§. 139.


Unterricht

[185] gedacht und ihn verpflichtet hätten, darum zu bitten. Die hocherleuchteten Herren legten es recht dazu an, daß er lange leben, sanft sterben und mit Abgeschiedenen sich einlassen, und sonst noch viel andere dergleichen, wo nicht hals-, so doch kopfbrechende Künste treiben sollte. Wenn es nicht anders ist! – Körper werden durch ihre Schwere zur Erde und zum Mittelpunkte derselben gezogen: sie sind Erde und sollen zur Erde werden; der Flug des Geistes geht himmelan, sagte der Obere. Und unser Ritter wollte nach[185] diesem Wink, sowie sein Schildknappe, der Grabesritter- und Knappenschaft ungeachtet, weit lieber in Eldorado oben, als in Eldorado unten seyn. – Nur brockenweise kann der Unterricht ertheilt werden, sagte der Obere; doch ist hier ein Brocken, setzte er weislich hinzu, mehr werth, als sonst fünf Brode, und wären sie auch von Weizen, und eine große Schüssel Lachsforellen. – Je später der Donner auf den Blitz folgt, desto weiter ist man von der Gewitterwolke.

Der Ritter ward, wie er bemerkte, so ökonomisch mit kleinen Tropfen und Brocken gespeist und getränkt, daß sein emsiger Herr Großvater mütterlicherseits (in seiner Art nämlich) als Verschwender angesehen werden konnte.

Auch hatte dieser Unterricht keine Verbindung, und ich habe keinen Beruf, die Körbe zu flechten. Das Aergste vom Argen ist, daß ich bei weitem den größten Theil verhängt finde. Jede Brockenstunde fing an und ward mit den Worten beschlossen: Es blühe uns die Rose von Jericho, und neben ihr die bescheidene Blume je länger je lieber!

Michael, der gegen diese hohe Weisheit nicht drei, neun und zehn Meierhöfe eingetauscht hätte, munterte den Ritter zu dieser Korbsammlung auf. Am glücklichsten wär' er gewesen, wenn er einen davon seinem Gamaliel zuzuwenden die Erlaubniß gehabt hätte, der in Hinsicht der Geheimnisse schon von Natur Hähnchen im Korbe zu seyn, was soll man sagen? sich dünkte, – oder wünschte? wie Michael sich ein wenig zu gesucht nach seiner Protagorasweise ausdrückte. Nach der Versicherung des Obern vom Ordenshause zu schließen, müßte ein Brocken Gamalieln gesättigt haben sein Lebenlang.


† †


[186]

Weltweisheit ist ein Spitzname, den man der Philosophie beigelegt hat. Vielleicht thaten es die Kirchenväter, um sie vom Christenthum zu unterscheiden. In diesem Sinn ist Philosophie nichts anders, als Lebensartlehre, Tanzkunst der Seele; und die, welche Philosophie besitzen, sind Hofleute im höchsten Grade. Die eigentliche Philosophie, die sich mit der allgemeinen inneren Beschaffenheit der Dinge abgibt, war das Werk weniger Edlen, der Vorzug unserer Vorväter. Von ihnen schreibt sich die Bemerkung her, daß die Philosophie in der Kunst zu sterben bestehe. Die Philosophen und Theologen (wenn man diesen letzten vermessenen Ausdruck brauchen darf) der alten Welt waren eins; und da die Philosophie alles geistig richtet, so kommt ihren Liebhabern eigentlich der Name Geistliche zu, der, wenn man ihm den Namen weltlich entgegensetzt, die Sache noch deutlicher zu machen scheint. Man wendet oft die Gesetze der Naturlehre im gemeinsten Leben an, ohne sie einzusehen und ihnen nur einen Blick der Aufmerksamkeit und Erkenntlichkeit zuzuwenden.

Bei jeder Sache von Wichtigkeit gibt es eine heilige Drei (das wußte man wohl in Rosenthal), und die Philosophie hat auch die ihrige: Gott, Welt, Mensch. Der Inbegriff von Begriffen und Kenntnissen von der kleinen Welt, dem Menschen, der großen Welt, dem All und der Gottheit, ist die philosophische Dreieinigkeit, von der es (wie? das ist die Frage) im Geist und in der Wahrheit heißen kann: Diese Drei sind Eins.

Daß Gott der Herr selbst die Logik oder die philosophische Denk- und Sprachlehre dem ersten Menschen beigebracht habe, ist kein Zweifel, da zu dieser Frist die große und kleine Welt noch Kinder waren, und wenn Gott selbst nicht die Erziehung übernommen hätte, – was würde wohl, besonders aus der kleinen Welt, dem Menschen, herausgekommen seyn? (Bei so gründlichem Elementarunterricht und bei einem solchen Lehrer – war es Wunder,[187] daß die Lernenden Riesenfortschritte machten?) Wer den Menschen in der Art berechnet, daß er vom Jäger (heißt auch zugleich Fischer) zum Hirten, von diesem zum Ackerbauer, dann zum kleinen, dann zum großen Bürger gediehen; daß Städte, wo Bürger sich zu kleinen Gesellschaften verstanden, die Stifter der Staaten gewesen, wodurch Ungleichheit des Standes, Kraft, Macht, Gewalt, Gesetzgebung, gesellschaftliche Tugend, allgemeine Religion entstanden; mag immer kein ganz verwerflicher politischer Rechenmeister seyn; in unserm Orden – was gilt er? Wenig oder nichts!

Vom Könige Salomo (einem großen Ordensmanne) heißt es: er redete von Bäumen, von der Ceder auf Libanon bis an den Ysop, der aus der Wand wächst; auch redete er von Vieh, von Vögeln, von Gewürmen und von Fischen. Und diese Leichenrede gilt von Adam, mit dem vorzüglichen Unterschiede, daß Adam nicht nur in der Physik, sondern auch in der Metaphysik kunstgerecht war. Er verstand genau, was die profanen Theologen schaffen und erhalten, wir aber schaffen und verwandeln heißen, und hatte das Glück, nicht bloßer Speculirer zu seyn. – Er drang in das Wesen, ja das Wesen jeder Sache; sah wachsen alles, was zu wachsen fähig war, obgleich jetzt die größten Beschauer nur Gras wachsen hören können; wußte, was jetzt wenige wissen (gibt es eine Sache, die man nicht anzugreifen, zu bezweifeln und oft, wenn das Unglück gut ist, gar zu widerlegen im Stande ist?): nicht nur das Ja und das Nein von allem, sondern das Ja und Nichtja, nicht nur das Nein, sondern auch das Nichtnein. (Etwas ganz anderes als Nein!) Von dieser verloren gegangenen Kunst, welche den Meister nicht verräth, gibt es noch schwache Anzeichen in manchen Sprachen. – Der Paradieser Adam hatte es schier weit gebracht; und wenn gleich auch alle seine gefallenen Nachkommen und unter ihnen besonders wenige Auserwählte, einige Kenntnisse von ihrem hohen Werthe besaßen[188] und Feuersteine zu seyn verstanden, um alles in der Welt als Stahl anzusehen, aus dem Funken sprühen; – wenn sie gleich diese Kenntnisse auf ihre Zweige verpfropften und auf ihre Nachkommen verpflanzten, so besaß Adam doch diese Kunst im Original in weit größerem Umfange, und außer ihr – Kenntnisse der Geisterwelt.


Rubriken.


Erklärung des Wortes: Anfang, wenn vom Inbegriff aller körperlichen Dinge geredet wird. Im Anfang schuf – Was heißt hier schaffen?

Was bedeuten Salz, Schwefel und Mercurius in der Chemie des Grabesordens?

Ausbrütung der Welt aus einem Eichaos, wie sie zu verstehen?

Die Erde ist in Verbindung mit dem Weltall. Wer ihre Schöpfungsgeschichte außer diesem Verhältnisse erzählt, ist nicht Mitglied unseres Ordens. – Moses verbindet Welt und ihr glänzendes Sandkorn, die Erde. – Diese Verbindung kann nur von Eingeweihten begriffen werden.

Die Erde besteht nicht aus Tropfen aller andern Himmelskörper, nicht aus Lichtschnuppen der Sonnen, – sie ist solch ein Kernplanet, wie die übrigen.

Die Naturlehrer geben Theorien; der Orden erhebt sich bis zur Experimentalphysik im Unterricht: wie die Welt und ihr nicht übelgerathenes Kind, die Erde, entstanden sey?

Geheimer Aufschluß des Umstandes, daß alle Planeten unsers Sonnensystems von Abend nach Morgen sich bewegen. – Auch der Orden kommt vom Abend und geht nach Morgen, gerade so wie die Planeten unseres Sonnensystems.

Thun die Menschen wohl durch Kultur das physische Klima[189] mancher Erdgegenden zu ändern und ihr eine andere Beschaffenheit beizulegen? Nachtlicht über die Veränderungen, welche die Erde außer der Mosaischen Ueberschwemmung erlitten, durch Feuer – Wasser – Veränderung der Achse und sonst –

Adam, urerster Mensch – Nach ihm gab es viele erste Menschen. Ein Manuscript von Sagen von Adam, Noa u.s.w. äußerst rar!

Die Schlange ist Adams Einbildungskraft, die er seinen höheren Seelenkräften vorzog. – Noch jetzt ist sie schlangenartig – Von der Einbildungsklapperschlange.

Er wollte sich nicht mit den Arten begnügen, die Gott geschaffen hatte, sondern ihm gleich werden, indem er es zu unnatürlichen Unarten anlegte. – Ein wichtiges Kapitel; Naturverfälschungen überall. – Das waren Kennzeichen von dem Falle des Menschengeschlechts.

Es bleibt die Frage, ob er nicht selbst mit einer Orangoutang einen sträflichen Versuch machte.

Er chikanirte die Engel und that (Gott sey es geklagt!) als wäre er ihr Herr! Warum das? Weil er außer ihrem Wesen einen Körper trug. Freilich ein Meisterstück; doch darum sich höher als Engel zu dünken, – ist es nicht zu arg? – Das hätte der erste Großmeister des Grabesordens nicht sollen!

Hauptschlüsselkapitel. Adam verlor eigentlich nicht den Schlüssel der Natur, er verdarb ihn. – Die Natur, die er unter diesem Schlüssel hatte, ward so gut frei wie er selbst – (Windlicht über mehr Siebensachen.) Von diesem Schlüssel, den Adam verlor, stammt der Ausdruck: die Schlüssel des Himmelreichs in gerader Linie ab und Salomons Clavicula ist Bastard.

Sein Fall ist das nicht, was man dafür hält. Wäre Adam nicht so gut vor als nach dem Falle gestorben (in der höhern Ordenssprache verwandelt worden)? Gewiß weit unvermerkter[190] und so allmählig, wie man in der Musik vom piano ins pianissimo sinkt.

Eva hätte die Kinder so ausgeschüttet wie Blumen den reisen Samen.



Erklärung der Stelle, daß Eva bei der Geburt Kains glaubte, sie habe den Mann, den Herrn. – Ein feiner Herr!



Adamitische Weisheit wird fortgepflanzt.

Namentliche Anzeige der Großmeister dieser Weisen. Seth, Adams und Eva's Sohn, war Nachfolger. Von ihm heißt es: er war ein Edelmann, ein Sohn, der Adams Bilde ähnlich war. – Großer Vorzug! – Ihm folgte Enos, ihm Kenan, ihm Mahalaleel, ihm Jared, ihm Henoch, der im Grabesorden außerordentliche Kenntnisse besaß. Moses deutet sie durch zwei Züge an. Henoch, heißt es bei ihm, führte ein göttliches Leben und Gott nahm ihn hinweg und ward nicht mehr gesehen – er schlief zur andern Welt hinüber. – Gott gab es ihm im Schlaf. – Er verwandelte sich so schnell wie man auf Operntheatern die Dekorationen und das ganze Theater verwandelt. – Auch bei Grabesrittern neuerer Zeit findet, wenn sie sterben, der Ausdruck Anwendung: Gott nahm sie hinweg.

Dem Henoch folgte Methusalah, ihm Lamech, ihm Noa – einer der denkwürdigsten Männer im Orden, nicht weil er sich betrank, sondern wegen seiner Geburt, die so einleuchtend ritterlich war, daß sein Vater prophezeite:

»Er wird uns trösten in unserer Mühe und Arbeit auf Erden, die der Herr verflucht hat.«

Das Symbolum unseres Ordens, ein Wahlspruch aller Hospitalier, die da waren und noch sind und seyn werden. Die[191] Physik der Erde hat auf die Moralität der Menschen Einfluß! – Auch die Erde hat Leib und Seele, ein ganz anderes Ding als die Weltseele, die sich vom Weltgeist unterscheidet. – Wichtige Lehren.

Der Sündfluth eigentliche Deutung. – In der Ordenssprache heißt sie Gnadenfluth. – Die Erde ist durchs Wasser gebildet und ausgewaschen.

Was es heißt: die Kinder Gottes sahen nach den Töchtern der Menschen, wie sie schön waren, und nahmen zu Weibern, welche sie wollten. – Etwa: sie mesalliirten sich? – –

Warum Noa den Raben vor der Taube aussendete?

Das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.

Der Regenbogen. (Hauptkapitel.)

Auf Sem ruhte von dem Dreiblatte der Söhne Noa's der Ordenssegen.

Nach Sem folgte Arphachsad, auf ihn Salah, auf ihn Eber, auf ihn Peleg, zu dessen Zeiten der Orden sich schon Besitzungen zueignete, welche zu deduciren wegen der mangelnden Archivnachrichten schwer seyn würde. Nach Peleg folgte Regu, nach ihm Serug, nach ihm Nahor, nach ihm Thara, nach ihm

Abraham, dann Isaak und dann Jakob.

Jetzt treten die Namen ein, die vom Evangelisten Matthäus als Vorväter des Zimmermanns Joseph bemerkt sind. – Ein Fingerzeig, der alle Zweifel wider diese genealogischen Nachrichten hebt, die eigentlich zu unserem Orden gehören – Was gehen sie profane Spötter an? – –

Die eigentliche biblische Exegetik wird aus dem Orden geschöpft.

Die Großmeister des Ordens oder ihre Legaten standen bei den Volksregierern in großem Ansehen, wenn erstere nicht für gut fanden, das Volk höchstselbst zu regieren. Gab es einen Regenten[192] – was war er? Ein kleines Licht, das die Nacht regiert. Und der Großmeister? Die Sonne.

Geheim war der Orden von Anbeginn: vom paradiesischen Adam bis auf den Adam, Ritter vom Tage.

Christus, der unübertrefflichste Grabesmeister.

Erklärung der geheimen Orte, wo die ersten Christen ihre Geheimnisse feierten. – Höhlen, worin sie zugleich die Todten begruben. – Die Gräber der Märtyrer waren ihre Hauptkapellen.

Aufschlüsse in der Kirchengeschichte, wovon der profanen Welt – auch nicht träumt.

Vor der Existenz des jüdischen Volkes, und nach dem Risse des Vorhanges im Allerheiligsten des Tempels gab es die größten Meister; doch ist der Stifter des neujüdischen Volks, Moses nicht zu verachten. – Er war bekanntlich ein großer Ritter. Versah er es nicht vielleicht, weil er eine Religion, die in der ganzen Welt esoterisch und in Mysterien eingehüllt war, dem Volke preisgab, das, wohl zu merken, höchst unreif war? Die Idee: Jehovah ist König in Israel, war schön und erhaben. – Da dieser König sich einen Palast in Judäa bauen ließ, Minister und Hofleute in Dienst nahm, war es Wunder, daß Israel auf einen sichtbaren König bestand?

Andere Staaten waren bloß anfänglich priesterliche Staaten; der jüdische blieb es noch, als er seinen König hatte. – Der Geist Gottes kam über Saul – heißt: Saul war ein heimlicher I– – – Moses theilte ihnen von seinem Geiste etwas mit, heißt: er gab ihnen den ersten Buchstaben seines Plans.

Aechte und falsche Propheten.

Geheimniß des Urim und Thummim. – Der Orden von Licht und Recht ist der Grabesorden mit andern Worten.

Es gibt gleicharmige, es gibt Schnellwagen; bei diesen kann man mit einerlei Gegengewicht das Gewicht vieler und verschiedener[193] Körper angeben: man rückt das Gegengewicht bald näher, bald weiter vom Ruhepunkt. – So auch mit dem Ordensunterrichte.



Etwas Eingebung oder göttlicher Einfluß, etwas Paradiesisches ist bei aller Philosophie – Tiefblicke –! Anschauer dieser göttlichen Aus- und Einflüsse!

Speculation ist Zeitvertreib: Seelenstrickzeug, wodurch weder Strumpf noch Handschuh, noch Geldbeutel (der Seele nämlich) zu Stande gebracht wird. Durch Beobachtungen des menschlichen Gefühls und der Erfahrungen muß sich der Speculant leuchten lassen, sonst verirrt er sich – selbst in seinem eigenen Hause. Subtilitätensucht ist Krankheit. – Was ist magnetische Kraft? Elektricität? Sympathie? Antipathie der Dinge? Was von allem gilt, gilt auch nothwendig von dem, was darunter begriffen ist. Was gilt aber von allem? und was ist darunter begriffen? Ist nicht das strengste Recht Unrecht, und was Euch Widerspruch dünkt – ist es immer einer? Sieht ein leuchtender Punkt, wenn er sich schnell um eine Achse bewegt, nicht wie ein Cirkel aus? und ist er darum mehr als ein Punkt? Ist nicht Licht und Schatten oft so in einander, daß man nicht weiß, was Schatten und was Licht ist?

Zustand der innern und äußern Rube, der Weltabgeschiedenheit und der Sicherheit ist zum Ordensleben nothwendig.

Wißbegierde und Wißgeiz, Wißneid – Trieb der geistigen und leiblichen Fortpflanzung. Begierde nach Vollkommenheit – nach Vollständigkeit. (Ein großer Unterschied!)

Gang von der Sinnlichkeit zur Abstraktion. Zum Wunderbaren hat der Mensch natürlichen Hang, Ueberbleibsel des göttlichen Ebenbildes. Phantasie leitet Sinn und Verstand. In Bildern zu denken und zu sprechen ist dem Menschen eigen. – Diese Welt ist die Bilderwelt. Das Wort Abstrahiren selbst ist ein[194] Bildwort. In der Kindheit steht man alles in die Breite, als Jüngling in die Länge, als Mann – –

Zoroaster –

Hermes –

Pythagoras –

Die Pythagoräer waren große Zahlenlehrer. Wenn man, wegen der Affektionen und Verhältnisse der Zahlen zu Dingen, die Dinge selbst für Zahlen nehmen will, gibt der Orden sichere Fingerzeige. – Der Herr kennt die Seinen.

Drei Vorhänge!

Farbensprache –

Die Federn und Pelze der Thiere enthalten Buchstaben, die man lesen kann wie gedruckte Schrift. – Auch auf Blumen, Kräutern und Gewächsen ist göttliche Handschrift. – In diesem Sinne hat Gott selbst geschrieben und ist wirklich Schriftsteller. Es gab einen im Orden bekannten Gärtner, der von seinen Tulpen, Nelken u.s.w., die, nachdem sie ihm viel oder wenig zu sagen hatten, sich viel oder wenig veränderten, Dinge las.

Ein Vorhang!

Geheime Aufschlüsse über Physiognomie.

Die Farben sagen Du, Ihr, Sie (um deutsch zu reden) zum Auge und zum Herzen.

Warum sich alle Völker ihren Gott als Mann gedacht haben, und ihre Opfer in der Regel männlichen Geschlechts waren?

Aus Feuchtigkeit entsteht alles, die Welt, der Mensch. Gemeinhin fängt die Naturwirkung mit Feuchtigkeit an und hört mit Feuer auf; – mit Auflösung an, mit Verhärtung auf. Der Geist schwebte auf den Wassern, soll, wie man sagt, heißen: ein starker Wind trocknete die Erde, sonderte Wasser und Erde ab. Im Winde liegt ein großes Geheimniß – du hörst sein Sausen[195] wohl, weißt aber nicht, von wannen er kommt, noch wohin er fährt. Glaubt man nicht, wenn man von irdischen Dingen redet, wie will man glauben, wenn von himmlischen gehandelt wird? Wer Ohren hat zu hören, der höre! – Das Buch der Weisheit wird zu den apokryphischen Büchern gezählt. – Selig sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Alles Flüchtige, unsichtbar Wirkende hieß bei den Alten Geist. – Theilbar ist nicht das, was der Gedanke trennt, sondern was wirklich durch Elemente aufgelöst werden kann. So wie ein Licht ein anderes anzündet, ohne dadurch aufzuhören ein Licht zu seyn, so theilt der Naturgeist sich mit. – Der Magnet theilt dem Eisen seine Kraft mit, und was die Sonne bescheint, glänzt wie die Sonne, wie z.B. Moses Antlitz, als er vom Berge kam.

Warm, kalt, feucht, trocken sind die vier profanen Elemente, aus denen jedes Dinges Temperament besteht: Feuer, Luft, Wasser, Erde. (Die Chinesen rechnen Holz zu den Elementen.) Es sollten sieben seyn, und es sind auch sieben.

Wir wollen in die Zukunft sehen. – Man blicke zuvor zurück, und dann vorwärts!

Ist unser Ich durchaus isolirt? In der Regel verbirgt die Natur uns den ersten unvollkommenen Zustand unserer Existenz und macht uns unfähig, uns der ersten Lebenserfahrungen zu erinnern; doch gibt es Ausnahmen. – Es gibt Menschen im Orden, die ihr voriges Ich, ihre Vorexistenz, auf ein Haar kennen; – sie haben nicht aus Lethe getrunken.

Prophetische Gaben wirken vorwärts und rückwärts.

Tiefe Lehren von Vertauschung der Seelen; auch werden sie zuweilen vergriffen. Im ganzen Jahrhundert kommt kaum Eine hervor, die es werth ist, Seele zu seyn.

Für und wider das Leben, für und wider den Tod.

Alles verhängt.[196]

Ich will mit Randglossen, mit einem Anhange von Lebensregeln, schließen.

Was jener Reisende an verschiedenen Orten fand, trifft man oft in einer Stadt an. – So viele Methusalems, so viele Arten, sein Leben auf siebenzig Jahre, und, wenn es hoch kommt, auf achtzig zu bringen. Der schreibt es dem Wasser, der dem Wein, der dem warmen, der dem kalten Klima, der starken, der schwachen Nerven, der dem heftigen, der dem sanften Charakter, dieser der Ruhe, jener der Unruhe zu; und am Ende liegt es in der Naturanlage des Menschen, die durch Mäßigkeit an Leib und Seele befördert wird. Ueberfluß entkräftet, Weichlichkeit macht stumpf, und nicht jede Brille ist den Augen angemessen. – Heraldicus senior wußte befleckte und zerrissene Kleider auszubessern, zu reinigen und umzukehren; unsere Aerzte mit dem Seelenkleide nicht also. – Systeme und Monarchien sind einander so ähnlich, wie Monarchen und Systematiker. Einfachheit und Kunst, das Reine vom Unreinen, den Segen vom Fluch, das Licht von Finsterniß zu scheiden, ist der Gipfel der Arzneikunst. Nicht in den ersten Dauungswegen, in das Wesen des Menschen, in seinen Geist muß der Arzt wirken, und widrige Dinge durch einen Mittler verbinden, wie Leib und Geist durch die Seele. Mein Hausmittel zum langen Leben ist: Fange wenig an und thue viel; genieße heute so, daß du morgen zum Genusse nicht unfähig wirst; genieße geistig oder durch die Einbildungskraft, da schadet zu viel so leicht nicht. Lerne Widersprüche auch von denen ertragen, die erst deiner Meinung waren und aus Nebenabsichten zurücktraten. Gehe langsam, allein sicher, – Geduld ist nicht Abspannung; sie kann die höchste Anstrengung werden. Je weniger Bedürfnisse, desto mehr Genuß; ein Diamant von vorzüglicher Größe gilt mehr, als viele Scheffel Scheidemünze. Durch Enthaltsamkeit vermehrt sich der Appetit, durch Kasteien die Fleischeslust. – Bei wenigen Bedürfnissen kann man größer seyn[197] als ein Fürst. – Nicht von Stern und Band, Urtheil und Recht, Stock und Degen, vom innern Wesen der Dinge und von der darauf gegründeten Meinung des Weisen hängt die Ehre ab. Verliert man sie nicht gemeinhin, wenn man sie in den Gerichtshöfen durch drei Instanzen gewann? Gemeinhin sucht die Justiz Nester, wenn die Vögel ausgeflogen sind. Sie nimmt dir oft das Deine, um von dem, was des andern ist, dir ein Drittheil zuzuwenden. – Der Finanzier will Leibes-, der speculirende Philosoph Seelenluxus. – Menschliche Allwissenheit ist unerträglicher und schädlicher, als Unwissenheit. – Mit Praxis und Erfahrung anzufangen, ist der kürzeste und sicherste Weg. Hasse keinen, liebe die Menschen, sey wie ein Bischof Eines Weibes Mann; keines oder vieler Mann seyn, ist schädlich an Leib und Seele. Erschrick nicht über jeden Knall, ärgere dich nicht über jedes Sandkorn, das unter deinen Sohlen knistert. Thue recht, scheue niemand, gehe mit deinen Feinden so um, als ob sie deine Frennde werden können. Wer nicht zweifelt, weiß auch nicht; alles Gute ist der Rose gleich, die mit Dornen umgeben ist. Man kann unmöglich entscheiden, wenn keine Sachuntersuchung vorausging. – Unmäßiger Tadel ist erträglicher, als unmäßiges Lob. – Faulheit ist das größte Laster. – Der Druck ist der beste, der dem Geschriebenen am nächsten kommt, und das Instrument das schönste, das der menschlichen Stimme am ähnlichsten ist. Ein junger König und ein alter Minister sind gemeinhin dem Staate nützlicher, als ein junger Minister und ein alter König. Gehe nicht auf fremden Füßen, denke nicht mit bezahlten Köpfen, verdiene dein Brod nicht mit deines Nächsten Händen, höre und sieh mit eigenen Ohren und Augen, so wird es dir wohlgehen und du lange leben auf Erden. Nur der ist frei, der die Freiheit des andern ehrt. Leidenschaften stecken an; sie sind Tyrannen, die alles stürzen, was ihnen im Wege ist. Vergrößere dich nicht auf Kosten anderer. Der Neid genießt so wenig, wonach er strebt, als der Geiz; er schadet, wenn[198] er gleich sich selbst nicht nützen kann. Weiche vor ihm, wie vor einer Kohle, die, wenn sie nicht brennt, schwärzt. – Freunde sind Zeitdiebe; Feinde lehren uns die Zeit auskausen und uns in sie schicken. Freunde stärken uns im Guten, Feinde ma chen, daß wir Fehler meiden. Frühe Reue ist Herzens-, späte Reue ist Verstandesrene; wenn beide zusammen sind, wird es göttliche Traurigkeit, die niemand gereut. Furcht macht den Gegner dreist; Muth ist ein Schwert, das nicht schlägt, doch das Schwert des Thoren und des Frevlers in der Scheide hält. Zu viel Kraft wirkt Ohnmacht. Messer, die man braucht, sind blank, die im Schranke stehen, greift der Rost an. Es gibt Dinge, wo um Verzeihung zu bitten unverzeihlich ist. Eigensinn und Festigkeit ist zweierlei. Nicht verfeinerte List, Tugend ist die Quelle menschlicher Glückseligkeit. Es blühe uns diese Rose von Jericho, und neben ihr die bescheidene Blume je länger je lieber! – Gott ist ein Wesen, das aus Weisheit Thorheit schafft. Wo sind die Vernunftgründe, die uns zu bestimmen im Stande sind die Tugend vorzuziehen, wenn es keine Aussicht jenseits des Grabes gibt? Alles lebt in der Natur. – Ist der Tod nicht Leben, so führt er dazu.

Mit diesen Worten endet sich der Unterricht; und wer von meiner Leserwelt in diesem Unterrichte vergebens den Unterricht sucht, und in diesem Garten nach dem Garten fragt, den frage ich, ob er die Geschichte von Lysias wisse? Lysias hatte eine Rechtsrede für einen Freund aufgesetzt. Zum erstenmal schien sie dem Freunde vortrefflich, zum zweitenmal mittelmäßig, zum drittenmal fand er sie matt und des Ausstreichens werth. Lysias lächelte. Werden denn die Richter sie mehr als einmal hören? sagte er zu dem Freunde.

Da der Orden des heiligen Grabes nicht nur Chorherren, sondern auch Chorfrauen hatte, und unserm Ritter nicht entgangen war, daß diese Chorfrauen Klöster in Spanien, Deutschland und andern Gegenden gehabt; so gab er sich nicht wenig Mühe, diesen[199] regulirten Chorfrauen des Ordens nachzuspüren. Die Endabsicht war Sophie. Je mehr sich Sophie versteckte, desto größer war seine Sehnsucht; je entfernter sie schien, desto näher suchte er sie sich zu bringen. Es war kein gemeiner Gedanke, sein Ideal von Sophien malen, und ihm ein Chorkleid der regulirten Chorfrauen vom Orden des heiligen Grabes anlegen zu lassen. Da Michael ihn ersuchte, ihm eine ähnliche Malerei in Rücksicht der Begleiterin zu verstatten, so bewilligte er die Kosten, und Michael hatte das Glück, die Begleiterin als Pförtnerin im angemessenen Ordenskleide zu sehen und sich manche herrliche Stunde mit diesem Bilde, trotz seinem Herrn, zu machen. Zwar behaupten einige der ritterlichen Collegen unseres Helden, es gebe wirklich im Orden noch Chorfrauen; indeß war dieses Ordenshaus ihnen nicht auf der Spur.

Ob übrigens dieß oder andere Umstände den Ritter und seinen Knappen bewogen, unbeschadet der tiefsten Verehrung, die sie für den Grabesorden und seinen geheimen, wiewohl nur theoretischen Unterricht hatten, ihren Stab weiter zu setzen, kann ich nicht bestimmen. Unser Held wollte in Ordenssachen von A bis Z kommen; ist es ihm zu verargen, daß er zum Orden Sinai, Karmel, Tabor, und sodann des Thales Josaphat, zu schreiten sich entschloß? Vielleicht daß ein glückliches Ungefähr, dacht' er, mich zur Praxis und zu jener höhern Region führt, die ich durch meine Vorbehalte verscherzte. – Doch ehe wir diese Berge und Thäler ab- und aufsteigen, will es die Lebensart, wenn es auch die Neugierde nicht wollte, daß wir uns nach den Chordamen dieser Geschichte umsehen, die uns zwar aus den Augen, nicht aber aus dem Sinne gekommen sind. Treffen wir auf diesen Wegen in Rosenthal ein, warum sollten wir nicht von Pastor Gamaliel und dem Heraldicus junior auf Extrapost vernehmen, wie sie sich bei ihrem Hange zur Freiheit und zu Geheimnissen befinden? Was die


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 185-200.
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