140. Ritterin

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§. 140.


Ritterin

betrifft, so konnte dieß edle Weib nicht ermüden, ihrem Sohne so viel Geld zu übersenden, als er verlangte. Sie war nicht von der Art des Emsigen, der das Geld zu etwas erhoben, gegen das man Pflicht habe und haben könne. – Fest überzeugt, daß ihr Sohn die von ihr verlangten, unglaublich großen Summen zu nichts als ritterlichen Uebungen anlege, war sie sogar fröhlich über jede Gelegenheit, die sie hatte, ihm Remessen machen zu können. Die Freude wirkt so stark auf das menschliche Herz, daß sie oft die Qulle aller Tugenden ist. – Um diese Freude vollkommen zu machen, fügte sie jedem Wechsel den stillen, heißen Wunsch bei, daß ihr Sohn auf diesen Ritterwegen Sophien fände, in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit! Sie hatte seit der Zeit freilich nicht so viele Freier wie Penelope; doch begegnete sie ihnen auch anders als Madam Ulysses. Unter ihren fünf Anwerbern war auch der dritte Kastenassessor, der nach dem sausten und seligen Ableben seiner Frau Gemahlin mit den Holländerzähnen die fünfzigtausend Thaler ohne Zinsen auf einem andern und sicherern Wege zu suchen sich Mühe gab. Er hatte seine Feder zu einer galantern Schreibart gemodelt, als es jene war, die er sich in der harten Rede herausnahm, welche er dem Herrn Senior unterschob. Die Ritterin konnte sich des schalkhaften Gedankens nicht enthalten, wie doch König David und sein Herr Sohn Salomo die wohlselige Frau Schwester in der ewigen Freude und Herrlichkeit empfangen würden, da sie ihnen diesseits die Ehre der Ritterwürde so geradezu abschlug. Es ist natürlich zu erklären, daß unsere Wittwe dem dritten Kastenherrn kein geneigtes Gehör verstattete. Alter Haß rostet so wenig wie alte Liebe. – Wie, wenn es aber der jüngste Kastenassessor wäre? – Und der? – würde ohne Zweifel keine, oder wenige Steine des Anstoßes finden, weil[201] er Sophien zur Firmelungszeit, und als sie dreimal mit wohlriechendem Wasser aus einer Patene besprengt ward, mit Trost beisprang; weil, wenn gleich ihr Vatername nebst dem e und dem Punkt auf dem i an ihrem einfachen Vornamen mit Tinte ersäuft war, er sie doch gegen sein häßliches, sechzehn Ahnen und vier Vornamen reiches, und sich ohne Fleck im Grünen befindendes Weib, ohne einen Dreier Zugabe, zu vertauschen entschlossen war! Wer ist dieser Meinung? Leser oder Leserin? Ich wette, der männliche Theil meiner Leserwelt. Siehe da! auch die Gemahlin des jüngsten Kastenassessors hatte sich durch den Tod verschönert, und die häßliche Baronin war, wie wir nach der Liebe hoffen, in einen schönen Engel verwandelt. Auch hatte der jüngste Assessor, um der Präclusion rechtskräftig auszuweichen, keine Zeit versäumt, sich zu melden. Er ermangelte nicht, zu behaupten, daß die Beibehaltung des Namens und die Aehnlichkeit, die er mit seinem in Gott ruhenden Herrn Vetter hätte, die zweite Ehe höchstens nur als die zweite Auflage eines Buches darstellen würde. Wenn die Sonne, fügte der Anwerber hinzu, gegen den Regen scheint, entsteht ein Regenbogen, ein Zeichen der Gnade. Und die Antwort der Wittwe? – war und blieb nein. Viel von einer Wittwe, die nicht nur reizend, sondern bezaubernd war, und der es gewiß nicht gleichgültig seyn konnte, zu wissen, daß sie geliebt ward! Liebe ist der Weg zur Gegenliebe, besonders, wenn diese jener werth ist. – Als Mädchen war Sophie schön, jetzt war sie erhaben. – Vielleicht müßte, mit Erlaubniß der Herrn Maler und Bildhauer, selbst Göttin Venus nie in zu großer Jugend und in sehnsuchtsvollem Zustande (welcher den Teint, es sey durch Röthe oder Bleiche, verdirbt), dargestellt werden; – wie Sophie, glaubt mir! wie Sophie. – Wahrlich, es war eine Würde in ihrer Figur, die sie überall zur Alleinherrscherin macht, und doch nie anders, als durch zuvorkommende Güte. Selbst unter ihren Unterthanen herrschte sie nur so; was[202] sie befahl, hatte die Form einer Bitte. Man sagt, feine Kunst verstände bei mehreren Jahren die Grazien verführerischer zu ersetzen, womit die Natur die Jugend, ohne die Kunst zu bemühen, ausstattet. Die Ritterin war noch immer ein wohlgezogenes Kind der Natur; auch in ihrem spätesten Alter wird sie keine andere Göttin haben neben ihr. Zwar schienen, wiewohl in anderer Rücksicht, Ritterin und Natur zuweilen uneins zu seyn; doch behielt die Natur den Sieg. Nach dem Ableben des ahnenreichen Gemahls war nur selten Streit zwischen Kunst und Natur, zwischen Weib und Baronin. Ein gewisses Ebenmaß, das nichts weniger als peinlich war, legte dem edeln Weib eine Majestät bei; das Ungesuchte in ihrem Anzug ließ dagegen eine gewisse leichte Ordnung – (Unordnung wäre ein zu starker Ausdruck) – spüren, die entzückte. – Ihr Anzug bekeidete sie nicht, er umfloß sie. – So umschweben Gewänder die Göttinnen, wenn sie gemalt werden – Kann man Göttinnen anders als im Deshabillé sehen? Um nicht in den Verdacht zu fallen, ich sey (wie dieß oft der Fall mit Schriftstellern seyn soll) in sie verliebt – will ich abbrechen. Ihre abschlägigen Antworten wurden mit mehr Grazie gegeben, als bei tausend andern das Jawort. Ueberhaupt verstand sie nein zu sagen auf eine Weise, die unnachahmlich ist. Ich bin nicht Wittwe, sagte sie. Das Andenken meines Gemahls lebt in mir. – Wenn man die Hauptflüsse in Erwägung nimmt, die den wohlseligen Ritter zeitig befielen, ist fast nicht mit Gewißheit vorauszusetzen, daß sie durch seine persönliche Abwesenheit nicht viel verlieren konnte?

Wahrlich, die Heldin unseres Helden, Fräulein Sophie von Unbekannt, kann die Gesellschaft Sophiens ohne e und den Punkt auf dem i nicht lange mehr missen, wenn sie nicht zu sehr in dieser Geschichte verlieren will. – Niemand ist weniger schuld daran als ich. – Zwar weiß ich, daß aufbrausender Enthusiasmus in der Liebe das Herz nicht selten zu Erwartungen verleitet, die äußerst[203] schwer zu erfüllen sind; doch muß alles, Warten und Erfüllen, Hoffnung und Genuß, seine Zeit haben. Ober ist vielleicht


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 200-204.
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