76. Begleiter

§. 76.


Begleiter,

[329] der seinen Paragraph hinreichend verdient. Protagoras war in seiner Jugend ein Tagelöhner, der, außer vielen anderen Tagelöhner-Arbeiten, auch Holz zu tragen verpflichtet ward. Demokritus, der ihm begegnete, fand das Holz so geschikt zusammengelegt und gebunden, daß er den Protagoras befragte: wer es so künstlich[329] zusammengebracht habe? und nachdem der Holzträger seine Behauptung, es selbst zu seyn, in seiner Gegenwart durch einen thätlichen Beweis außer Zweifel gesetzt hatte, ward er ihn zu seinem Schüler, wie der Werbehauptmann unsern Helden; – und der Holzträger ward ein Philosoph. Setzet anstatt Protagoras und Demokritus Pastor und Michael, und anstatt des Holzbündels den Katechismus, so wißt ihr, woran ihr seyd, und was ich sagen wollte. Dieser Knabe legte das Holz des katechetischen Unterrichts so meisterhaft, daß der Pastor ihn dem Ritter empfahl, der ihn dann gemeineren Arbeiten entzog und zu einer bessern Klasse der Dienste bestimmte. Michael hätte vielleicht Protagoras werden können, wenn unser Pastor Demokritus gewesen wäre, wozu er indeß keine Anlage zeigte. Vielmehr besprengte unser Pastor diese schöne Pflanze mit so mystischem Weihwasser, daß sie ganz etwas anderes ward, als sie von Natur wegen hätte werden können. Der testirende Ritter wählte ganz von ungefähr einen Ausdruck, der unsern Michael ziemlich deutlich bezeichnete: Begleiter! Zwar nahm ihn von Stund an unser A B C als Diener zu sich, doch war Michael mehr. – Und was? – Frage, Freund: was nicht? Denn mit mehr kann ich in diesem Paragraph nicht dienen. Michael gehörte nicht zu Theaterdienern, die, wenn sie gleich, so wie er, mitsprechen und mithandeln, es immer auf eine Weise thun, die weder den Herrn noch seinen Diener gekleidet haben würde. Michael war nicht der Leib, und sein Herr die Seele, – oder umgekehrt; – doch machten sie ein Paar, das schwerlich sich besser zusammen finden konnte.

Die Ritterin hatte, ohne daß das Schlafstübchen der Frau Landpflegerin (außer in Rosenthalschen Träumen) nur angefangen, geschweige fertig war, einen


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 329-330.
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Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis Z
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