26. Türken

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§. 26.


Türken

ward die Geschichte angefangen. Natürlich! da der Herr Vater des Lehrlings Johanniterordensritter war. Der Hofmeister hatte einen göttlichen Beruf, mit dem Volke Gottes anzuheben, um, wie er sich ausdrückte, die Pferde nicht hinter den Wagen zu spannen; aber was war zu machen, da der Ritter den Türken auf den Leib gebannt war? – in der Geschichte nämlich. – Nie konnte unser Ritter an den elenden Anfang der Türken denken, ohne zu bedauern, daß nicht schon damals der Johanniterorden existirt hätte. Freilich! warum, sagte er, ließ man es zur Pforte kommen? Eine Thür ist eher einzuschlagen. Otmann! Otmann! Stifter der Ottomannischen Pforte, dir Gerechtigkeit! Doch könnte ich bei der Gerechtigkeit, die ich deinem Muth erweise, Hölle und Verderben aufrufen. »Aber, lieber Ritter,« fiel die liebe Ritterin ein, »ohne Türken, wer hätte wohl an die Johanniterritterschaft gedacht? und ohne Ottomannische Pforte, was den Orden so gehoben? was und wer?« – Und der Hofmeister, der blindlings aus Rache beitrat, weil dem Volke Gottes so sonnenklar Unrecht geschehen war, fügte hinzu: je größer der Feind, je größer die Ehre ihn zu Paaren zu treiben. Ist es, um biblisch zu reden, nicht weit ehrenvoller, auf Löwen und Ottern, auf Schlangen und Drachen zu gehen, als auf Regenwürmern?

Ob nun gleich das Grab unseres Herrn schwerlich durch den Vater unseres Helden erobert werden wird, so erstreckte sich doch seine Todfeindschaft gegen alles, was Türk hieß und nicht war – in der That etwas weit, so daß er gegen türkischen Weizen, türkisches Papier und gegen die unschuldige Blume, welche türkischer Bund genannt wird, die seltsamste Antipathie hatte, die je zwischen[113] einem Johanniter-Ordensritter und einem wirklichen Türken gewesen seyn mochte. Kennen muß man seinen Feind, pflegte er zu sagen; und eben darum mußte sein Sohn auch die türkische Geschichte vor der Geschichte des Volkes Gottes lernen. »Kennen,« fragte der naseweise Hofmeister, »um zu verfolgen?« – Bis in den Tod! erwiederte der Ritter; weßhalb er denn auch rühmlichst an dem türkischen Weizen, dem türkischen Papier und dem türkischen Bund schreckliche Exempel statuirte. Oft dankte er dem Himmel, daß er nicht zu dem sonst so alten und berühmten Geschlechte der Türken gehöre; er behauptete, daß bloß wegen dieses Steins des Anstoßes ein Zweig von ihnen sich Türk von Ramstein geschrieben hätte.

Als der Hofmeister mit Ehren die türkische Geschichte geendigt hatte, dankte er Gott, daß er aus dieser Mördergrube wie Daniel errettet wäre; als wenn es nicht auch andere Mördergruben in der Geschichte gäbe! Jetzt glaubte er, ohne allen Widerstand zu dem Volke Gottes übergehen zu können; doch legte unser Ritter sich diesem abermals in den Weg, und achtete nicht darauf, als ihm der angehende Mann Gottes bewies, daß es wegen der Beschneidung, wegen des gelobten Landes, wegen der Bärte und wegen vieler andern Umstände, halbe Arbeit seyn würde.

Der Ort, fügte er hinzu, wird nicht verändert; es hebt nur ein neuer Akt an. – Alle diese Umstände galten nicht und konnten nicht gelten, da selbst der Gedanke des alten Testaments dem Ritter nicht überwiegend war. Auf Specialbefehl mußte die


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 112-114.
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