§. 78.


Anzeigen

[332] und andere Träume vor, die ich um vieles nicht mit Stillschweigen übergehen könnte; als da sind: Drei Tage vor der letzten Krankheit des Ritters verlor die Ritterin sein Bild in Miniatur von ihrem Armbande; ein Geschenk ihres Vielgeliebten am Hochzeitstage. – Ohne daß sie es gemerkt hatte, war es ihr entfallen;[332] und obgleich dem Finder von drei Kanzeln ein stattliches Findegeld zugesichert ward und der Pastor loci nicht nur bei dieser Kanzelaufforderung, sondern auch beim Suchen selbst sich viele rühmliche Mühe gab, so hat dieses Bild sich doch nie wiedergefunden – nie!

Drei Tage nach dem Anfange der letzten Krankheit des Ritters fiel der Blick der Ritterin ganz von ungefähr in den Spiegel im Zimmer, wo der Ritter auf einem Sopha, ich weiß nicht ob lag oder saß, während ihm sein Krankenbett gemacht ward. – Schrecklich! Er erschien ihr in Todesblässe im Spiegel, und beim Schauder, der ihr durch die Seele ging, war es, als hörte sie die Stimme: Sein Grab wird gemacht!

Auch hatte die Ritterin einen Fenstergarten, den man zu dieser Frist jardin portatif nennen würde. Dieser Garten, der aus dreimal drei Töpfen bestand, verdorrte in einer Nacht. Die Ritterin mochte diese Töpfe weiter nicht sehen, indem sie dadurch zu lebhaft an den Verlust ihres Gemahls erinnert worden wäre.

Ich fing mit einem Traum an und will mit einem enden. Warum auch nicht?

In der Nacht vor dem Tode des Ritters sah sie (im Traum) auf den Mauern Jerusalems den Schatten jenes Weherufers. Ueberwunden! rief er; überwunden! und zum drittenmal: überwunden! Jetzt verschwand der Schatten – die Mauern stürzten ein und kein Stein blieb auf dem andern.

Unser A B C gab sich viele Mühe, als ihn seine Mutter nach dem Hintritt des Ritters mit diesen Anzeigen und Träumen bekannt gemacht hatte, gleichfalls Postscripte von dergleichen besondern Vorfällen zu erfahren, um eines Theils in Träumen niemanden, und wäre es auch seine leibliche Mutter, etwas nachzugeben; andern Theils aber, um über dergleichen wichtige Gegenstände dem Werbehauptmann in der nächsten Epistel berichten und[333] sich Verhaltungsbefehle erbitten zu dürfen. Indeß schlief er zu fest um zu träumen, sah im Spiegel nur sich und – da er kein Armband trug, so war es unmöglich, eins zu verlieren. – Ein jardin portatif würde freilich am leichtesten zum Verdorren zu bringen gewesen seyn, wenn er ihn nicht begossen hätte; allein die Aufgabe war: dreimal drei Blumentöpfe sollten bei hinreichendem Wasser verdorren, und diese Aufgabe war unerreichbar. Pastor loci fand im verlornen Portrait ein unerklärliches Räthsel; der Junker in der Zahl Drei. – Drei Tage vor seiner Krankheit, sagte A B C. – Vielleicht ein Ohngefähr, erwiederte der Pastor. – Warum nicht gar! versetzte der Junker; dann wäre das verlorne Portrait ein noch größeres Ohngefähr. Warum gab es eben sieben Weisen in Griechenland? warum nicht mehr oder weniger? – Der Pastor war vermittelst der sieben Weisen völlig überzeugt. – So kann in Glaubenssachen ein Senfkornumstand viel beitragen! – Mit der heiligen Zahl Drei hätte denn doch unser Pastor auch bekannter sehn können und seyn sollen; können: da jedes Ding von Wichtigkeit seine drei Worte im Vermögen hat, und in allem, was werth ist zu seyn, sich Geist, Seele und Leib befinden; sollen: da er trotz dem Simeon vom Glauben zum Schauen sich sehnte. – Die


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 332-334.
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