§. 150.


möglich;

[245] und braucht es mehr? Freilich ist zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit eine große Kluft befestigt; doch hat die Möglichkeit nicht dieselbe Null-Eigenschaft? Null bedeutet nichts, wenn sie vor, und viel, wenn sie hinter der Eins sich befindet. Hat die Möglichkeit keine Wirklichkeit mit oder ohne Protokoll vor sich, was gilt sie? Hat sie aber deren eine solche Menge, als die Möglichkeit der Mensch- und Geisterverbindung, was bedarf es mehr? Ist nicht Freude im Himmel über Einen Sünder, der Buße thut? Sind die Engel der Kinder nicht die Ersten in ihrer Ordnung? Warum sollen Geister ohne Leib sich nicht an Geister mit Leibern gewöhnen? Und warum ihnen nicht Kräfte der Natur entdecken, auf die sie nicht ohne die Geisterwelt gekommen wären? Die größten Erfindungen fielen ihren Urhebern aus dem Aermel. Wahr! Und warum also? Weil höhere Geister in sie wirkten. – In Parenthest: Newton schrieb aus schuldiger Dankbarkeit über die Offenbarung Johannis; und – – Wie weit es Menschen bei dieser Verstärkung bringen können, ziemt uns nicht zu erforschen, obgleich vielen die Bücher der Vergangenheit und der Zukunft aufgeblättert vor Augen lagen. – Einwendungen: Wie? Sollten Geister [245] durch Gebete, Beschwörungen, Formeln sich zu Erscheinungen herablassen? Wie? Aus Neugierde, aus Neigung zu den Menschen. Was thut man nicht eines Schooßhündchens wegen? Erscheinen bloß gute oder auch böse Geister? Und wie sind diese Geister zu unterscheiden? Gleich und gleich gesellt sich gern; ganz böse, Freund, ist kein Geist und kein Mensch. – Die Teufel glauben auch, und zittern.

Die Magier, denen Geister dienten, oder besser, um die sich Geister verdient machten, waren sie Newtons? – – Cagliostro's waren es; nicht Erfinder im Reiche der Natur, sondern Schwarzkünstler. Ei Lieber! was sagst du vom Sokrates, der seinen Dämon so deutlich sah, wie ihn Newton und andere Weise seiner Art bloß undeutlich in der Offenbarung Johannis erblickten? Sehen und nicht sehen, thut hier nichts zur Sache. Cagliostro, Schröpfer und – – – gaben vor, zu seyn, was sie nicht waren. Die sich Theosophen und Magier nennen, wollen es seyn, ohne daß sie es sind; und wenn gleich allerdings bei der Lehrgabe der Geister das Ziel näher ist, so wird doch kein gerechter und ächter Magier die Weltweisheit verachten.

Wer weiß, ob man wirklich Erscheinungen hat? War es nicht bloß Spiel der Phantasie? Freund! hast du nie in deinem Leben ein: Steh, Wanderer! ein Halt empfunden, ohne zu sehen? Eilten dir nicht oft Schnellboten von Winken voraus? Ergriffen dich nicht Ahnungen, wo du zum Sterben verlegen warst? Sollten alle die Knoten, die sich in deinem Leben (keins ist ohne Knoten) schürzten, und die sich lösten, lauter Ungefähre seyn? Nun, so nenne Ungefähre anders, und der Apostelorden hat sein Spiel gewonnen.

Warum sucht man die Sehsüchtigen zuerst zu blenden, ehe man erscheinen läßt? Warum im Rauch?[246] Warum um Mitternacht? Warum berauscht man Körper und Seele? Freilich sind Vorbereitungen dieser Art nichts Wesentliches, und ächte Magier machen es eins, zwei, drei, – (Ein Sprichwort aus dem Innersten der Magie). Hat aber Feierlichkeit nicht Einfluß auf unsere Kräfte? Gehört nicht Anspannung dazu, mit hohern Wesen umzugehen? Bereitet man sich nicht auf Gäste von Bedeutung vor? Ist nicht vielleicht dem Körperchen des Geistes eine gewisse Atmosphäre nöthig, und eine Art von Augenschirm? Soll, des Täuschers und Gauklers halber, der ehrliche Mann leiden?

War es denn ein Geist, was ich sah? Mein wenigster Kummer! Aus seinen Früchten sollst du ihn erkennen. Ist es möglich, daß ein Geist in dir Vorstellungen erregen und daß du dich davon überzeugen kannst; was willst du mehr? Sind die Wirkungen der Erscheinung von der Art, daß sie nicht von natürlichen Kräften abgeleitet werden konnten, so bist du im Besitz einer Regel für's Haus von der Richtigkeit der Erscheinung, und wendet man dir ein, ob du die Grenzen von den Kräften auf dem Wege der Ordnung kennst, so wirst du wenigstens so lange, bis dir diese Grenzen abgesteckt sind, die Erlaubniß haben, zu glauben. – Und wem? Dem Geiste, der, wenn er ein Mensch wäre, freilich in seiner eigenen Sache kein Zeugniß ablegen könnte. – Ist er aber ein Mensch? Der Allselige sprach: »Und stehe da! es ist alles sehr gut.« Wenn Menschen allselig thun, was denkst du von ihnen? – Oder verdient etwa ein höheres Wesen nicht Glauben, wenn seine Belehrungen dir heilsam waren? Dieser Erkenntlichkeit sollt' es unwürdig seyn?

Wunder haben keine Beziehung auf das, was sie beweisen sollen. – Kann seyn! Wenn aber Wunder nur Wunder seyn, und nichts weiter als sich selbst beweisen wollen? – – –

[247] Die Vorlesung über das alte, neue und neueste Platonische Testament ist zu weitläuftig, um sie mittheilen zu können. Daß man hier nicht wie in Rosenthal für das Alte, sondern für das Neue und Allerneueste war, bedarf keiner Bemerkung. Obgleich der Neuplatonismus schon ein Gemisch von Pythagoreischen, Aristotelischen, Platonischen und Gott weiß von was noch sonst für Ideen war, so schien der Neueste ihn doch an Toleranz übertreffen zu wollen. Gnostik, Kabbala, morgenländische Philosophie, Judenthum und Christenthum sind uns homogen, um allen allerlei zu seyn. Zwar entstand der Neuplatonismus, um zu Schutz- und Trutzwaffen gegen das Christenthum zu dienen. So wie indeß Clemens von Alexandria die wahre Gnosis von der falschen unterschied, und die wahre in die höchste christliche Vollkommenheit setzte, so kann die heidnische und jüdische Philosophie, wenn sie sich taufen läßt, ganz unbedenklich zum Christenthum aufgenommen werden.

Moses machte die Mysterien der ägyptischen Weisen und Gelehrten zur Volksreligion, und das Christenthum ist nicht weniger eine Religion der Aufgeklärten. Moses entsinnlichte die heidnische Religion, deren Gottheiten sinnliche Gegenstände waren. Und die christliche Religion, geht sie in ihrer Entsinnlichung nicht noch weiter? – Will sie uns nicht voll kommen haben, wie der Vater im Himmel vollkommen ist? Und erhebt uns nicht die Theurgie oder Magie zur Gottheit und zu seinen Bevollmächtigten, zu wirklichen Kammerherren mit Schlüsseln, die Natur auf- und zuzuschließen? Den Zusammenhang und die Harmonie zwischen Irdischem, Himmlischem und Ueberhimmlischem einzusehen, sich zu entsinnlichen, und ein gottseliges, von der Welt entferntes Leben zu führen, nicht nur ein wackerer, fester Mann zu seyn, sondern sich noch außerdem höhere übernatürliche Kräfte hierdurch zu erwerben, das ist unser Beruf.

Vater Plato nahm besondere Arten von Fegfeuer an, wodurch[248] die Seele von ihren Schlacken gereinigt werden könnte, von welchen ich ihm denn die Seelenwanderung in weibliche Körper nicht verzeihen kann. Wahrlich, Plato hat keine von den beiden Sophien gekannt, die du kennst. – Schade! der Name Sophie brachte unsern Helden so in Verwirrung, daß er von der Platonischen Aehnlichwerdung Gottes, von der Entsinnlichung und der Weltüberwindung durch Tugend wenig oder nichts vernahm.

Laß uns, sagte der violette Mann, Plato's Lehre folgen, und wenn nicht durch Abstraktion und Mathematik, so doch durch Mäßigkeit, Standhaftigkeit und andere theurgische und göttliche Tugenden uns gewöhnen, unsere vernünftige Seele vom Körper zu entfernen, und uns je länger je mehr überzeugen, daß, so wenig Gott stirbt, auch unser Geist nicht sterben könne und werde. Wir sind seines Geschlechts, durch ihn vermittelst besonderer Emanation erzeugt. – Sein Geist, das heißt, die uns angebornen Ideen, zeugt in uns, und wir sind alle inspirirt. – Die


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 245-249.
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