50. Rath

§. 50.


Rath.

[255] wie sie Jerusalem fingen, bei welchem sich beide wechselsweise auf den Zahn fühlten, so daß der Nachtwächter, dem das Ding zu arg ward, sagte: Gevatter, unser einer läßt sich zwar den Bart, nicht aber die Zähne rasiren. Ich bin so wohlgezähnt als der Herr. – Warum dieß edle Paar sich in die Zahnhaare fiel? Es galt die Frage: ob es untrügliche Kennzeichen von dem Vorzuge der Ehegattinnen der Hohenpriester im alten Testamente gäbe oder nicht? um von dieser Prämilinarfrage gerades Weges gen Jerusalem zu kommen. Von dieser harten Nuß kam man auf den Glauben, und da behauptete der Schulmeister, der Glaube wäre freilich nicht jedermanns Ding, indeß müßten auch die, welche zum Glauben nicht Lust und Liebe hätten, ihn als Lebensart ansehen, wodurch im gemeinen Leben eine gewisse Uebereinstimmung, eine gewisse Gefälligkeit eingeführt und erhalten würde. Der Glaube sey ihnen die Erfüllung des schönen Grußes: Friede sey mit euch. Ein Ungläubiger ist ein Händelmacher – und haußen sind die Hunde. – Es ist nicht alles Gold, was glänzt, sagte der Schulmeister; und dieses Gespräch vom Glauben wäre ohne Zweifel sehr weit gegangen, wenn nicht ein Kesselflicker die Herren Gläubigen gestört und Jerusalem näher gebracht hätte. Man ging die Aufsätze Punkt für Punkt, Komma[255] für Komma, Wort für Wort durch und feilte und glättete, verstärkte und schwächte, und nun galt es den Unterschied zwischen Denuncianten und


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 255-256.
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