90. Fräuleinsohne

§. 90.


Fräuleinsohne,

[18] der sie ländlich, sittlich, wie er sich ausdrückte, empfing. Er war, wie wir wissen, nicht ohne Kenntnisse, allein durch seinen Ueberschritt von Sekunda auf Prima hatten sie wahrlich nicht gewonnen. Man sah ihm zwar noch das Kind der Liebe und der Wonne an, doch hatte hieß Ebenbild durch die Standeserneuerung gelitten. Da er vom Werbehauptmann, wie er sich ausdrückte, höchlich vernommen hätte, wie viel Dank er dem Rosenthalschen Hause sowohl wegen seiner selbst als wegen seiner wohlseligen Fräulein Mutter schuldig sey, so war unser Biedermann über diesen unvermutheten Besuch hoch erfreut. Zu dieser Freude trug der Umstand bei, daß Heraldicus junior mit ihm wegen seines Gütchens in Unterhandlungen stand, und er als Verkäufer begierig war, sich nach den Umständen des Käufers zu erkundigen. Eine gewisse Ungeschliffenheit konnte weder er noch sie verläugnen, doch fiel die ihrige weniger auf. Weiber haben an sich und von Natur mehr Lebensart als Männer. Unsere Dame hatte sich ohnehin durch das Bewußtseyn ihrer Geburt von dem, was gemein und niedrig ist, von jeher zu entfernen gesucht. Jetzt waren beide Eheleute wegen des johanniterordensfähigen Schwiegersohns zu einer[18] Manier gekommen, die etwas widerlich abstach, und nie würden sie in die Melodie jener hohen Festtagsfreuden sich haben zurückbringen können, zu welchen sie ein Glas Most erwärmte und wobei sie über ihre wunderbaren Weihnachten so herzlich zu lachen gewohnt waren. Der jetzige Ton im Meierhofe des Findlings liegt ungefähr in der Antwort, die ein Emsiger seinem Fürsten gab. Ich habe von Ihm geträumt, Freund Emsigerl sagte der Fürst. – Ew. Durchlauchten werden gnädigst verzeihen – was denn? – Es wäre meine Schuldigkeit gewesen, von Ew. Durchlaucht zu träumen. – Oder in der Höflichkeit jenes Postmeisters, der sich beim Besuch des Fürsten gewaltig entschuldigte, daß er ihn im Schlafrock träfe und geschwind für den kattunenen einen seidenen anzog. Die Frau Werbehauptmännin dagegen war eine wahre Werbehauptmännin, das heißt eine so seine Weltfrau, daß man erstaunen mußte, wie bald sie zu diesen Werbeeigenschaften sich hinaufstimmen können. – Sie nahm eben von ihren Eltern, welche sie besucht hatte, Abschied, als man den Junker bewillkommte, und so gern sie ihr Werbnetz ausgestellt hätte, um an einem so liebenswürdigen Jünglinge einen Verehrer mehr bei ihrer Fahne zu haben, so konnte sie doch weiter nichts als ihm einen schreienden Blick über den andern zuwerfen und ihn versichern, daß sie ihn in – anmelden würde. Unserm Junker gefiel die Maurerschwester so wenig als dem Begleiter, der, da sich die Reisenden ihre Herzen ausschütteten, die Meinung äußerte, daß ein Tanz-, Spiel- und Singmeister es in kurzer Zeit unendlich weiter beim Frauenzimmer als ein Gamaliel bringen könnte. Auch ich, Michael, versetzte der Ritter, finde die Verschwiegenheitsschwestern viel vorzüglicher als die Maurerschwestern, wenn ich von dem, was ich von beiderseits Schwestern kenne, auf das, was ich nicht kenne, schließen soll. Die Mutter konnte sich nicht entbrechen, ihrer Tochter eine herrliche Standrede, und zwar auf Kosten des Werbehauptmanns zu halten.[19] Sie befände sich, sagte sie, bei weitem nicht in den glücklichen Umständen, die sie sich selbst und so viele Weltmenschen ihr prognosticirt hätten. – Die vernünftige Mutter des weiland Herrn Egalité ward, wie man sich ins Ohr sagte, aus Verdruß über die vermeintliche Wißheirath noch einmal Mutter. – Aus Verdruß? fragte der Junker. Wie ich Ihnen sage, betheuerte die Referentin. Mit Thränen beklagte die Mutter diesen Verdrußschritt, nachdem sie die Aufklärungen des Rechtsfreundes erfuhr. – Zu spät! wie doch die Rechtsfreunde immer zu spät kommen und außerdem, daß die Mutter des Werbehauptmanns einen Sohn zur Welt brachte, außerdem daß dieser Sohn ihr das Leben in den Wochen kostete, verband der Schwiegervater sich aufs neue ehelich, und den Kindern erster Ehe ist nicht nur durch die von einem Rechtsfreunde erkünstelten Pakta viel entzogen, sondern die Schlangenlist der jetzt florirenden Frau Gemahlin würd' ihnen gern noch die Ueberbleibsel entziehen, um sich und ihre Kinder, die gewiß zu erwarten wären, desto mehr zu bereichern. Was den Junker am meisten befremdete, war die Nachricht, daß der Hauptmann das Unglück gehabt, seinen Abschied zu erhalten, den er wegen überwiesener Vorenthaltung und Verkürzung der Montirungsstücke suchen müssen, um nicht noch obenein zur beschämenden Strafe gezogen zu werden. – Der gewesene Findling wollte zwar die Frau Gemahlin zu mehr Zurückhaltung bringen, indeß war sie nicht zu halten, und er mochte husten, winken und drein reden, soviel er wollte, der Candidat der Loge zum hohen Lichte mußte noch wissen, daß der Hauptmann, bloß weil es ihm an dem Schlagschatz fehlte, nicht Johanniterritter geworden wäre, wozu ihm indeß ein anderer Orden, der ihn für alles gehabte Unglück entschädigte, ohne allen Zweifel verhelfen würde! – Diese weniger treuherzig als aus Bitterkeit abgelegte Beichte konnte unserm Novizen in keiner Rücksicht gleichgültig seyn, obgleich er aus einigen Stellen der in ordensgemäßer Ordnung[20] geführten Correspondenz auf etwas von dieser Art hätte schließen können. Es waren noch zwei Töchter des Findlings auf der hohen Schule, sonst würde er die Werbehauptmännin mehr als jetzt haben unterstützen können. Auch konnte er in Rücksicht des Ankaufs eines größern Guts sich nicht entblößen; und wußte er denn schon, was Heraldicus junior für den Meierhof geben würde? Mit der geerbten Handbibliothek, aus Gebet- und Gesangbüchern bestehend, würde weder dem Werbehauptmann und noch weniger der Frau Gemahlin gedient gewesen seyn, wenn Findling sie, das Werk mit den Hieroglyphen von Familienanzeigen nicht ausgeschlossen, der Tochter oder dem Schwiegersöhne verehrt hätte.

So geneigt der Junker und sein Begleiter waren, den Meierhof sogleich zu verlassen, so konnten sie's nicht, da sie beim Willkommen zu einem längern Besuch die Verbindlichkeit eingegangen waren. – Doch kürzte man so viel ab als möglich, und kaum waren die Reisenden in freier Luft, als folgendes Gespräch wie aus der


Quelle:
Theodor Gottlieb von Hippel: Kreuz- und Querzüge des Ritters von A bis Z. Zwei Theile, Theil 2, Leipzig 1860, S. 18-21.
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