Arnold Böcklin

[96] Zum 75. Geburtstag des toten Meisters, am 16. Oktober.


Er ging dahin wo seine Werke wohnen. –

Mit angetürmtem Nacken ihm zur Seiten trabt der Eroberer.

Aus tiefem Sande grinsen fremde Zeichen:

Gebeine sind es, die so leuchtend bleichen.

Vor rohen Hufen knirscht die heiße Wüste;

Grün steigt ein Hügel auf und ruht

In Blumenkühle aus vom heißen Gleißen.

In träger Schräge ruht ein alter Faun

Und glotzt in Weiten, die wie bald verloren ihm,

Mit schwerem Auge, fremdbekümmert.

Ein Fäunlein, goldnes Stroh im roten Nacken,

Reckt tief zum Quell die drallen Bäcklein nieder.


Genug gesehn! Ich will mir selber lauschen;

Da kommt ein Wald, der soll mir rauschen!

Wie klopft des Mittags Angst! –

Gescheckt, erschreckt

Die starren, steilen Stämme.

Hoch und tückisch,

Das seltsam bösgedrehte Horn voraus:

Das Einhorn ...

Sinnig-wild

Aufblickt des Märchens üppig-fremdes Auge. –


Da von der Rechten schwellend atmet's Raum,

Hebt grüne Wipfel hoch noch über die blauen

Und bietet Erde, bietet Himmel, Sträuße, Schaum

Und schlägt lustkreisend einen Purzelbaum:

Und blickt wie Angst, wie Trauer der Unendlichkeit,

Wie Irrsinn, wie wehlachend Spotten:

Das wilde Element! –

Und Abend wird's; das Meer ging ferne schlafen.

Ein braunes Glöckelhäuslein.[97]

Da steht, geneigt

Das weiße, stille Haupt, der braune Mönch und

Geigt und streut wie Blumen nieder

Zu Füßen der Maria späte Glut. –

Auf Zehen, seine Wangen voll und fromm,

Ein Büblein lugt; leis zittert seiner Schwinge

blaugrüner Reif ...


Er ging dahin, wo seine Werke wohnen;

Sie leuchten heißer auf in ihrer Seele Saft,

Die Urgeburten dieses großen Lebens!

Ein frohes Tosen wiehert der Stromsturz

Nieder; die Wälder öffnen atmend

Befreite Brust.


Die großen stummen Seelen bitten

Der ungeheuren Dinge und der wilden Welt:

»Du bist nun da; so löse uns die Lippen;

Du weißt uns alle träumen unser Brausen!

Des Lebens Wein in heitrer Andacht trinkst

Du prüfend und bei hohem Lächeln neigt

Sich leicht dein Manneshaupt, da dir Freund Hein

Auf seiner Fiedel so Wundersames geigt.« –


Dein Gruß: im Feiern neigt er sich dem Tode;

Des Wageblutes Scharlachstürme lodern;

In bleicher Stille ein zypressendichter Schlaf –


Er ging dahin, wo seine Werke wohnen.


Quelle:
Peter Hille: Gesammelte Werke. Berlin 1916, S. 96-98.
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