87. Michael

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§. 87.


Michael

geschickt, den Junker zu begleiten? Michael war so wenig ein Jadiener, als der Junker ein Jaherr. – Der letzte hatte seine Partie genommen, und ich stehe dafür, Michael wird auch die seinige ergreifen. Bei viel Gutmüthigkeit, besaß er die Gabe, jede Sache von der natürlichen, vielleicht eigentlichen Seite zu nehmen, und sie von aller Kunst zu entkleiden, so daß sie oft nackt und bloß da stand, wie im Stande der Unschuld, ohne sich nach einem Feigenblatte umzusehen. – Michael, der freilich das Ankleiden so gut als das Auskleiden verstehen sollte, war überall nur ein schlechter Putzmeister. – Es fehlte ihm an Gewandtheit, seine Gegenstände zu zieren. – Er selbst war so ungeschmückt, daß er bei jedem Weltmann anstoßen mußte. War es Wunder, da er bei viel Mutterwitz und Vaterurtheil keine Erziehung gehabt? – Er gehörte indeß auf keine Weise zu der berühmten Schildknappensippschaft komischen Andenkens, bekannt seit und durch ihren Ahnherrn Sancho Pansa, weiland berühmten Stallmeister des weiland berühmteren Junkers Don Quixote von Mancha. So wie Philosoph Terrasson, so oft er Blößen gibt, uns ein angenehmes sanftes Lächeln ablockt, so ging es auch Michaeln. Seine ungeputzte Seele vernachlässigte ihren kurz und dickleibigen Freund, den Körper, ohne ihn zu verwahrlosen. Wenn er seines Gleichen an Verstand und Willen übertraf und seinem Herrn Kopfdienste leistete, so sah es doch zuweilen mit den Handdiensten nur sehr dürftig aus; und wenn andere seines Gelichters sich durch außerordentlichen Putz so auszeichnen, daß sie eben dieses Putzes halber ihre Herren berechtigen oder zwingen, schlecht und recht einher zu gehen, so ließ doch Michael dem Junker hier den weitesten Spielraum, von dem dieser indeß, wie alle Schwärmer, die auf inneres Licht und innere[7] Kleidung ausgehen, wenig Gebrauch machte. Es fehlte Michaeln immer etwas an seinem Anzuge. – Seine Rock-und Westenknöpfe waren nie vollzählig, und die Staatslivree ward schon in den ersten vierundzwanzig Stunden so bezeichnet, daß man sie, unter vierundzwanzig andern, auf den ersten Blick gekannt haben würde, wenn auch diese sonst ganz gleichförmig gewesen wären. Mit seiner Frisur lebte Michael in beständigem Zank und Streit; sie befand sich immerwährend in einer Lage, als ob er sich gerauft hätte. Indeß erregten alle diese Flecken und Runzeln beim Junker keine Bedenklichkeit, ihm das Prädikat als Begleiter zu bewilligen und diesen Vorzug nicht bloß auf den Titel einzuschränken, sondern ihn auch auf den Geist dieses Namens auszudehnen. Der Pastor fand die Wahl vortrefflich, weil er durch Michaeln von den Ordensfortschritten des Junkers getreulich unterrichtet zu werden hoffte. Er hatte den Protagoras zu seinem geheimen Untergebenen (warum soll man denn bloß geheime Obern haben?) gemacht, damit er, wo möglich vom Glauben zum Schauen gelangen möge, als welches wir ihm von ganzem Herzen gönnen wollen. – Nachdem er Michaeln mit seinen Ideen bekannt gemacht, segnete er ihn zu seinen Kreuzzügen so rührend und ungewöhnlich, wie Voltaire den Enkel Franklins, ein, wiewohl weit orthodoxer, förmlicher und seiner Absicht anpassender. – Nichts bedauerte er so sehr, als daß er diese Reise mit dem Rücken ansehen mußte. Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet, fing er an, und schüttelte gewaltig sein Haupt über den Heraldicus junior, der diese Reise um die moralische Welt ausgeschlagen hatte. Der Tag zur


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 6-8.
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