Fünfte Scene.


[306] Don Juan. Gianotto. Die leise Guitarren- und Tamburinmusik hinter der Scene dauert noch fort.


DON JUAN. Nun, junger Freund? Zu Eis erstarrt durch die Nähe dieses wandelnden süßen Gletschers?

GIANOTTO sich das Haar zerwühlend. Könnt Ihr noch meines Unglücks spotten? Laßt mich sterben, wenn Ihr es gut mit mir meint!


Verbirgt das Gesicht in den Händen.
[306]

DON JUAN. Kind, das Ihr seid! Schämt Euch Eures Kleinmuths! Wie? den Tod herbeiwünschen, weil ein hochmüthiges Prinzeßchen die Nase rümpft über den hergelaufenen Jugendfreund?

GIANOTTO. Hochmüthig? O nicht das! Habt Ihr nicht gesehen, daß sie sich nicht zu gut hielt, mit diesem Marchetto –

DON JUAN legt ihm die Hand auf die Schulter. Ich hab' es gesehen, und da ich gute Augen habe, hab' ich noch Mehr gesehen. Dieser Apothekerssohn – Ihr seid freilich ein schmucker Junge; er aber ist größer und stärker als Ihr – und war, während ihr in Salern saßet, hier beständig bei der Hand in Fleisch und Bein –

GIANOTTO aufspringend. Ich verbiete Euch, nur mit einem Hauch die Reinheit ihrer Seele anzutasten.

DON JUAN gelassen. Gut denn! Sie ist eine Heilige. Aber seid Ihr darum besser daran? Ihr bleibt ihr der arme Teufel, der Ihr seid, und habt nur noch die Freiheit, auch ein dummer Teufel zu werden, durch brennende Seufzer und unerhörte Gebete zu diesem gnadenlosen Bilde ihre Verachtung zu verdienen. Die tugendsamste Heilige denkt gering von dem blöden Anbeter, der sie nie in Versuchung führt. Wenn die Dankbarkeit gegen ihre Eltern Euch dies verwehrt, so bleibt nur Eins: fortzugehen und ihr zu zeigen, daß Ihr sie entbehren könnt.

GIANOTTO. Gott, Gott! Diese Stunde, die ich seit Jahren ersehnt –

DON JUAN. Noch einmal denn: ich liebe Euch, Ihr habt mir's angethan, ich wünschte mir nichts Besseres, als Eure Gesellschaft. Wenn Ihr in Eurem schwerbedrängten Busen nur einen Funken von Neigung und Vertrauen zu mir glimmen fühlt, versucht[307] es mit mir! Es soll Euch zum Heile sein, mein theurer junger Freund, wie es mich beglücken wird.


Biondetta tritt aus dem Hause, bleibt auf den Stufen stehn.


BIONDETTA. Befehlen die Herren neuen Wein, oder etwas zu essen?

DON JUAN. Nein, allerschönste Hexe, aber zeige mir ein Zimmer, wo ich heut übernachten könnte.

BIONDETTA. Wenn Ihr vorlieb nehmen wollt, Eccellenza –

DON JUAN leise zu ihr. Welcher Fürst wäre nicht wohlgebettet – unter Einem Dache mit dir!

BIONDETTA. Geht, Ihr seid ein arger Herr. Und übrigens – ich muß wieder in die Villa hinauf. Aber wenn Ihr die Kammern sehen wollt –

DON JUAN zu Gianotto. Das Beste wäre, wir brächen sofort zusammen auf. Doch wenn Ihr's Eurer Mutter nicht anthun könnt – nun denn, so will ich hier warten, bis Euch gute Gedanken kommen und männliche Entschlüsse. Und jetzt zeigt mir die Kammern, allerliebste Biondetta!


Geht ins Haus, Biondetta folgt ihm.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 306-308.
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