§. 57.


wandte

[268] sich. Commissio fand alle Jerusalemische Einrichtungen auf dem Papiere vortrefflich. Der geistliche Consistorialrath bat insbesondere, ihn als Pilger einzuschreiben; doch hoffte er, daß ihm erlaubt werden würde, aus seiner Zelle zuweilen in den Hof zu kommen, nicht des Herodes, sondern des Königs David, der sich bald in den König Salomo verwandeln würde. Wie die Raupe in einen Schmetterling, fügte der Saecularis höchst undedachtsam hinzu. Es lag nicht am Wollen, sondern am Können, sonst hätte der geistliche Consistorialis Odenlob geräuchert, denn er war, wie viele der protestantischen Geistlichen, die bis zu Consistorialräthen gediehen sind, bis auf das votum castitatis und paupertatis, weit weit katholischer als unser Ritter, so daß er von dieser ritterlichen Religion sich nur quoad thorum et mensam geschieden hatte. Gottlob! daß die großen Herren von der protestantischen oder streitenden Kirche die Vereinigung mit der katholischen und triumphirenden nicht Consistorialräthen überlassen! Kirche ist Kirche! und so lange wir in Samaria und Jerusalem Gott anbeten, und nicht im Geist und in der Wahrheit – hängt es nicht bloß von Umständen ab?

Die Kunst, nach welcher man alte Gemälde von Leinwand, Kalk und Holz ohne Schaden abnimmt und sie auf Leinwand bringt, war hier nichts gegen die große Idee, Jerusalem auf[268] Rosenthalschen Grund und Boden zu verlegen und dadurch den Protestanten Gelegenheit zu verschaffen, auch zu einer sinnlichen Evidenz von den Wundern der Religion zu gelangen, welche den Juden ein Aergerniß und den Griechen eine Thorheit geworden. – Wenn die Jura stolae bezahlt werden, und der Geistliche das Söhnlein oder Töchterlein christlicher Eltern, für Geld und gute Worte, noch besonders im Gebete Gott vorträgt – kann es dem lieben Gott nicht gleich seyn, wer tauft? Das Hauptwort bei diesem Sacrament ist Stolgebühr, welche St. Johannes der Täufer nicht kannte.

Von ehelichen christlichen Eltern abzustammen, ist ein großer Gewinn, obgleich auch David vom lieben Vieh zum Throne kam – »und manche Kaufmannstochter, setzte der Saecularis wieder höchst undedachtsam hinzu, gnädige Frau wird.« So geht es den Mutterwitzigen, wenn sie nicht Küchenlatein verstehen! – »Und warum sollte nicht ein Kirchenpatron, der die Glocken pflanzt, auch ihre Früchte genießen?« fragte der geistliche Consistorialrath, um die Ungezogenheit des Herrn Collegen mit dem Mantel der Glocken zu bedecken. Die Relation des Pfarrers über die Poesie, und das Strategem, das er aus dem Liede: Erhalt' uns Herr, bei deinem Wort, genommen, um in Sr. Hochwürden der Poesie (die wirklich, meinte man, in Absicht der Prosa der geistliche Stand wäre, wenn diese dagegen den Laienstand ausmachte) einen Mäcen zuzuführen, ward als Proberelation zur Consistorialrathsstelle angesehen. Warum auch nicht? Die Poesie ist der Puder, den man auf schwarzes Haar streut. – Sie verdient den Namen heilig, wenn gleich von einem guten Gassenhauer die Rede ist, sagte Caput commissionis; doch erbat er sich aus natürlichem Haß gegen das Lesen diese Abhandlung nicht, vielmehr schien er, ohne sie gelesen zu haben, bereit, dem Verfasser die Ehre zu geben, die ihm gebühre Desto besser! – In der That war es ein[269] Glück, daß Consistorialis sich diesen Aufsatz nicht behändigen ließ, der es sich herausgenommen hatte, über die hohe Geistlichkeit manchen Stab zu brechen. – Ohne Zweifel würde der Prediger diesen Aufsatz der Commission so undefangen übergeben haben, wie der Ritter diese Herren geradezu in das Sessionszimmer eintreten ließ. Auch ist zwischen dem türkischen Kaiser und dem Ehren Gevatter Papst, der eben so gut bei christ-evangelisch-lutherischen Kindern, als bei päpstlichen, Pathenstellen übernehmen könnte, ein gewaltiger Unterschied. Luther selbst hatte Se. Heiligkeit oft genug ganz höflich zu Gevattern gebeten, bis endlich, da Se. Heiligkeit durchaus nicht stehen wollten, dieser Glaubensheld Verachtung der Verachtung entgegensetzte, und, was ihm nie genug zu verdanken ist, Käthen heirathetel – – Man gratulirte dem Dr. Martin Luther allgemein, und wartete ihm mit dem Epithalam aus freier Faust auf.

Die übrigen Klagepunkte wurden als ungeschrieben angesehen. – Der Maurermeister, hieß es, hat keine Anlage zum Nikolaus Copernicus, der das Weltgebäude abzeichnete, ob er gleich fast mehr Hang zur Grillenfängerei als Copernicus besitzt.

Wenn der Schulmeister es so gemacht hätte, wie gewisse Witzlinge, die ihre Einfälle und Gedanken wie Spielmarken bloß zeigen und sie wieder einstecken, unter welche der Nachtwächter loci zu gehören schien: habeat sibi. – Wo kein Kläger, da kein Richter! Es wäre für die Commissarien, die voll süßen Weins waren, das Beste gewesen, wenn sie seria in crastinum und den Schulmeister bis morgen in Ruhe gelassen hätten. Da sie aber vernahmen, daß der Maurermeister eben in loco wäre, so erhob man sich nicht ohne Selbstüberwindung von der Tafel. Was man nicht alles seinem schweren Amte schuldig ist! Wie selten werden solche Schweißtropfen vom Staate erkannt und belohnt! – Die Ritterin zog sich in bester Ordnung zurück, um nicht in die Häscherhände[270] der Commissarien zu fallen. – Bei der Hegung des Gerichtes hätte sie um vieles nicht verfehlt, gegenwärtig zu seyn. Es ward ein Gerichtszimmer eingerichtet und bloß ein schwarzes Tuch aufgelegt, um diesem Lippenvolke, wie der Ritter es nannte (Schulmeister und Compagnie), nicht mehr zu zeigen, als es zu wissen brauchte. Er strafte es damit, daß er ihm die weißen Kreuze entzog! Eine edle, eine wirkliche Ritterrache!

Ein Palast läßt freilich prächtiger, wenn er erleuchtet ist; doch hatte Diogenes Recht, einen Fremdling, der sich auf ein Fest so sehr putzte, zu fragen: ob denn ein Rechtschaffener nicht jeden Tag einen Festtag hätte? Wir wollen doch caput commissionis hören, da Schulmeister, Nachtwächter und Maurermeister hereintraten. (Die Ritterin, welcher die Ehre der Sitzung bewilligt war, hatte ihren Platz nicht weit vom Haupte der Commission genommen.) Ueberflüssig ist mein Wink, daß Consistorialis durch ein frohes Mahl in Umstände versetzt war, worin er nichts vorbereiten, nichts motiviren konnte, wenn er auch gewollt hätte, indem seine Rede nicht Licht, nicht Schatten hatte, und vom Tage zur Nacht, vom Mittage zur Mitternacht, von Liebe zum Haß, von Haß nur Liebe überging oder überfiel.

Die Thorheit, fing er ex cathedra, wo nicht gar ex tripode an, ist ein Wurmstich; wo dieser ist, da fällt die Frucht heute oder morgen unreif ab; und wenn man sich gleich von einem bösen Weibe nach protestantischen Grundsätzen scheiden kann, so lebt man doch mit der Thorheit in einer katholischen und desto unglücklichern Ehe, weil sie unscheidbar ist. Wißt ihr denn, meine geliebten Freunde in dem Herrn, daß ihr Erzschlingel seyd? Einem Johanniterordensritter gebührt hochwürdig und ein langer schwarzer Mantel mit einem Weißen Kreuze. Er ist ein geistlicher Ritter in und in mit, durch und durch. Ein Wegweiser ist nicht genug; – es gibt Winter- und Sommerwege,[271] Haupt- und Beiwege, Landstraßen und Richtsteige, Geleise und Fußstapfen; wer wird gleich dem ersten dem besten Stück Holz von Wegweiser blindlings zu allen Jahrszeiten folgen? Arithmetica speciosa heißt der Gebrauch der Buchstaben zum Rechnen. Dummköpfe! versteht ihr denn dieß ABC und AB ab? In eurer eingegebenen Schrift ist alles verrechnet! – Seht ihr darum scheel, daß der hochwürdige Herr euch den Glauben, um die Sache zu verkürzen, in die Hand geben, und daß euer Seelsorger dem Liede: Erhalt' uns, Herr, bei deinem Wort, eine Nothtaufe angedeihen lassen, die so gültig ist als die des hochwürdigen Herrn, da sein Herr Sohn in Gefahr war als Heide und Türke in die Ewigkeit zu gehen? – Da war' er so schön angekommen, wie ihr heute, ihr underufenen Todtengräber, die ihr für andere eine Grube macht und selbst hinein fallt, wie es in dem Liede: Erhalt' uns, Herr, bei deinem Wort, euch zuvor verkündigt worden ist! Die Zunge, ihr Stümper, ist mit zwei Gliedern Kriegsknechten umgeben, die auf die Wache gezogen sind, um dieser Gefangenen ja nicht zu viele Freiheiten zu gestatten. – Ein Schwätzer ist ein undezahlter Judas: er verräth ohne dreißig Silberlinge; allein er kann leicht zu vierzig Schlägen weniger Eins kommen. Der Grenzstein wird nach der Schnur gelegt, ohne auf die Steine Rücksicht zu nehmen, die schon da liegen. Wie heißt das vierte Gebot und seine Erklärung? Wenn wechselseitig Eltern, Kinder, Herrschaft und Gesinde, Obrigkeit und Untergebene ihre Pflichten erfüllen, dann geht es ihnen wohl und kein Kummer, keine Uebereilung kürzt ihnen das Leben, das ohnehin wenig und böse ist. Bei den zehn Geboten hättet ihr bleiben, nicht aber in gelehrte Materien, die heilige Taufe betreffend, euch einlassen sollen. Ich und meine Herren Collegen müssen heut zu Tage wachen und beten, daß wir nicht in Anfechtung fallen; und ihr Esel geht, ohne dazu wie unser Einer von Gott und von wegen des[272] Consistorii verpflichtet zu seyn, auf das spiegelblanke Eis? – Schickt euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit. – Habt ihr denn nicht von den Weisen aus Morgenland gelesen? da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut. Und so ist es uns beiden gegangen, da wir die Ehre hatten hier anzukommen. Der Mensch fällt ins Alltägliche, wenn er nicht festliche Tage hat, durch die er sich erhebt, und ohne Gott und göttliche Dinge würden wir auf allen Vieren kriechen. – Nur vermittelst dieser himmlischen Gegenstände sehen wir gen Himmel nach den Sternen, ohne zu straucheln oder wohl gar zu fallen. Doch kommen Menschen nur allmählig zu reinen Ideen von Gott. Erst Anbetung körperlicher Dinge, dann die Lehren: Gott ist zu edel, um zu zürnen; er will nichts Willkürliches; – er kann nicht beleidigt werden; – ich darf ihm nur glauben. – Nicht um Gutes zu thun, um gut zu seyn hab' ich ihn nöthig, sondern zu meinem Troste – zu meiner Herzstärkung, daß er meinen Zweck vollenden, ihn, aller Weltunordnung ungeachtet, so vollenden werde, daß einmal sein Reich kommen und das Gute herrschen wird. – Nicht aus der Ordnung, sondern aus der Unordnung überzeugen wir uns von Gottes Existenz und von der andern Welt. – Seht! das waren die Hauptmaterien, die heute bei dem Mahl vorfielen, welches mich und meinen Herrn Confrater, wie es am Tage ist, gesättigt und getränkt hat mit Wohlgefallen! – Gottlos ist oft nichts mehr, nichts weniger als gedankenlos: Gott ergeben heißt fast in allen Fällen: vernünftig. Gottlos, selbstlos, charakterlos sind fast einerlei, und nie ist gottlos dem Worte fromm entgegen zu setzen. Ihr seyd gottlos in hohem Grade! Und diese hohe Familie ist Gott ergeben; in vieler Rücksicht könnte man sie heilig nennen. – O, ihr Dummköpfe! woran stießet ihr euch? An etwas, wovon ihre keinen Begriff hattet. Stümper! dem lieben Gott wollt ihr beim Consistorio das Wort reden! – Zwischen einer schönen Gegend und[273] einem schönen Garten ist ein Unterschied. Wenn die Natur eine schöne Landschaft hinwirft und die Kunst ein schönes Landschaftsgemälde entwirft, so ist es nicht eins und dasselbe. Wer aber nicht zu unterscheiden weiß, lasse sich in kein Urtheil ein, wodurch er sich an Gegend und Garten, an Landschaft und Landschaftsgemälde gleich gröblich versündigt. – Diese groben Sünder seyd ihr! – Die dramatische Muse muß selbst in ihrem Auskehricht, in ihren niedrigsten Gattungen die Schilderungen von Thoren verachten, die kein Quentlein von Kraft und Stärke, von Witz und Vernunft besitzen; man will nicht ekelhafte, sondern lächerliche Charaktere! – Gottlob! daß ihr das Letzte, daß ihr nur lächerlich seyd und bloß eine Farce macht! Man sehe doch! ihr hattet auch wohl etwa Lust, auf Secunda zu kommen, wo euer geistreicher Prediger und Heraldicus junior so rühmlich sitzen! und eure Klage sollte unfehlbar die Preisschrift seyn, um diesen Vorzug zu erhalten! Ihr Schweintreiber, ihr Gergesener! – wie konnte euch ein solcher Hochmuth anwandeln, der immer vor dem Falle kommt! – Der hochwürdige Herr ist kein ordinirter Geistlicher. Wahr, wer hat aber bei seinem Amte nicht einen Nebenposten, der ihn wegen seiner Amtsleiden entschädigt? – Dort ist er zünftiger Meister, hier ist er Virtuose. Gab es nicht unter den Herren Ministern und selbst unter den Herren Generalen, besonders den französischen, große Theologen, große Baukünstler, Poeten, Mitglieder der Akademien? – Und was ging es euch an, daß der Herr Baron neben Rosenthal auch Herr von Jerusalem war? – Johanniterritter sind Weltgeistliche, die nicht bloß Welt und Geist, sondern Politik und Religion, heroischen Muth und Andächtelei, Wahn und edle Früchte der Sittlichkeit und Selbstüberwindung wunderbarlich verbanden – die sich nicht schämten, heute Helden und morgen Krankenwärter zu seyn; und wenn gleich die neuern Ritter[274] dieß Werk des Herrn mit mehr Gemächlichkeit treiben – ist und bleibt der Orden nicht eine hochwürdige Reliquie? Was können die jetzigen Ritter dafür, daß man es sich mit dem Glauben leichter macht, als ehemals? Wenn die Vernunft über Vorurtheil siegt, ist es schön; – nur bleibt zu wünschen, daß es nicht auf Kosten der Unschuld und der Tugend geschehe. – Habt ihr den Orden des hochwürdigen Herrn je aus diesem Gesichtspunkt genommen? Und wie untersteht ihr euch im Namen der Gemeinde oder des Volks aufzutreten? – Ich weiß wohl, das Volk hat sein eigenthümliches Recht; aber das Volk heißt nicht der Küster, Nachtwächter und Maurer im Dorfe; vielmehr ist die ganze Gemeinde wider euch. Volksstimme – Gottesstimme! – Schämt euch, daß ihr solche elende Krüppel von Kindern, wie eure Aufsätze sind, aussetzt, um das Consistorium zum Mitleiden zu erwecken! Als ob bei dem Consistorio Mitleiden zu Hause wäre! Die Enbabsicht des Stifters der christlichen Religion war, die entschlummerte Urkraft unseres Geistes zu wecken und – was aufzuregen? seine Freiheit! Die christliche Lehre gründet sich auf die Göttlichkeit im Menschen, auf seinen intelligibeln Charakter; sie enthält eine Religion der Geister. Liebe Gott heißt: achte das Gesetz der Geisterwelt, in soweit du Gutes freiwillig thust, ohne Hin- und Rücksicht, wär' es auch auf die künftige Welt. – Liebe deinen Nächsten als dich selbst: liebe in dir nur den Menschen und liebe alle Menschen aus diesem Grunde – liebe nur die Menschheit. – Protestantismus ist das System einer vernünftigen Freiheit in Glaubenssachen. – Universalmedicin taugt für niemand, da sie für jedermann ist, und ich bin für keinen Purismus weder in Sachen noch Worten, weder im Essen noch Trinken. – Paulus und Petrus, selbst der Lehrer dieser Lehrer, würden vor manchem Consistorio nicht bestehen in der Wahrheit; – vor dem unsrigen gewiß. Was meinen der Herr College? – Ueber die Frage: ob ein bekannter Geizhals in den[275] Gotteskasten einer menschenfreundlichen Collekte ein Scherflein gelegt hätte, sagte einer: ich hab' es nicht gesehen und glaub' es; ein anderer: ich hab' es gesehen und glaub' es doch nicht. Da seht ihr wie es mit dem Glauben geht! – Und der Name was thut denn der zur Sache? Die Bulle in coena Domini und die goldene Bulle sind eurer Meinung nach wohl ein paar Schwestern? Wahrlich auf den Namen kommt es nur bei Schafsköpfen an; doch wenn man euer Machwerk, euern Wuthanfall, eure Klage mit dem eigentlichen Namen belegen sollte – wie würdet ihr bestehen? Sagt, warum dämpftet ihr nicht eure Instrumente? warum suchtet ihr nicht vermittelst eines sanften Oels ein stumpfes Scheermesser zu schärfen? Wehe dem, dessen Gebet ein Fluch ist, der Gott bittet, seinen Zorn über seinen Feind auszuschütten und Feuer und Schwefel über die regnen zu lassen, die ihm angeblich übel wollen! – wohl recht, angeblich! – Kein Wort in der Welt wird so gemißbraucht, wie das theure, werthe Wort: Katholisch von den römischen und andern Christen, und ihr seyd nicht werth, daß ich es euch erkläre! – Seyd ihr Schäker denn vom bilderreichen oder ernsthaft gründlichen Vortrage gerührt? war es nicht rathsamer, euch durch sichtbare Sinnlichkeit zu erschüttern? Bildet erst euer Auge, ehe ihr an das Ohr denkt, um von ihm zu Herz und Verstand zu gelangen! Habt ihr Pisang, Paradiesfeigen, Ananas, Datteln, Pfirsiche, Aprikosen und andere dergleichen Leckerbissen gekostet? Versteht ihr die hohe Andacht, die Stillschweigen bewirkt, die sich fürchtet, auch mit einem Seufzer den zu stören, der sie erregt? Ihr Vivat-hoch- und Pereat-tief-Rufer! Ein Ochse kennt seinen Herrn, ein Esel kennt die Krippe seines Herrn; und ihr! – seyd ihr nicht fast weniger als sie? Schämt euch! – Den Meinungen ruhiger Denker begegne man durch Untersuchungen und sehe mehr auf ihre Lebenspflichten als auf ihre Glaubenslehren! Kann man nicht durch Erziehungsregeln, wenn sie den rechten Weg[276] verfehlen, ungezogen werden und durch argwöhnische Altklugheit zum Kinderspott? Eifer und Einsicht sind selten gute Freunde, und der Neid liegt immerwährend an der Gelbsucht schwach und krank danieder. – Behutsamkeit im Urtheil kleidet jedermann, besonders den Untergebenen, der selbst in wunderliche Herren sich schicken lernen muß. Ihr hattet einen äußerst gütigen Herrn, und ich wüßte nicht ein Haus im Lande, wo für beide Facultäten der Seele, die untere und die obere, so gesorgt wäre wie hier. – Die Vernunft hat sich hier in Empfindung gekleidet, leicht und schön! Ein frischer Hauch der edelsten Empfindung geht in Rosenthal durch alles, was man sieht und hört. Wenn ihr euch gewöhnt hättet, überall etwas Gutes zu sehen und zu hören, – würdet ihr es nicht auch hier gesehen und gehört haben hundertfältig?

Hier griff der Unlateiner ein und bat, die Edelsteine von Gedanken (die so ordentlich wie ein Traum eines Kranken waren) liegen zu lassen und deutsch mit diesem Triumvirat zu sprechen. Hierauf nahm Caput commissionis sich zusammen und schritt zum Grundstein. Das Konsistorium, versicherte er, könne zwar kein Blut sehen und woll' es auch nicht; doch hätte es andere Mittel und Wege, den Menschen ans Herz zu treten: Fasten und beten; und so sollten sie denn bei Wasser und Brod im Ehebrecherpranger unweit der Kirche drei Wochen stehen, der Gemeinde von der Kanzel als Aufrührer zu drei verschiedenen Malen vorgestellt und die heilige Communion ihnen ein Jahr lang rechtskräftig entzogen werden. Indeß wäre es Christenpflicht, für sie in jedem Monat des Excommunicationsjahres namentlich und öffentlich zu beten. Diese schreckliche Drohung brachte natürlich alle drei dahin, daß sie zu Kreuze krochen und auf Knien um Gnade flehten. Der Nachtwächter wollte sich weiß brennen; indeß da er sah, daß Consistorialrecht für Gnade erging, so war er klug genug, es mit der Frau Schulmeisterin nicht zu verderben. Die Ritterin, welche die[277] Seelenangst der Excommunicirten nicht ansehen konnte, eignete sich das Begnadigungsrecht zu, und so ward durch ihre Vermittelung die Sache durch Abbitte beigelegt.

Ich will abbrechen. Dieß par nobile fratrum ließ es sich noch drei Tage in Jerusalem bene seyn, wie es im Consistorialstyl hieß, ohne sich weiter um diese Sache zu bemühen. Nicht nur der geistliche, sondern auch der weltliche Consistorialrath hatte sich ebenso gut wie Pastor und Heraldicus junior in die Rosenthalsche Weise einstudirt. – Uns, die wir nicht an diesem Commissionsgeschäfte Theil haben, wird es indeß nicht gleichgültig seyn zu wissen, daß der Maurermeister nach einiger Zeit wegen Schwermuth in dem Irrenhause untergebracht werden mußte, welches er aber für das Haus des Pontius Pilatus ansah, so daß er caeteris paribus dem Ritter in der Schwärmerei sich näherte. Der Schulmeister, dem die Prostitution die Seele durchbohrt hatte, folgte in kurzem dem Heraldicus senior und starb am Rosenthalschen Jerusalem. Der Nachtwächter heirathete die Schulmeisterin und war am unglücklichsten, da ihm der neue Schulmeister dieselbe Ehre erwies, die er seinem Ehevorgänger nach allen Kräften erzeigt hatte. Er besaß nicht wie sein Ehevorfahr ein Traumstübchen; denn er wußte wohl, daß er ehemals mit der Frau Schulmeisterin bei seinen Besuchen kein Vater Unser gebetet hatte.

Der Ritter befahl, den Commissarien zur Probe ein Certificat sonder Arglist und Gefährde auszufertigen, und das große Siegel daran zu hängen, wodurch zu erweisen wäre, daß sie in Jerusalem gewesen; indeß wußte der politische Pfarrer es krebsgängig zu machen, so daß diese lettres patentes in ihrer Geburt erstickten.

Anytus und Melitus, sagte Sokrates, können mich zwar tödten, allein schaden können sie mir nicht; und der Pfarrer gewann durch diesen Vorfall, der mit einer Lähmung anfing. [278] Heraldicus junior, in der Voraussetzung, daß er über kurz oder lang sich zum examine rigoroso vor dem Consistorium zu stellen verpflichtet seyn würde, wünschte umgekehrt, was man sich in Rücksicht der Aerzte zu wünschen pflegt. Man besucht den Hippokrates gern; nur sieht man es ungern, wenn Hippokrates zu uns kommt. Und wer, als ein Consistorialrath, sollte wohl bei der heiligen Nothtaufe auf die goldene Bulle und die Bulle in coena domini fallen?

Damit indeß niemand wähne, daß ich über den aufsteigenden Vater den absteigenden


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 268-279.
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