisch und sauber. Sie hält einen Kramladen unten in der Hauptstraße, und als ich eine Citrone bei ihr kaufte – just um die Mittagsstunde, und alle Jalousieen waren heruntergelassen – genug, so im Helldunkel gefiel ich ihr und sie mir, und weil ich in Ew. Gnaden Schule doch etwas gelernt habe, wurde es bald richtig zwischen uns.

DON JUAN. So thu, was du nicht lassen kannst. Du bekommst vielleicht eine schlimmere Herrschaft, ich jedenfalls einen besseren Diener. Jetzt aber – Steht auf, faßt den Stab, blickt dabei auf seine Hand. Ha – der Ring!

LEPORELLO. Was ist Euch, Herr?

DON JUAN. Der Ring – wo ist der Ring?

LEPORELLO. Der Rubin, Herr, mit Perlen eingefaßt, den Ihr nie ablegt –?

DON JUAN. Verloren! Bei den ewigen Sternen, ich wüßte Nichts, was ich nicht lieber missen möchte. Doch jetzt entsinn' ich mich:[281] am Krater droben, als mein Fuß in der losen Asche ausglitt und blindlings nach etwas Festem tastete, – ich fühlte plötzlich einen Schmerz an der Hand, da ich einen zackigen Lavablock ergriff, an dem ich mich hielt, bis der Alte hinzusprang – da – da war's –

LEPORELLO. War er sehr kostbar, Herr?

DON JUAN düster vor sich hin. Den hundertfachen Werth an Golde gäb' ich Dem, der mir ihn wiederbrächte. Das einzige Andenken an das einzige Weib, von welchem mich das Schicksal früher trennte, als ich selbst ihrer überdrüssig wurde. Ich hatte den Aberglauben, das Glück würde mir nie untreu werden, so lang ich diesen Ring trüge. Sei's darum! Am Ende quillt uns Glück oder Unglück doch nur aus Lebendigem. Komm, laß uns eilen!


Wendet sich zum Gehen.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 279-282.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Don Juan's Ende
Dramatische Dichtungen: Bändchen 13. Don Juan's Ende