Dritte Scene


[302] Vorige. Hinter der Gartenmauer von links kommen Ghita und Martina.


MARTINA. Ja, Kind, es war schön, und an Kerzen haben sie nichts gespart. Aber das rothe Sammetkleid der Madonna ist schon recht fadenscheinig, und das Krönlein –

GIANOTTO ihnen entgegen. Mutter! Mutter!

MARTINA. Jesumaria, wer ruft da? – Gianotto! Stößt mit einem[302] Freudenschrei das Gitter auf, läuft herein, auf Gianotto zu, der sie in seinen Armen auffängt. Bist du's? Bist's wirklich? O ihr Himmlischen! Mein altes Herz! – Ghita! Ghita!


Ghita ist in der Thür stehen geblieben, kommt jetzt langsam näher.


GIANOTTO sich von der Mutter losmachend. O Mutter – meine Mutter wie gehts Euch? Und – die Contessina – Will Ghita entgegeneilen, bleibt wieder stehen.

MARTINA. Er ist's! Gott sei gepriesen! So groß und schlank und schön – aber ganz bleich, armes Kind, von allem Studiren! Und eben bet' ich noch zur Madonna: Laß ihn mir gesund heimkehren, Mutter der Gnaden! – und da bist du schon, und ich armes altes Thier verderbe die Zeit damit, ihn heranzubeten. Ghita! Sagst du denn kein Wort? starrst ihn auch an wie ein Meerwunder?

GHITA die betroffen auf Don Juan geblickt hat, tritt jetzt auf Gianotto zu, reicht ihm ruhig die Hand. Guten Abend, Gianotto! Ich freue mich, Euch zu sehen. Seid willkommen zu Hause!

GIANOTTO schmerzlich. Zu Hause? Bin ich's denn? – Bin ich zu Hause, wo man mich so fremd anblickt? O Ghita – haben wir uns nicht du genannt? Ghita blickt regungslos vor sich hin.

MARTINA. Freilich habt ihr das – und tausend Kinderpossen dazu. Aber laß sie nur erst zu sich kommen. Es hat sie so überstürzt – und oh, was die Frau Gräfin sagen wird –! Erblickt jetzt erst Don Juan. Aber du hast Gesellschaft, Kind –

DON JUAN. Don Cesar von Sevilla, gute Frau: ein Freund Eures trefflichen Sohnes, der mir erst vor Kurzem einen großen Dienst geleistet. Ihr aber, Contessina –[303]

MARTINA. O Ghita – das ist ja – Spricht leise zu ihr, die mit ruhigen Augen vor sich hin blickt.

GIANOTTO. Ghita, kennt Ihr mich noch? Aber ich vergesse: Ihr seid nicht ganz wohl – Biondetta sagte mir –

GHITA. Es war Nichts. Es ist vorüber.

GIANOTTO. Ihr wechselt die Farbe.

GHITA. Der rasche Gang – Wollen wir nicht nach Hause gehn, Martina?

MARTINA. Du hast Recht, Kind; nach Hause, und er geht mit uns. Er wird müde und hungrig sein – und muß uns erzählen –


Im Hintergrunde beginnt eine Guitarre und ein Tamburin einen Saltarello.


GIANOTTO der immer auf Ghita starrt, die still vor sich hin blickt. Nein, Mutter, wie soll ich essen, wie soll ich ruhen? O – ich hatte mir's so anders gedacht! Wendet sich schmerzlich ab; sie tritt zu ihm, redet ihm eifrig zu.

DON JUAN zu Ghita. Da ich Euch zu Eurer Andacht nicht habe folgen dürfen, Fräulein, darf ich Euch nun vielleicht zu dem Tanze führen, der eben beginnt.

GHITA kalt. Ich muß diese Ehre ablehnen, Señor. Ich tanze mit keinem Fremden.


Der Wirth kommt, einen jungen Burschen am Am hereinzerrend.


WIRTH. Nur dreist, Marchetto, nur das Herz auf der Zunge! Seht, Contessina, da ist der Marchetto, der Marchetto vom Apotheker – Ho, Tölpel! Hiergeblieben! – hat sich gerühmt, vorm Jahr hättet Ihr ihm versprochen, einen Saltarello mit ihm zu tanzen, und weil heut Madonnenfest sei –[304]

GHITA Nach einem raschen Blick auf Gianotto. So muß ich mein Wort wohl halten. Du erlaubst doch, Mutter Martina?

MARTINA. Geh immerhin, mein Engel! Tanze, wenn es dir Vergnügen macht. Der Gianotto hier, der wunderliche Junge – ich rede ihm die ganze Zeit zu, dich aufzufordern, aber glaubst du's wohl? er betheuert hoch und heilig, er habe das Tanzen verlernt. Das kommt vom vielen Studiren! O du meine Zeit! Ghita mit dem Burschen ab; der Wirth folgt ihnen. Da geht sie mit dem Marchetto ab. Und du – willst dn nicht wenigstens zuschauen? Schüttelst den Kopf? Aber sag ums Himmelswillen – Spricht leise in ihn hinein, der auf der Bank sitzt, den Kopf düster brütend aufgestützt.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 302-305.
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