§. 144.


Bergorden?

[215] Freilich weder auf Moria noch auf Garizim ist den Menschen zu helfen; denn es ist eitel Betrug mit allen Hügeln und Bergen, den Berg aller Berge, der jetzt in Paris Gesetz gibt, nicht ausgenommen. Cultivirt der Mensch nicht seine intellektuellen Kräfte, bleibt sein Charakter unveredelt, erhöht er sich nicht zum Selbstgenuß,[215] was helfen Thäler und Berge? Doch soll Schwärmerei auf Gebirgen Hütten bauen? Ist das Empfehlung? Ist in gigantischen Systemen von Schwindelei und in änigmatischen Vorträgen nicht mindestens eine Art von Kraftanstrengung, von Seelenerhebung, wie auf unsern Bergen? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Fängt man doch Wallfische mit Tonnen, sagte einst Johannes, warnm sollte man im Orden sich mehr Mühe geben, wo gemeinhin nichts weniger als Wallfische zu fangen sind! So viel ist gewiß, daß viele der Vergiften zu wissen glaubten, was sie nicht wußten, und diese wollten andere in der Unschuld ihres Herzens glauben machen, daß sie wüßten. Viele von den Bergen, so scheint es mir, hatten sich nicht einmal die leichteste Mühe von allen gegeben zu glauben: es fehle ihnen an Zeit, weil sie nichts zu thun hatten. Doch gibt es Thorheiten, wel che wegen der hohen Zuthat, die man hineinzulegen gewußt hat, nicht hassenswürdig sind; an Liebenswürdigkeit würden sie grenzen, wenn nicht Faulheit ihr Hauptingrediens wäre. – Und wie? ist der Mensch nicht Glaubensgeschöpf? glaubt er nicht von Kindesbeinen an, bis er zum wirklichen Grabesorden kommt, wo es wahrlich am Glauben nicht gebrechen muß? – Laßt gut seyn! Gewisse Schwärmereien sind fast unschädlich, sie verfolgen heißt sie befördern. Wer ein politisches Gebäude stürzen will, wird nicht die Zinne desselben ersteigen und mit einem Brecheisen seinen Endzweck kund und zu wissen thun allen, denen daran gelegen und nicht gelegen ist – unmerklich wird er es untergraben, damit es bei dem Sturz so aussehe, als hätte die Zeit es gestürzt. Man mache den Hypochondristen krank, damit er einsehe, was krank seyn heiße, und er wird gesund werden. Probatum est. Man lasse den Hypochondristen hypochondrisch seyn, denn er weiß sonst nichts mit sich anzufangen. Auch probatum est. – –

Bei jedem Grad des Ordens, bei jedem neuen Orden hieß[216] es: nach Eleusis! Die Processionen, die an diesen und jenen heiligen Ort gingen, hatten für unsern Ritter und seinen Knappen (wahrlich es war ein guter Glaubensschlag von Menschen!) etwas Verführerisches. Fast alle Menschen wollen die andere Welt nicht hoffen, sondern sehen und schmecken, besonders aber ist die liebe feurige Jugend äußerst himmelsüchtig, am besondersten, wenn sie verliebt ist. Sophie und die Zofe gehörten ohnehin zur unsichtbaren Welt. – Auch gibt es gute Seelen, die den Himmel wie eine Promenade ansehen, um sich dort zu erholen, wenn ihnen dieß Leben anekelt oder sie seiner Tage Last und Hitze getragen haben. Unser Ritter hatte, freilich auf Anrathen seines Johannes, Mosen und die Propheten, die Physik und Chemie zu seiner Zeit ganz gut studirt, doch selbst die Ohnmacht dieses Studiums brachte ihn zur Allmacht der sogenannten hohen Chemie und hohen Physik. Kenntnisse leicht und spielend zu fassen, die doch so viel reichlicher lohnen! Wirklich! Freilich angeblich, was hält aber Wort in der Welt? Ist es zu läugnen, daß in uns ein Zutrauen zu unbekannten Kräften liegt? Wer kennt die Gottheit? – Man wollte dem Ritter und seinem Knappen alles augenscheinlich beweisen und sie schmecken und sehen lassen. – Kann man von Menschen mehr fordern als redlich wollen? Gibt es, wie man nicht ganz abläugnen kann, angeborne Ideen, sagte der Ritter, ist alles Erforschen, Erlernen und Wissen Erinnerung, und findet sich hier und dort und da die selige Stunde, da wir lernen, was wir wußten, vielleicht (ein wonnereiches Vielleicht!) sind Sophie und ihre Begleiterin, die wir in der Weite suchen, in der Nähe. Freilich nahm sich in den durchkreuzten Orden die Einbildungskraft fast immer heraus, das Experiment zu machen, ob sie gleich in der Regel von jedem Experiment gewissenhaft entfernt und abgesondert seyn sollte; doch merkten es entweder unsere Candidaten nicht oder sie wollten es nicht merken. Was verlier' ich, dachte der Ritter?[217] Nichts als Geld. Und ist dieß nicht da, um verloren zu werden? In der That, unser A B C konnte sich bei allen Ordensweihen mit der Reinheit seiner Absichten beruhigen; und da seinen Vorurtheilen und seiner Sinnlichkeit (beide nicht böser Art) geschmeichelt ward, fand er sich im Thale Josaphat übel? und wird es ihm auf den Bergen mißfallen?

Was ich längst hätte bemerken können, ist, daß er sich nie auf das Gold- oder Juwelenmachen einließ. Er verbat sogar diesen Unterricht mit Bescheidenheit und substituirte nicht nur diesen, sondern vielen andern Geheimnißverheißungen – Sophien. Ob er sie auf den Bergen finden wird, wo man freilich weit herumblicken kann –? Michael, der gewiß die Zofe so zärtlich liebte, wie sein Herr Sophien, war mit diesem Gold- und Diamantenverzicht unzufrieden, und äußerte die nicht ungründliche Meinung, daß sich Gold und Juwelen mit Sophien und ihrer Zofe wohl vertrügen. Michael, sagte der Ritter, schämst du dich nicht, mit verbundenen Augen sehen und mit verstopften Ohren hören zu wollen? Der Knappe erwiederte: Ew. Gnaden haben mir selbst von einem Knaben erzählt, der nach einem Hunde warf und seine Stiefmutter traf. Auch nicht unrecht, sagte der Knabe. – Da die Receptionen auch da bezahlt wurden, wo es Gold und Juwelen regnete, was meint man: ob der Ritter oder der Knappe im Punkte des Goldes und der Juwelen Recht habe? Nach Eleusis!

Von allen nur drei, sieben, neun bis zehn Worte. Bei der Aufnahme auf


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 215-218.
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