§. 8.


Ueberwindung

[46] sehr viel beigetragen, bedarf noch einer näheren Auseinandersetzung. Sie ward, da sie, der Sage nach, noch Fräulein war, und die Bürden des ehelosen Standes aus der ersten Hand kannte, von der baronlustigen Mutter zur Unterhändlerin erkoren.[46]

»Glauben Sie denn, Baron, daß mir der Freitisch an Sonn- und Festtagen nicht Ueberwindung kostet?«

Desto schlimmer! Geschieht dieß am grünen Holz. – Der Schluß vom Freitisch an Sonn- und Festtagen auf alle Tage – und vom Tisch aufs Bett. Mann und Weib sind ein Leib!

»Recht Baron! Ein Leib mit Ihnen, und in, mit und durch Sie – adelich –«

Freiherrlich, wollen Sie sagen. – Wahr –!

»Wahr, und –?«

Aber auch ritterlich?

»Sie bleiben Ritter nun und in Ewigkeit.«

Und die ritterfähige Nachkommenschaft halten Sie für nichts? –

»Ein jeder für sich, Gott für uns alle.«

Sie sind Fräulein –

»Weiß aber, was Nachkommenschaft sagen will –«

Will nicht hoffen –

»Die Liebe ist blind«

Bei Argusaugen, um Geld zu sehen.

»Noth bricht Eisen« –

Kleinigkeit! – Auch den Willen sollte sie brechen! Ach! auch den Willen, wenn er uns verräth und verkauft. – Was ist Eisen gegen Willen? Mit der linken Seite liebt unser einer, was und wie viel er will; gilt es aber die rechte – ha! wird da nicht der Fürst Unterthan?

»Gingen nicht auch Regenten ins Kloster –?«

Wir gehen alle zu Bette, wenn wir des Tages Last und Hitze getragen haben.

Ein dergleichen langes und breites Für und Wider fiel unter dem Fräulein und dem Baron vor, die bei aller Wechsel- und Freitisch-Abhängigkeit sich doch so himmelweit über das Haus Sr. Hoch-Edlen empor hoben.


[47] Noch ein Körbchen dergleichen Brocken.


Ritter. Ein wahrer Fall Adams! Weg ist das göttliche Ebenbild, das einmal Heilig.

Fräulein. Die Menschen leben im Stande der Sünden, immer noch artig genug –

Ritter. Ach Fräulein! in mir fallen alle meine Descendenten bis an den jüngsten Tag!

Fräulein. Schrecklich! Doch wer kann Ihren Nachkommen bis an den jüngsten Tag das heilige römische Reich nehmen–? – Wer Ihren Kindern den Vater?

Ritter. Gilt er beim Ritterschlage ohne Mutter?

Was zu machen? Mit den heißesten Thränen bedauerte das Fräulein diesen betrübten Sündenfall. – Der Apfel war schön und der Wechsel fällig. – Wechselschuld, sagte die Freiwerberin, ist freilich nicht Blutschuld; doch hab' ich es von vornehmen Verwandten, daß es hier wie im Himmel zugehe, wo kein Ansehen der Person ist, und wie in der Hölle, wo alles in Ein Gefängniß kommt und Hoch und Niedrig Eine geschlossene Gesellschaft ausmacht. Der Ritter hatte sich von dem Freitischfräulein keine solche theologische Beichtandacht versehen, und in der That spielte es die Freiwerberrolle auf eine Art, wie sie so leicht nicht gespielt worden ist. Der zweimal Heilige ward am Ende durch diesen Wortwechsel vollständig überzeugt, daß, wenn gleich seine Nachkommenschaft auf das eine Heilig Verzicht thäte, und der Kasten Noä und die sitzende Jungfer (ein paar Familienhieroglyphen) gröblich befleckt würden, ein verfallener Wechsel dennoch alle diese hochfreiherrlichen Vorzüge überwiege; und nach genau angestellter Subtraction brachte der Ritter, ohne Wechsler zu seyn Summa Summarum heraus, daß er in diesen sauren Apfel heißen und das Paradies verlassen müsse. Auch außer dem Paradiese leben Menschen, und hinter dem Berge wohnen Leute. – Sein Stolz[48] überredete ihn, daß es nur auf sein herablassendes Ja ankäme. Wie könnten wohl, dachte er, eine eheleibliche Jungfer Tochter und ihre eheleibliche Familie einem freiherrlichen Ja widerstehen? Der Banquier, welcher auf der Börse der Emsige hieß (Spötter nannten ihm die Ameise), hatte seine Tochter Sophie (dieß war, zu nicht geringer Kränkung unseres Ritters, ihr einziger, noch dazu ziemlich alltäglicher Name) mit Herzen, Mund und Händen seinem lieben getreuen Nachbar und deßgleichen, einem fürnehmen und berühmten Kauf- und Handelsmann, zugewandt, verschrieben und zugesichert, der Valuta baar besaß und dem auch, genau genommen, nichts weiter abging, als das Johanniterkreuz, welches auf das Wechselnegoce und den Cours, wie der Emsige wohl wußte, keinen Einfluß hat. Die Ehefrau der Ameise war indeß mit dieser Verbindung desto zufriedener, und das Sonn- und Festtagsfräulein hatte ihre Rolle so vollgültig gemacht, daß kein Hefen von Bedenkkeit zurückblieb. Der Umstand, daß der Herr Bräutigam aus einer sehr alten Familie und sogar mit Fräulein – – man denke den Vorzug! – vetterlich verwandt war, schien Madame von entschiedener Wirkung zu seyn. Der Emsige hatte nun zwar die Wechseldreistigkeit zu behaupten, daß alle Edelleute von A und alle Bürgerliche von dam abstammten, und insoweit auch verwandt wären; indeß wußte das in der Heraldik und Genealogie nicht unerfahrene Fräulein ihm die Verdienste einer adeligen Abkunft so weitläufig und meisterhaft auseinander zu setzen, daß er vor lauter Ueberzeugung einschlief. – Sie erniedrigte sich zuweilen zur Probe, wenn sie allein waren, Madame und ihre Tochter Cousine zu nennen. Das erstemal, da dieser Name durchbrach und, wenn ich so sagen soll, durch das Schlüsselloch ausgesprochen wurde, war das Fräulein im Begriff, einen Haufen Holz von der neuen Cousine zu erbitten, den diese ihr denn mit zuvorkommender Freundschaft dreidoppelt bewilligte, so daß sie in drei Haufen ihre vetterliche[49] Zuneigung lichterloh brennen ließ. Ich wette, es wäre ihr Cederholz zugestanden worden, wenn sie es darauf angelegt und der Emsige nicht peremptorische Einreden dagegen gehabt hätte. Madam behauptete übrigens (weil der Emsige um die Hausregierung sich zu kümmern nicht viel Zeit hatte oder sich nahm) manchen Vorzug, den sie ihrem Eheherrn abgewonnen hatte; sie war größtentheils zum genere masculino übergetreten. – Ländlich sittlich – Madam verlangte auf den Grund dieses Vorzuges ein vollstimmiges Ja zur Heirath; indeß wußte er es doch, wiewohl mit genauer Noth, dahin zu bringen, daß man, statt dieser Förmlichkeit, sich mit bloßem Kopfneigen begnügte. Der Geist Caprizzio ist sauber und unsauber, je nachdem der Ort beschaffen ist, wo er einkehrt. In der Seele des Emsigen war er so unsauber, daß die Sauberkeit des Fräuleins Cousine dazu gehörte, alles ins Geleise zu bringen. »Wer sollte denken, Fräulein,« ließ der Emsige im Zorn sich aus, »daß Sie auch zu mäkeln verstehen?« Und ein andermal: »So wie ich meine propre (eigene) Handlung führe, so hätt' ich mir auch einen Schwiegersohn mit proprer Handlung oder wenigstens mit proprem Vermögen gewünscht.« – Cousine fing an, ihrer neuen Verwandten die Feile zu geben, und rieth z.B. der künftigen Frau Baronin, etwas weniger gesund zu seyn und sich rühmlichst einer blassen Farbe zu befleißigen. Ein gar zu gesundes Aussehen sey so unvornehm, sagte sie, daß es ins Bäurische falle. Das allerliebste Mädchen (das einen König hätte beglücken können, wenn er nicht eine Prinzessin zu ehelichen verbunden wäre), sollte sich Mühe geben, krank zu werden! Da indeß die Liebe eine Krankheit ist, so machte ihr diese Rolle keine große Mühe, wozu freilich die väterliche Begegnung, welche der mütterliche Trost nicht völlig unkräftig machen konnte, auch das ihrige beitrug. Ein merkwürdiges


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 1, Leipzig 1860, S. 46-50.
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