§. 5.


Sein Vater

[41] war der Hochwürdige und Hochwohlgeborne Caspar Sebastian des heiligen römischen Reiches Freiherr von Rosenthal und des heiligen Johanniter-Ordens Ritter, so daß mithin zweimal heilig in seinem Titel vorkam. »Geheiligt werde sein Name,« pflegte er in den Tagen des Glücks zu sagen und vor sich selbst ein Knie zu beugen. Zur Scheinheiligkeit hatte er nicht die mindeste Anlage, wozu sein eben nicht splendider Kopf ihm auch keine Dienste geleistet haben würde, indeß war es eine besondere Heiligung, der er, nach dem Ausdruck seines Geistlichen, nachjagte, wovon unten eine genaue Beschreibung vorkommen wird. Es war im ganzen Leben unsres zweimal Heiligen nichts merkwürdigeres vorgekommen, als der Ritterschlag, und eben darum hatte dieser Vorgang einen außerordentlichen Eindruck auf Seine Heiligkeit gemacht. Seine Feinde nannten diesen Eindruck: blaue Flecken. Unser Freiherr war so wenig in guten Glücksumständen, daß man vielmehr, ohne eine Unwahrheit zu begehen, das gerade Gegentheil von ihm behaupten konnte; doch waren die Fingerlein an dieser seiner Lage völlig unschuldig. Sein Vater hatte durch lateinische, das ist, einfältige Wirthschaft, viel eingebüßt; und da sein Herr Sohn auf der Akademie seine Stiefeln, gewichst und von der alten Weise seiner Ahnherren und Ahnfrauen schnöde abgewichen war, so kostete beiden das Latein sehr viel. – Wenn es meine Art wäre, abzuschweifen, so würd' ich hier fragen: warum man einen schlechten Wirth, so wie einen schlechten Reiter, einen lateinischen nenne? Warum nicht, wenn doch eine alte Sprache hier ins Spiel kommen soll, einen[41] griechischen? und antworten: weil die Herren Geistlichen, welche (besonders die von einer gewissen Kirche) es nicht über das Latein gebracht haben, sowohl schlechte Reiter, als schlechte Wirthe sind; allein ich gehe weit lieber dergleichen Nebendingen aus dem Wege, um nur desto kürzer und einfältiger zu seyn. – Eins der freiherrlichen Güter, und bei weitem das vorzüglichste, stand in Subhastation, und niemand wollte weiter auf dieses so sehr verschuldete und vernachlässigte Gut zwei Drittheile der darauf haftenden Schuldenlast bieten, oder, wie man es nannte, aus Bein binden. Kurz, es ging mit des heiligen römischen Reiches Freiherrn völlig auf die Neige, als er zum Ritterschlage aufgefordert ward. Einige silberne Gefäße, die von urururalten Zeiten von einem von Rosenthal auf den andern gekommen waren, mußten, so wie jene silbernen Apostel, in alle Welt gehen. Da dieses unter der Hand geschah, und die silbernen Gefäße der alten Form halber in der modischen Welt zu weiter nichts als zum Einschmelzen gebraucht werden konnten, so trug ein jeder dieser beiden Umstände noch obendrein zum wohlfeileren Preise das seine bei. Die Pächter mußten zum voraus ihre Arrende berichtigen, und den Kirchen und Hospitälern lieh der Freiherr auf Handschriften die Vorräthe ab. – Mit diesem Gelde, aus wenigstens fünfzehn Kassen, trat er seine Reise zum Ritterschlag, nicht nach dem gelobten Lande, sondern nach Sonnenburg an. Sonne und Burg waren ihm schon einzeln ein Paar ehrenvolle Wörter; als doppelte Schnur rissen sie nicht. Der Kandidat zur heiligen Ritterschaft hatte, aller seiner Rechnungssorgfalt ungeachtet, doch seine Rechnung ohne Wirth gemacht, und sah sich nothgedrungen, in Berlin auf einer hohen Schule, wie er es nannte, Credit zu suchen, den er auch, wohl zu verstehen, auf seiner Rückreise, bis auf 900 Rthlr. bei einem Juden gegen ansehnliche Zinsen fand. Ihm schien dieser Umstand ein Beweis, daß die Zeit kommen würde, in welcher das Kreuz diesem Voll nicht mehr ein Aergerniß[42] seyn, sondern es auch bekehrt werden und leben würde, so wie er dagegen von der Härte der christlichen Banquiers auf die je länger je mehr erkaltende christliche Liebe keinen ungründlichen Schluß zog, indem er sich hinreichend überzeugte, daß bei so wenig christlichem Lebenswandel es wohlverdienter Lohn wäre, wenn der Leuchter von her heiligen Stätte genommen würde. So beschwerlich ihm nun auch hieß Geld-Negoce geworden war, so kam ihm doch das Kreuz als kein unbedeutender Cavent vor, der ihm wenigstens bei Juden Dienste leisten könnte. Es gab Rechtsconsulenten, die immer einen Zeugen bei der Hand hielten, und ohne diesen Helfershelfer keinen Schritt thaten – warum sollte ein Kreuz nicht als Bürge dienen? Diese Caution indeß fing in Berlin an, und hörte in Berlin auf, da in seinem Vaterlande weder Christ noch Jude weiter einen Thaler auf sein Kreuz borgen wollte. In gerechtem Grimm sah er alle Leute, die ihn mit einer abschlägigen Antwort kränkten, für Ungläubige und Türken an, die er gern mit Stumpf und Stiel ausgerottet haben würde, um sich das gelobte Land ihres Vermögens zuzueignen, wenn er nicht die Justiz, der man den Beinamen heilig (wiewohl spottweise) beilegt, gefürchtet hätte. Seine Unterthanen nannten den neuen Ritter: Kreuzige ihn, kreuzige ihn! Und es muß ein förmlich komischer Anblick gewesen seyn, als ein altes Mütterchen sich zuvor ein Kreuz, wie beim: das Walte, schlug, eh' es sich herausnahm, dem Hochwürdigen Herrn den untertänigen Glückwunsch abzustatten. – Wahrlich, das Scherflein dieses alten Mütterchens galt mehr als alle Produkte der Redekunst, welche Sokrates und viele andere Weisen der alten und neuen Zeit gar richtig die Kunst zu betrügen nannten. Gern hätte unser Ritter dieser Kreuzschlägerin ein Trink- oder Stecknabelgeld gereicht, wenn er es gehabt hätte. Einer seiner witzigen Nachbarn, den er vergebens um Geld angesprochen hatte, war so dreist gewesen, ihn den Schächer am Kreuz zu[43] nennen; ein andere hatte sich des satyrischen Ausdrucks bedient: er wäre geschlagen, ja wohl recht geschlagen; und man sagt, daß diese Spottreden ihn bis zur Verzweiflung gebracht haben würden, falls er nicht in seinem Kreuz auch seinen Trost gefunden hätte. Recht ritterlich rang er, in seiner Burg eine Sonne von allerlei Anspielungen auf den Ritterschlag anzubringen; allein es fehlte ihm, wie man sagt, am Besten, am unwürdigen, am leidigen Gelde. Zu diesem Kreuz anderer Manier kam, wie doch überhaupt kein Leiden allein bleibt, sondern Gesellschaft sucht und findet, noch eine ganze Menge anderer Trübsale. Seine Güter sollten wirklich veröffentlicht werden. Einer seiner Nachbarn hatte ihn höchst unbefugt wegen seiner Grenzen in Anspruch genommen, und er würde, bloß weil er keine Kosten zum Rechtsstreit anwenden konnte, die Sache, mit ihr aber ein Hauptstück seines Gutes, eingebüßt haben. So ängstigten ihn auch einige Handwerker, und unter diesen besonders ein Schneider, der ihm ein Ordenskleid gefertigt und alle Auslagen gemacht hatte; und, was mehr als alles war, so kam der berlinische


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 41-44.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis Z
Hippel, Theodor Gottlieb von: Th. G. v. Hippels sämmtliche Werke / Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis Z. Theil 1
Hippel, Theodor Gottlieb von: Th. G. v. Hippels sämmtliche Werke / Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis Z. Theil 2