39. Garrick

§. 39.


Garrick

[229] sagte zu einem französischen Schauspieler: Sie haben die Rolle eines Trunkenen mit viel Wahrheit und Anstand gespielt, nur Schade! daß Ihr rechter Fuß nüchtern war. So praeter propter fiel die Kritik des Ritters in Rücksicht der Ehrenrettung des Liedes: Erhalt' uns, Herr, bei deinem Wort, aus; nur daß es dem Ritter nicht gegeben war, sie mit der Garrick'schen Wendung auszustatten. Der türkische Ausfall des Predigers gegen den Krieg hatte dem Ritter nicht mißfallen, und noch weniger das gute Zutrauen, daß der Ritter dem Mahomet in der Hölle und in der Qual ein[229] Glas Wasser, und noch lieber Wein reichen würde! In der That, er hätte ihm beides gereicht! – Unter der Erde war ihm Eldorado; und ist es wo anders? Indeß gab es auch manchen nüchternen Fuß in der Abhandlung! – Der Menschenhandel des Gastvetters that diesem stattlichen Werk allerdings Schaden! Doch war es gut gemeint, und in einem geschenkten Gaul – muß man nicht den Pegasus suchen. – Es ward im hohen Rath eine Dankadresse decretirt, die, weil man ihr ein Goldgeschenk beifügte, dem Pastor sehr willkommen war. Der Hofmeister, von diesem Meisterstück, noch eh' es zu Stande gekommen, unterrichtet, wollte aus einem höhern Chore singen, und hatte Hand an das befreite Jerusalem des Torquato Tasso gelegt; indeß war der Ritter so gesättigt, daß er diese Ausarbeitung als wirklich genossen quittirte. Unser Schneiderssohn verlor also wie, jener Schuster, oleum et operam. Da der Ritter auch ohne die Abhandlung über das befreite Jerusalem von seinem Poesievorurtheil sich nothdürftig befreien ließ, und den freiwilligen Entschluß faßte, so wie überhaupt den Gesang, so insbesondere das Lied aller Lieder: Erhalt' uns, Herr, bei deinem Wort, welches von Stund' an bei der Nothtaufe den Namen Türkenlied empfing, in der Kirche nicht mehr, wie bis jetzt, mit dem Rücken anzuhören; so fand sich der Hofmeister in sein Poetenschicksal, und entschloß sich, den Junker mit seiner Arbeit zu bestrahlen. »Mit den verdammten Dedicationen!« sagte der Schneiderssohn. – Sind sie mehr als eine Krücke, ein Arm im Bande, ein hölzernes Bein oder deß etwas? – War indeß das dem Junker beigebrachte Säftchen etwas anders, als Krücke, Arm im Bande und hölzernes Bein? Der Junker setzte sein Licht nicht unter den Scheffel, sondern ließ es leuchten vor der gnädigen Mama, die das Wort Jerusalem in ein feines gutes Herz auffaßte und die Dedicationsgebühren nicht schuldig blieb, wenn gleich keine Dankadresse erfolgte. Jerusalem war das[230] Centralwort. Doch sollte die Sache nicht ewig in Worten (wären sie auch unvorgreifliche Vorschläge) schlummern. Die Ritterin war überhaupt nicht dafür, daß Worte Thaten den Preis abgewönnen; vielmehr sehnte sie sich, von der Projectwürde entbunden zu werdne und Jerusalem in That und in Wahrheit zu befreien.


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 229-231.
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