§. 71.


Erkenntlichkeit.

[318] Nicht doch! – Gewiß. – In Silber und Gold? – So schien es; – indeß war dieß Wort mit schönen Phrasen verbrämt, die[318] unser Bruder Redner wie Sklaven in seiner Gewalt hatte. Ist es nicht Ordenssprache? Ich sollte glauben. Unsere Ritterin bemerkte, der Hauptmann zwirne seine Ausdrücke. Nicht übel, da zwirnen zwei Fäden in einen bringen heißt. Doch schien er bei diesem an sich schweren Worte, an dem höchsten und niedrigsten, an dem so viele scheitern und fraudulose Bankerotte machen – ebenfalls zu kurz zu schießen. – Jupiter, fing er sehr pathetisch an, erhob das Fell der Ziege Amalthea, die ihn auf dem Berge Ida ernährte, zu ihrem Andenken zur Diphthera, zum Tapis, zur Schreibtafel, wo er der Menschen Thun und Lassen aufzeichnete. – Einen Anfang, der dem geistlichen Consistorialrath, als er voll süßen Weines war, Trotz bietet! Da es indeß in der Geschwindigkeit ihm nicht gelingen mochte, das Fell der Ziege, den Berg Ida, Tapis und der Menschen Thun und Lassen in Verbindung zu bringen, indem man es zu jener Frist nicht so weit gebracht hatte, aus einem halben Dutzend heterogener Wörter ein bewundernswürdiges homogenes Werk zusammen zu würfeln; – so schloß er: Sie verstehen mich. – Der Orden verlangt nichts, allein man gibt ihm ohne sein Verlangen. – Wer wollte nicht in den Klingsäckel des Staats, dessen Glöcklein jetzt, wo wir stehen und gehen, sitzen und liegen, läutet, reichlich legen, wenn die Gabe dem Geber hundertmal wieder gegeben wird – und dieß Scherflein von Saat zu tausendfältigen Früchten gedeihet?

Der gute Ritter hat freilich bis zum §. 72 in diesen Kreuz- und Querzügen gegrünt und geblüht, und dreimal sieben Jahre mit seiner Ehegattin in einer exemplarischen Ehe gelebt. Selten werden Väter der Bücherhelden es so weit und bis zum §. 70 bringen, sondern weit zeitiger dem Achill, dem Ulysses, dem Aeneas (soll ich an die Henriade denken?) Platz machen. – Warum soll ich es verhalten? Auch selbst noch im siebenmal siebzigsten §. würd' es mir leid seyn, mich von meinem Ritter zu


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 318-319.
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