Dritte Scene.


[282] Vorige. Hinter den Felsen rechts zieht eine Prozession herauf, Priester voran, dann ein Madonnenbild von Knaben unter einem Baldachin getragen. Landvolk mit Rosenkränzen in den Händen folgt paarweise. Sie singen nach der Melodie des Evviva Maria.


Maria, du heil'ge,

Du Mutter der Gnaden,

O bitte für uns!

DON JUAN. Arme, genügsame Thoren! Ihnen hilft es zur Seligkeit, einem geschnitzten Bilde nachzulaufen. Ist deine Wittwe darunter?

LEPORELLO. Was denkt Ihr, Herr! Warum sollte Die noch zur Madonna beten um einen Mann, wie dort die Grasaffen? Es war ja schon ein richtiges Wunder, wie ich so rasch mich fangen ließ. Ein Ziegenkäse stach mir in die Augen; ich bat sie, mir ein Stück davon abzuschneiden. Als sie sich über den Ladentisch vorbeugte, sah ich, daß der frische weiße Käse und[282] ihr runder Hals genau dieselbe Farbe hatten, das sagte ich ihr, und da lachte sie, und da –


Ghita und Martina kommen als die Letzten im Zuge,

der sich quer über die Bühne nach der Straße vorn zur Linken hinbewegt, Ghita steigt die Stufen zu dem Crucifix hinauf, kniet einen Augenblick, schlägt ein Kreuz.


DON JUAN. Alle guten Geister!

LEPORELLO. So außer Euch, Herr?

DON JUAN. Dort – dort – siehst du das Gesicht?

LEPORELLO. Ein artiges Lärvchen.

DON JUAN. Eine junge Fürstin, die sich unter das niedere Gesindel gemischt hat, aus Neugier oder einer gnädigen Laune. Diese breiten sammtenen Augenwimpern, die das Feuer ihres Blickes dämpfen sollen, daß er nicht Alles umher in Brand stecke! Der stolze kleine Kopf, der sich so lieblich auf den jungen Schultern wiegt – nie sah ich Ihresgleichen!

LEPORELLO. Euer ewiges altes Lied! Die Letzte immer die Erste und Einzige.

DON JUAN. Ha, sie ist fromm! Sie blickt nicht einmal nach mir hin. Um so besser! Ist's doch die feinste Blüte des Genusses, ein Geschöpf, ganz von Andacht erfüllt, zur Weltlust zu bekehren. Ich rede sie an. Nähert sich ihr.

LEPORELLO. Und unsre Reise nach Neapel, Herr –

DON JUAN. Verzeihung, mein edles Fräulein –


Ghita ist herabgestiegen, will der Prozession folgen,

bleibt stehen, mißt Don Juan mit einem verwunderten Blick.


DON JUAN. Ich wage es, Fräulein, Euren frommen Weg zu kreuzen[283] nur weil ich das glühende Verlangen trage, in der Spur Eurer kleinen Füße zu wandeln.

GHITA kalt. Ich kenn' Euch nicht, Herr. Uebrigens ist die Straße frei.

DON JUAN. Auch ich sah Euch nie. Doch ist mir, als wäret Ihr oft durch meine Träume geschritten, wie die Verheißung der ewigen Seligkeit durch die Nacht dieses armen sündigen Lebens.

GHITA streng anweisend. Mein Herr –

DON JUAN in ihren Anblick versunken. Diese Stirn, dieser zarte und doch so schwellende Mund – und wie Ihr jetzt die seinen Brauen furcht – verzeiht! wer bliebe seiner Worte und Sinne Meister, wenn er ein Wunder erblickt! Aber vergönnt mir, Euch ehrerbietig zu folgen. Die Heilige, zu der Ihr betet, muß aller Gnaden die Fülle haben.

GHITA mit Hoheit. Ihr lästert, Herr. Verzeih' Euch Gott Eure wahnwitzige Rede! Ich – habe Euch Nichts mehr zu sagen. Komm, Martina!


Wendet sich ruhig ab und geht. Die Alte folgt ihr.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 282-284.
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