§. 164.


Entführung

[278] so außerordentlich nieder, daß sein Herr Mühe hatte, sein völlig verstimmtes Gemüth in den gehörigen Stand zu bringen. Vielleicht, sagte er, ist die jetzige Reue des Engländers eine stärkere Episode, als seine bereute Versicherung. Ist es nicht schwer, zu erklären, wie eine Begleiterin, die mit dem Ideal, das man malen läßt, so pünktlich übereinstimmt, nicht die rechte Begleiterin seyn soll? Er verlangte, der Engländer sollte beweisen. – Was denn? fragte der Ritter, kann man den Augenschein beweisen? Wenn ich nur wüßte, sagte Michael nach einer Pause höchst betrübt, wenn ich nur wüßte, wiederholte er, ob ich je die ächte Begleiterin finden werde! Ich will Verzicht thun auf das Glück, in ihr die Tochter eines vornehmen Geistlichen zu treffen, die, wenn sie gleich vertauscht war, doch immer ein seltener Vogel bleibt. Tochter einer Schauspielerin! sagte der Ritter; Tochter vielleicht eines Papstes, eines Cardinals. Mindestens eines Bischofs, erwiederte der Knappe. Beide sanken in jene besondere Art von Schwermuth, welche die[278] Liebe des Leibes und die Verachtung der Seelen an geliebten Gegenständen bei unserem Geschlechte nach sich zu ziehen pflegt. – Schreckliche Lage! sie kam dem Herrn und dem Begleiter so hoch zu stehen, daß ihretwegen zu fürchten war. – Kein goldener Spruch des Pythagoras war kräftig genug, sie aufzurichten. Bei allen Episoden des Apostel-Ordens schien sein Wink zum Einsiedlerleben ihnen erwünscht. Ihr Entschluß war, die Venus Urania im Geiste anzubeten, der Welt des Fleisches abzusterben, in gänzlicher Abgeschiedenheit Ambrosia und Nektar zu kosten, mit Gott umzugehen und höchstens mit Engeln ein Kränzchen zu halten, mitten in der Sinnenwelt in einem wundervollen Lichte zu wandeln, im Schimmerlichte des Elysiums das Auge des Verstandes zu schonen u.s.w. – – als ob ein Platoniker sich nicht an Ideen ärger den Kopf verderben könnte, als ein Schwelger durch Lesung eines neuen Kochbuchs den Magen! Als ob! – –


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 278-279.
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