§. 145.


Karmel

[218] ward, wie schon sonst, ein erschütterndes Getöse gehört. Die Erde bebte und die schrecklichen Situationen, in die der Aufzunehmende gesetzt ward, endigten sich mit den sanften Strahlen des Phöbus.[218] – Nichts neues vom Jahr. – Man kann Nebenabsichten haben und doch Gutes befördern; man kann keine Absicht haben und doch etwas zu Stande bringen, was nicht allein nicht übel, sondern heilsam und gut ist. Der Operationsplan auf Karmel war so versteckt, wie fast in allen andern Orden und Graden. War es Wunder, daß unser Ritter den Plan von Karmel aus der Aufnahme nicht abnehmen konnte? Lag es am Karmelorden oder am Ritter, daß er nicht tiefer eindrang? Der Ritter selbst macht sich in der Glosse den Vorwurf, dieß Werk mit zu wenig Lebhaftigkeit betrieben zu haben, um davon reife Früchte zu ziehen. Kann Karmel für diese zu wenige Lebhaftigkeit?

In einem Grade des Karmelordens ward die Kunst gelehrt, mit allem zu reden, die Zunge allem, was Zunge hat, zu lösen und sogar alles Leblose in der Natur zu verstehen. Ein allerliebstes Conversatorium! Laß uns hier, liebe Leserwelt, mit Dank erkennen, daß wir im Grabesorden unter andern die Farben- und Zeichensprache lernten, wovon man durch eine gleichzeitige oder successive Verbindung und Vermischung eine gewisse Melodie und Harmonie schon im gemeinen Leben herausbringen kann. Armes gemeines Leben! deine Regeln der Ordnung und Uebereinstimmung gaben gegen die heilige Farbensprache kaum ein Buchstabirbüchlein ab, da man im Grabesorden lange Farbenreden zu halten ganz unbedenklich fand! – Und was gilt diese Kunst gegen die Sprachlehre auf Karmel? Sie war eine der allerseltsamsten und schwersten. – Unser Ritter, durch mancherlei Kunstvorfälle derselben überrascht, wußte nicht, ob nicht wirklich der Kirschbaum ihn zu Gevatter und die Eiche zur Leichenfolge bat; ob die Tanne ihn nicht vor Unglück gewarnt und die Birke ihn bedauert hatte. Ein schöner Bach unterhielt den Ritter mit den Gedanken, Worten und Werken seiner angebeteten Sophie von Unbekannt, er kam geraden Wegs von ihr. Obgleich der Ritter den ihm sonst so lieben Bach nicht[219] verstehen konnte, so viele Mühe er sich auch gab, so war doch vermittelst eines Ordenstranslateurs ihm alles verständlich. Man versprach ihm ein Universallexicon, welches er bei so vielen Zungen und Sprachen im Segen zu brauchen im Stande seyn würde, doch findet sich ein NB. in den Nachrichten:

»Nicht erhalten!«

Auch hatte der Ritter die Ehre, einen geheiligten Papagei kennen zu lernen, der auf alle Fragen, wohl zu verstehen, in der weltüblichen Sprache antwortete. Er verstand Deutsch, Französisch und Italienisch. Z.B. was denkt der Neuaufgenommene vom Karmelorden?

Der Papagei. Er ist unentschlossen.

Wird sein Glaube gestärkt werden?

Ja! sagte der Vogel, ob ich gleich, seiner Heiligung unbeschadet, in meinen Nachrichten Ursache zum Nein finde. Vom Orden auf


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 218-220.
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Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis Z
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