Dritte Scene.


[354] Don Juan. Der Karthäuser von links.


DON JUAN. Ha, mein Beichtvater von gestern. Gestern? Ist wirklich nur Tag und Nacht vergangen, seit ich dies Gesicht gesehen? Kann man in vierundzwanzig Stunden so viel weiser werden und so viel trauriger? – Gott zum Gruß, ehrwürdiger Bruder!


Der Mönch sieht ihn an, nickt, will schweigend vorbei.


DON JUAN. Ihr weigertet mir gestern die Absolution. Habt Ihr Euch eines Bessern besonnen?

DER MÖNCH. Wer nicht bereut, kann nicht losgesprochen werden.

DON JUAN. Und wenn ich bereute, was ich über Nacht gethan, mehr freilich, weil es eine Thorheit war, als eine Sünde?

DER MÖNCH. Eine Thorheit?

DON JUAN. Ich habe einen Falter, der sich an der Kerze verflatterte, zu retten gedacht, indem ich ihn einfangen wollte. Seine bunten Flügel gefielen mir, nun hab' ich den schimmernden Farbenstaub abgestreift: – kannst du mich von dieser Sünde lossprechen? O Mönch, alle deine Gnadenmittel sind ohnmächtig. Die Wunde, die hier brennt, löscht kein Weihbrunnen aus.

DER MÖNCH. Ich versteh' Euch nicht.

DON JUAN düster vor sich hin. Wie könntest du auch? Nur Thoren mögen sich einbilden, einander ins Herz zu sehen. Ich sage dir, Mönch, ich habe mehr Menschen kennen gelernt, Männlein und Weiblein, als der älteste Beichtiger, und meine Menschenkenntniß ist zu Schanden worden an zwei Kindern, die ihr Herz offen in der Hand trugen. Geh in deine Zelle zurück, Bruder! Nur wer[355] darauf verzichtet, zu leben, mag sich weise dünken und gut. Wir Andern sind die Narren unsrer schlechten Launen und guten Vorsätze. Wohl Dem, der, wie du, vom Baume der Erkenntniß nie genascht hat!


Der Mönch sieht ihn traurig an, will gehen.


DON JUAN. Halt! Noch eine Frage: warum hat Gott seinen einzigen Sohn opfern müssen? War's nicht göttliche Selbstsucht, da er auf andere Art seine Welt von der Macht des Teufels nicht zu erlösen vermochte? Was sagt eure Theologie dazu?

DER MÖNCH schlägt ein Kreuz gegen ihn. Apage, Satanas! Geht nach rechts ab.

DON JUAN höhnisch auflachend. Haha! Eure alte List, es dem Teufel in die Schuhe zu schieben, wenn ihr geführt werdet! Ja wenn Kreuz und Brevier den Geist bannen könnte, von dem diese Brust besessen ist –

LEPORELLO kommt gelaufen. Er kommt! Er ist schon ganz nah!

DON JUAN fährt zusammen. Er kommt – endlich! Setzt sich auf die Bank. Ich glaube gar, ich bin feig – ich zittere wie ein Schulknabe, der seine Lection vergessen hat. – Zu Leporello. Fort! Laß uns allein!


Leporello ab.


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 354-356.
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