§. 133.


Dritte Verhandlung.

[154] Ein ehrwürdiger Degenknopf, der wegen seiner Wunden außer Stand gesetzt war, den schönen Tod fürs Vaterland zu sterben, und den man mit der Hoffnung einer Civilliste verabschiedet hatte, bat den Minister – – um Brod. Die Art seines Vortrags war so edel, daß Se. Excellenz sich während der Zeit, als der geheime Sekretarius die wichtigsten Geschäfte in Dero excellentem Namen besorgte, mit Vergnügen von diesem braven Degenknopf unterhalten ließen. Die Zeit verging, es war servirt und der Minister behielt den Degenknopf zu Mittag. Freilich auch Brod und besser als[154] wenn man Ministerialsteine des Unwillens und der Ungezogenheit erhält, – indeß nur Brod für einen Mittag. Der Gast wußte sich so empfehlend zu betragen, daß man ihn in der Gesellschaft ebenso gern hörte, als der Minister zuvor allein. Edelmuth und Dürftigkeit contrastiren überhaupt herrlich. Bei Tische kam die Rede auf einen Ring, den der Minister bei einer Gesandtschaft von Allerhöchsten Händen erhalten hatte. Er ward gezeigt und nach geraumer Zeit, da der Minister ihn zurück erbat, war er weg. Alles kehrte von selbst die Taschen um, nur unser Degenknopf nicht. Man fiel, wie man von selbst einsteht, auf dieses einer Ministertafel unangemessene Taschenmittel, um es unserm Degenknopfe nahe zu legen. Es konnte wahrlich nicht näher seyn; wer seine Taschen doch nicht umkehrte – war er. Man schwieg, um ihm wegen seiner vorher erzählten Kriegsanekdoten Erkenntlichkeit zu erzeigen, und weil man sich überredete, er würde nach aufgehobener Tafel zurückbleiben und sich eine Cabinetsaudienz beim Minister erbitten. – Man irrte. – Er war der erste, der sich mit einem Anstande entfernte, über den nichts ging. Eine schwere Rolle! So edel hat sich noch kein Feldherr zurückgezogen. Wahrlich man muß ein solcher Degenknopf seyn, um hier nicht zu unterliegen! Jetzt bat man den Minister menschenfreundlichst, dieses Unglücklichen zu schonen, und welcher Minister zeigt nicht gern diese Tugend, wenn sie ihm so hoch bezahlt wird! Der Gewinn, den Se. Excellenz bei dieser Gelegenheit zogen, war hundert solcher Ringe aus Allerhöchsten Händen werth. Ein paar Affen, welche ansehnliche Hofchargen bekleideten, hatten sich aus Furcht bei Tafel weit stiller gehalten als die andern Gäste, so sehr auch die Mienensprache Hofmännerchen eigen zu seyn pflegt. – Der Degenknopf hatte Herz. – Das Gerede verbreitete sich in der ganzen Stadt, womit Sr. Excellenz gedient war, wenn gleich sie sich äußerlich alle Mühe gaben, die Sache zu unterdrücken. Unser Degenknopf ward geflohen wie ein[155] Aussätziger. Nach acht Tagen übersandte der General – – dem Minister den Ring mit der Anzeige, ihn in seinem Stiefel gefunden zu haben. Er hatte die Gewohnheit, mit acht Paar Stiefeln zu wechseln, und so war es in der Regel, daß er nicht eher als jetzt den Knoten löste. Der Minister stand keinen Augenblick an, den Degenknopf um Verzeihung zu bitten, der diese Bitte um Verzeihung dem Minister äußerst übel nahm. Er hatte viele Mühe, ihn zu beruhigen. Wer kein inneres Bewußtseyn der Rechtschaffenheit hat, mag eine dergleichen Vergebungsbitte verzeihen, ich nicht; und wer von mir eine Niederträchtigkeit, dergleichen ein Ringdiebstahl ist, zu vermuthen im Stande war, ist entweder ein Selbstdieb ober mindestens ein Hofmann. Ein jeder ehrliche Mann muß das aus sich machen, was er ist. – Was den Degenknopf abgehalten hätte, seine Taschen umzukehren? war eine allgemeine Frage. Nur einem Freunde vertraute er den Schlüssel zu diesem Taschengeheimniß. Ehe er zum Minister ging, hatte er für seinen Mittag gesorgt und sich Käse und Brod in der Speisekammer seiner Tasche aufbewahrt. War es Wunder, daß er sie unaufgeschlossen ließ? Der Minister bat ihn verschiedentlich nach der Zeit zu sich, er schlug es jedesmal ab. – Ohne Zweifel wirb er auch eine Stelle aus seinen Händen abschlagen. Diesem Ehrenmann eine Pension zu geben, bis er ungesucht die verdiente Versorgung unmittelbar vom Fürsten erhält, war der Antrag, der auf keinen Felsenacker fiel. Warum durch Bitten und Flehen dem Degenknopf sein Leben verbittern, das er leichter tragen wird, wenn es ihm nicht durch abschlägige Antworten, sie mögen gnädig oder ungnädig fallen, erschwert wird?


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 154-156.
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