§. 70.


Dank

[317] für diesen Unterricht ging über allen Ausdruck. Dankvoll bis zum Entzücken seyn, heißt nicht danken können. Dieß war der Fall unseres Helden. Könnt' ich doch, sagte er, nachdem er sich von der Dankverstummung erholt hatte, Worte aus lauter Vokalen bestehend finden – die man vielleicht nur in Eldorado haben wird; sie sollten Ihnen gewidmet seyn! – Unser Held that nichts als Vokale in den Namen zählen, so daß ihm die Consonanten als Leib, jene als Geist vorkamen. – Wie indeß doch alles sein Aber hat, so ward er durch die Diphthongen gewaltig zurückgesetzt. Sein Lehrer hinterließ ihm wegen der Diphthongen solche extrafeine Regeln, daß diese sonst so leichte Kunst dadurch nicht nur ins Gedränge kam – sondern auch, was bei weitem das ärgste war, nicht Wort hielt. Unser Held hatte sein Wort schriftlich gegeben, nichts von dem, was zwischen ihm und dem Werbehauptmanne[317] vorgefallen war, zu entdecken. Hierdurch gewann nicht nur der Bräutigam bei unserm Helden, sondern unser Held gewann auch in seinen Selbstaugen. – Er wußte doch ein Vogelnest, das dem ganzen reichsfreiherrlichen Hause, den Pastor und Heraldicus dazu addirt, verborgen war. – Ein Hauptreiz aller geheimen Gesellschaften, von wannen sie auch kommen und wohin sie auch fahren mögen! Gibt es nicht, sagte der Werbehauptmann, überall Geheimnisse, in Kabinetten, in Kosmopoliten-Clubs, in Schulen der Weisen, und in den Kirchen der Gläubigen? Geheimniß ist der Busenfreund eines glücklichen Erfolgs, der gültigste Bürge eines erwünschten Ausganges; Geheimniß zerbricht die feurigen Pfeile des Schwächlings und des Bösewichtes, des Verdachtes und der Bosheit. – Noch hatte ihm der Werbehauptmann einige diätetische Regeln in die Hand gedrückt, als da sind: alle Monate drei Hemden anzuziehen – sich vor gewissen Speisen zu hüten, und besonders auf gewisse Zahlen zu merken. Seine vorletzten Worte waren: Freund, es trügt mich alles, oder Sie sind zum Vokal unter den Menschen bestimmt. Schon find' ich in dieser romantischen Gegend, in der Denkart Ihrer Eltern, in der Physiognomie dieses Schlosses, seiner Bewohner und Gäste so viele Ordensorgane, daß Sie den Tag dreimal glücklich preisen können, da mich der Bedarf eines Zeugnisses zu Ihnen brachte. Das Instrument ist da; es darf nur gestimmt und gespielt werden. – Glücklicher Zufall! rief unser Held, wer sollte denken, daß so viel Gutes aus dem kleinen Umstande erstehen kann, wenn ein Fräulein eine Enkelin hat! Und das letzte Wort des Werbehauptmanns?


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 317-318.
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