154. Tête-à-tête

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§. 154.


tête-à-tête

noch länger ausgesetzt worden, sie würden vergangen seyn vor lauter Hoffnung. Man sah wie wenig beide das sinnliche Vergnügen von der Bestimmung des Menschen ausschlössen und wie weit sie noch im alten, neuen und neuesten platonischen Testamente zurück waren. – Die Stunde kam. – Sophie! – war alles, was der Ritter sagen konnte, und Sophie erwiederte: Ritter! Die stumme Scene dauerte länger als man denken sollte. Sie haben sich verändert, sagte Sophie, und brach dieß Stillschweigen. Sie nicht, erwiederte der Ritter. Er nahm das Porträt von seinem Busen und küßte es, entzückt über den Umstand, daß Sophie so Zug für Zug getroffen wäre. In der That waren ähnliche Züge im Originale und in der Copie nicht zu verkennen. Wenn Leute in der Raserei griechisch redeten oder Verse machten, was sie in Stunden der Besonnenheit nicht vermochten und ihr ganzes voriges Leben hindurch nicht vermocht hatten, warum sollte die Liebe hier nachstehen, da sie, wie Michael meinte, nicht wie der Zorn eine kurze, sondern eine vernünftige Naserei ist? Sophie und der Ritter konnten sich nicht genug ansehen, und es war natürlich, daß wenig Zeit zum Gespräch übrig blieb. Sie fing vom Orden der Verschwiegenheit und von der Adoptionsloge an, allein der Ritter brach schnell ab, weil er seit der Zeit so viele Orden und Grade durchgegangen war, daß es ihm kaum zu verdenken gewesen wäre, wenn er wie weiland der Werbehauptmann, als ihm der Ritter den ersten Grad des Verschwiegenheits-Ordens anbot, aus vollem Halse gelacht hätte. Ach Sophie! sagte er, ich könnte böse auf alle meine Ordensverbindungen seyn, weil sie mich so glücklich nicht werden ließen, Sie zu finden. Die gleichgültigsten Dinge, denen die Liebe wie bekannt oft das größte Interesse und eine fast unglaubliche[264] Wichtigkeit beizulegen gewohnt ist, füllten die Stunde aus, und ehe noch der Ritter fragen konnte: wie Sophie zum Nachbar gekommen, was es mit der Krankheit der Nachbarin für eine Bewandtniß gehabt, warum sie so eilig jene Gegend verlassen, kam der Engländer und bat, die Unterredung zu schließen. Die Zeit, sagte er, ist verflossen. Wie schwer für den Ritter! Sophie verstand den Ritter, denn sie war in eben derselben Lage. Sie konnte nicht umhin, dem Geliebten einen Blick des Trostes zuzuwerfen, und hiermit auf heute geschieden. Du bist


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 263-265.
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