§. 54.


Commission

[259] die Session, nicht aber, wie die Folge lehren wird, die Mahlzeit verdarb. Es wurden nämlich, da eben der Pfarrer einige nicht unwichtige Vorschläge zur künftigen Verklärung und Vollendung dieses Kreuzzimmers that, und mitten im Worte: Entzücken, war, zwei Consistorialräthe angemeldet, die im Vorzimmer wären, und die Erlaubniß verlangten, Sr. Hochwürden vorgestellt zu werden. Der Ritter, der einestheils sich über dergleichen hochehrwürdige Lichtputzen von ganzer Seele wegzusetzen kein Bedenken trug, anderntheils in Consistorialräthen eine Art von Handlangern in seinem Kanaanschen Weinberge zu finden glauben mochte, oder sich wirklich[259] übereilte – befahl in der vollsten Reinheit seiner Seele kurz und gut, sie gerade in das Sessionszimmer zu führen. Dagegen wollten der Prediger und Heraldicus junior, die auf das Wort Consistorialräthe gelähmt waren, mit Hand und Fuß protestiren; allein sie konnten keins von allen ihren Gliedern regen und bewegen. In das Sessionszimmer? – Was denn mehr? Wenn keine Session ist – thut das Zimmer etwas zur Sache? die Scheide etwas zum Schwert? – Wer die Auftritte kennt, wenn jemand im Sterben noch gern eine Schuld, wozu ihn sein Gewissen auf eine schreckliche Art verurtheilt, berichtigen möchte, aber nun nicht mehr reden kann: nur der ist im Stande, sich von der Lage dieser beiden hohen Räthe, des Pfarrers und des Hofmeisters, einen Begriff zu machen. Beide waren im Sterben, als diese Consistorialvögel, der eine im Predigerhabit, der andere als Saecularis in weltlicher, wiewohl mit schwarzem Band eingefaßter Kleidung hereinflogen – es konnte nicht schneller seyn. – Der Ritter, der diesesmal bei der Session im langen Johanniter- Ordensmantel saß, und sich pathetisch von dem Präsidentenstuhle erhob, den ein Ordenskreuz von nicht gemeiner Größe zierte, gab, so wie der Sessionstisch, welcher schwarz mit weißen Kreuzen behängt war, der hohen Commission so viele Blößen, daß jeder sich selbst gelassene Zuschauer Schrecken und Erstaunen, als den Anfang des vom Schulmeister vorher verkündigten Heulens und Zähnklapperns auf den fetten Kapaunengesichtern der Herren Commissarien, wo Schrecken und Erstaunen sehr leicht sichtbar werden, bemerkt haben würde. Der undefangene Ritter bemerkte nichts – die Ritterin deßgleichen – und unser Held war mit Blitz-, Knall- und Thürvorfällen zu bekannt, um an etwas Arges zu denken in seinem Herzen. – – Beide Commissarien, die durch diesen Anblick geblendet wurden, hätten hier das schrecklichste von allem, das Gelübde der Keuschheit, vermuthet, wenn nicht ein Frauenzimmer,[260] und, wie gar lieblich anzusehen, ein so reizendes, in der Mitte dieses Synedriums Sitz und, wie zu vermuthen war, auch Stimme gehabt hätte. Der hochwürdige Präsident, seine Gemahlin und sein Sohn, die sich nichts Böses bewußt waren, wünschten den Knoten des glücklichen Zufalls zu lösen, der ihnen das Vergnügen dieses schwarzen und in Schwarz gefaßten Besuches zuzog. Und da der Ritter alles, was bei weitem noch nicht einmal zu Papier gebracht war, in Lebensgröße sah, so fügte er die zweite Frage hinzu: ob sie etwa als Pilger eine Zelle zu beziehen gesonnen wären? wobei er sich aber nicht entbrechen konnte, zu bemerken, daß sie in Zukunft vor dem Hause des alten Simeons angehalten werden würden, weil man sie ungemeldet nicht in Frieden lassen könnte. Es blieb ein


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 259-261.
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Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis Z
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