§. 163.


Mutter

[276] schob die Reise einen Tag auf; zwar nicht Sophiens; – diese reiste gerade zum Altar, begleitet von dem vertrautesten Freunde unseres Helden. Der Brief enthielt die Schlußantwort für den Engländer, der edlen Sophie völlig angemessen. Sie beschwor ihn bei jenen jugendlichen Freuden, welche Freude und Unschuld veranlaßt hätten, nicht in sie zu dringen. Ihr Entschluß war unerschütterlich;[276] doch, fügte sie hinzu, wird es mir Freude machen, einen alten Freund wieder zu sehen – Der Ritter traf den Engländer in keiner seligen Stunde. – Sophie quälte sein Gewissen. – Er war eben aus dem engsten Ausschusse der Apostelversammlung zu Hause gekommen, wo man lettres de cachet verabredet hatte, um die falsche Sophie zu entfernen. – Hatte dieser wunderthätige Ausschuß keine andere Wege, dieß Ziel zu erreichen? Der Engländer las mit augenscheinlichem Entzücken; wenn gleich sein Plan zu einer ehelichen Verbindung abgeschlagen ward, so begeisterte ihn doch die Art, womit Sophie abschlug. Er umarmte den Ritter und drückte ihn fest aus Herz. Sophie – (mehr könnt' er nicht sagen) Sophie ist nicht Sophie. Der Ritter, der diesen Ausdruck auf seine Mutter deutete, erwiederte: Sie ist es wahr und wahrhaftig. – Ach! Sohn und Bruder, wie erschein' ich in deinen Augen! »Als mein Freund, als mein Führer, was ich nie vergessen kann und werde.« Dieß rührte den Engländer noch mehr, und er schloß dem Ritter nicht nur das Geheimniß mit der falschen Sophie, sondern auch so manche Vorgänge im Orden der Apostel auf. – Grauen und Entsetzen überfiel den Ritter, der sich es nie hätte einbilden können, daß Menschen im Stande wären, Menschen auf diese Weise zu betrügen. Schon wandelte ihn der Gedanke an, daß vielleicht die ganze Apostelwürde ein auf seinen Zustand eingerichteter Orden wäre; der Engländer betheuerte indeß, daß nur einige Episoden zu diesem großen Werke des Ritters wegen dazu gekommen wären. Viele Dinge, fügte er hinzu, sind mir selbst in diesem Grad unerklärlich; doch ist kein Zweifel, daß die Zukunft mich zu mehreren, meinen jetzigen Horizont übersteigenden Dingen führen wirb. – Gewiß existirt eine noch höhere Region, wo Wunder über Wunder sind. – – Der Engländer war bei weitem nicht am letzten Ende des Aufschlusses, und ich wette, es war's keiner, auch nicht Einer. – Die Ehrlichkeit,[277] womit der Vater und Bruder dieß sagte, hätte freilich den Ritter mit dem Orden völlig aussöhnen können; indeß nährte er den Argwohn, daß man bei Aposteln, die einmal Episoden in ihr System aufnähmen, nicht wissen könnte, woran man wäre und wo diese Episoden anfingen und aufhörten! Die Reue des Engländers, der sich, seiner Geistigkeit unbeschadet, bei dieser Gelegenheit etwas fleischlich betragen hatte, konnte das Zutrauen des Ritters nicht gewinnen, der ein Feind aller Heuchelei war. Beide kamen darin überein, daß Mutter Sophie weit eher den Apostelnamen verdiene, als viele Väter und Brüder Episodenliebhaber. Michaeln schlug die fehlgeschlagene


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 276-278.
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Kreuz- und Querzüge des Ritters A bis Z
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