Zweite Scene.

[353] DON JUAN allein. Mir's angethan – der Wicht sprach das rechte Wort. Ein magischer Bann ist über mich geworfen, daß ich beim hellen Lichte der Vernunft das Wahnsinnige, das völlig Hoffnungslose thun muß: einem Knaben, der mich haßt, der guten Grund dazu hat, Liebe abtrotzen zu wollen, bloß weil ich's nicht ertragen kann, daß die Augen, die er von seiner Mutter hat, mich feindlich anblicken! Springt auf.

Fort von hier – nach Neapel – im Wirbel königlicher Feste Vergessen geschlürft! Zurückblicken macht alt. Ich aber – hab' ich nicht bewiesen, daß ich noch zu jung bin, um den Vater zu spielen? Ich will das erste beste schöne Weib fragen, ob mir die Vaterschaft eines Sohnes, der erst geboren werden soll, nicht besser zu Gesicht steht. Will fort, bleibt wieder stehen.

Wenn ich nur könnte! Wenn der Bann nur nicht über mir wäre! Zwar, daß er mir geflucht – wenn er's wirklich that, wenn mein Ohr mich nicht – Nein, er that's! Aber es ist Thorheit, einen solchen Aberwitz ernst zu nehmen. Ist's nicht die verkehrte Welt, daß ein Sohn seinem Vater flucht? Wer fluchen will, muß doch auch segnen können. Und segnen Söhne ihre Väter? In allen alten Geschichten geschieht es umgekehrt. Wie kann er sich herausnehmen, der kecke Fant – Ha, er verdiente –! Ich werde ihm – ihm sagen – Hält plötzlich inne, tief erschüttert. Und wenn er mich fragt: Hast du mich je gesegnet, Vater? je deines Sohnes gedacht, der nach einem Vaterherzen schmachtete? Und jetzt, da ich dir deine Paradiese nie beneidet, mußtest du mir die einzige Blume stehlen, die mein Herz und Auge erquickte?


Nach einer Pause.


Das Klügste wird sein, überhaupt nicht mehr mit ihm zu reden. Ein Vater macht eine allzu klägliche Figur, wenn er dem eignen Sohn auf vernünftige Fragen die Antwort schuldig bleiben muß. Will gehen.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 353-354.
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