Fünfte Scene.


[362] Lärm hinter der Scene, Wehklagen vieler Stimmen. Dann von rechts her der alte Fischer und Landleute die eine Bahre tragen, auf welcher die todte Ghita ruht. Dicht hinter ihr Martina. Volk strömt in großer Bewegung nach.


DER FISCHER nach links deutend. Dort hinauf – eilt euch! Die Madonna allein kann noch helfen!

MARTINA. O Jammer, Jammer!

GIANOTTO. Allmächtiger Gott! Starrt wie gelähmt auf die Menge.

DER FISCHER. Auch die Luvisella – wißt ihr noch? – kein Lebenszeichen gab sie mehr von sich, und wie wir sie vor den Altar hinlegten und das Krönchen der Madonna ihr auf die Brust setzten – fing sie da nicht wieder zu athmen an, die Aermste und schlug die Augen auf?

GIANOTTO mit übermenschlicher Anstrengung. Halt! – Haltet, sag' ich!


Wankt auf die Bahre zu, die nicht sogleich niedergesetzt wird.


MARTINA. Gianotto – fort – fort – es bricht dir das Herz!

GIANOTTO. Hört ihr nicht? Keinen Schritt weiter! Seid ihr von Sinnen, daß ihr auf ein Wunder hofft, statt Alles, was Menschenkraft vermag – Ghita! Ghita! Ich – dein Gianotto ruft dich!


Er sinkt an der Bahre nieder, faßt sich sofort wieder, beschäftigt sich in verzweifelter Hast mit der Leiche. Die Menge drängt herzu und entzieht die Gruppe den Zuschauern. Vorn bleiben Martina, der Fischer, Don Juan.


MARTINA. Laßt ihn! Er hat die Wissenschaft gelernt, er muß wissen, ob noch Hülfe ist – ach, ach, ach![363]

DER FISCHER sich zu Don Juan wendend, der sprachlos vor sich hin starrt. Seid Ihr auch noch da, gnädiger Herr? Müßt das Unglück noch miterleben? Wißt Ihr noch, wie ich Euch gestern sagte, es gehe Nichts über gute Kinder? Nun seht, die Contessina dort – sie war gewiß das beste Kind von der Welt und hat nun doch ihrer Mutter das grausame Herzeleid – ah, die Frau Gräfin!


Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke. Band 11, Berlin 1872–1910, S. 362-364.
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