Sechster Band.

(Weimar, Frühling 1854 bis Frühling 1860.)

Am 10. Mai des Morgens um 7 verließ ich Brüssel und traf gegen Abend in Crefeld ein. Ich verlebte hier einige frohe Tage mit Conrad Wolff und seinen Verwandten und Freunden. Den 13. über nachtete ich in Cassel und den folgenden Nachmittag erreichte ich Weimar.1

Ich begab mich sofort in unsere Wohnung, Schützengasse G 84. Ich fand nichts vor als unsere vielen Listen, Kasten, Körbe und Ballen; unsere sämmtlichen Möbeln und unsern ganzen Hausrath hatten wir in Neuwied versteigern lassen. Unsere Wirthin, die gute Frau Graff, war so freundlich mich mit dem Allernothwendigsten zu versehen, sie besorgte einige Stühle und Tische und ließ mir ein Bette ausschlagen. In dieser Armseligkeit lebte ich vierzehn Tage lang bis zur Ankunft der Meinigen, mit denen ich dann die Einrichtung unserer Wohnung und Haushaltung in Angriff nahm.

Weimar sah ich zuerst als Student im Jahre 1818 und dann nach einem langen Zeitraume im Jahre 1842. Es machte jedesmal und so auch jetzt wieder aus mich den Eindruck eines thüringischen Landstädtchens. Die öffentlichen Gebäude, selbst die mancherlei Neubauten haben nichts Großartiges, nichts Ansprechendes, ja nicht einmal einen Stil. Anspruchlos jedoch in der anspruchlosen Umgebung fand ich mich bald heimisch, und die Residenzstadt mit ihrer Bevölkerung ward mir lieb und werth. Es wandelt sich ganz gut auf dem leidlichen, aber reinlichen Pflaster, man wird nirgend behelligt vom Pferdegetrappel und Wagengerassel und von einem wühligen[79] Menschengedränge; auch vermißt man recht gern so Manches, was einen in anderen Städten oft unangenehm berührt oder belästigt. Ich habe nie einen leer stehenden Wagen auf der Straße bemerkt, an dem nicht bei Eintritt der Dunkelheit eine Laterne hing, habe nie einen betrunkenen Menschen, nie eine Schlägerei oder Rauferei gesehen, nie einen pöbelhaften Lärm gehört, nicht einmal den sonst pflichtmäßigen Ruf des Nachtwächters oder sein schreckenerregendes Horn und bin in der Stadt nie einem Leichenzuge begegnet. Vornehm und Gering ging anständig seines Weges, war fast immer freundlich, artig und höflich, und schien Wohlgefallen zu haben an der schönen Natur und Kunst und sich gern im Freien zu ergötzen. Es machte einen wohlthuenden Eindruck, wenn man sah, wie alle öffentlichen Anlagen geschont wurden, wie jede Blume, jeder Strauch und Baum vor Frevel sicher war, und wie sogar die Vögel bei Schnee und Kälte sich der liebenden Theil nahme unserer Nachbaren zu erfreuen hatten und täglich ihr Mittagsmal empfingen.

Daneben war nun freilich viel Philisterei und Residenzlerei, und im Bürgerstande viel Zopf: der Zunftzwang und das Privilegium hemmten alle freie Bewegung und allen Mitbewerb im Handel und Verkehr und hielten allen Unternehmungsgeist nieder.

Obschon ich mehrere Tage in einer uneingerichteten Wohnung und noch dazu allein hausen mußte, so hatte ich mich doch in diesen vorläufigen, wenn auch unangenehmen, doch leidlichen Zustand gefunden. Auch ich hätte mich nicht viel anders aussprechen können wie Schiller in einer ähnlichen Lage. Als er nämlich 1787 in Weimar seinen Aufenthalt genommen hatte, äußerte er sich in den ersten Tagen also:

›Wenn ich aufrichtig sein soll, so kann ich nicht anders sagen, als daß es mir ungemein gefällt und der Grund davon ist leicht einzusehen. Die möglichste bürgerliche Freiheit und Unangefochtenheit, eine leidliche Menschenart, wenig Zwang im Umgang, ein ausgesuchter Zirkel interessanter Menschen und denkender Köpfe, die Achtung, die auf die litterarische Thätigkeit gelegt wird, dazu der wenige Aufwand, den ich an einem Orte wie Weimar zu machen habe, warum sollte ich nicht zufrieden sein?‹

Etwas aber ließ mich zu solchen Betrachtungen nicht gelangen: immer trat wie ein heimtückisches Gespenst die Jahrbuchsangelegenheit[80] vor mich hin und trübte mir die Gegenwart und hüllte in noch größeres Dunkel die Zukunft.

Unsere Zeitschrift sollte bald erscheinen. Ich machte bereits meine Vorbereitungen. Da kam eines Tages Dr. Schade mit der Nachricht: der Großherzog habe zur Bedingung gemacht, daß das Jahrbuch in Weimar gedruckt und verlegt werden müsse, und zwar bei Herrn Böhlau. Ich war sehr betroffen: es galt unter uns bisher als eine ausgemachte Sache, schon seit dem Frühjahr, daß Herr Rümpler das Jahrbuch verlegen würde; nach den darüber gepflogenen Verhandlungen war Alles bis zum wechselseitigen Unterzeichnen gediehen. Ich war trotzdem schwach genug, dieser Nachricht vollen Glauben zu schenken und ging mit Schade zu Böhlau. Wir besprachen die Sache und einigten uns. Jetzt also war plötzlich Herr Böhlau Verleger des Jahrbuchs.

Zwei Tage nachher besuchte mich Herr Rümpler (17. Mai). Ich empfing ihn am Bahnhof. Er kam von der Leipziger Messe. Wir gingen zusammen in den Erbprinzen. Ich erzählte ihm von meiner Reise, meinen hiesigen Verhältnissen und – vom Jahrbuche. Es war für mich ein peinigendes Gefühl es auszusprechen, daß er nicht, wie sich jetzt die Sache gestaltet habe, Verleger des Jahrbuchs sein könne. Rümpler, der so etwas gar nicht ahnden konnte, war natürlich sehr unangenehm berührt, wußte sich aber als erfahrener Geschäftsmann schnell in das Unangenehme zu finden und ging auf etwas anderes über. ›Nun, begann er, wir wollen auf etwas Erfreuliches kommen: was machen Ihre neuen Lieder?‹ Wir gingen nach meiner Wohnung und im Gartenhause las ich ihm alle vor. Er übernahm den Verlag und versprach mir zum 24. Juni, dem Geburtstage des Großherzogs ein gedrucktes Exemplar. Den folgenden Tag reiste er wieder ab.

Die Jahrbuchsangelegenheit war mir durch diesen Zwischenfall wieder recht unangenehm geworden. Ich erklärte Dr. Schade mündlich und schriftlich, daß ich weiter nichts damit zu thun haben wolle.

Den 26. Mai holte mich Liszt des Morgens ab zur Audienz beim Großherzog. Ich überreichte das Zueignungsexemplar meiner Geschichte des deutschen Kirchenliedes. Der Großherzog dankte recht freundlich, unterhielt sich über den Inhalt und äußerte, er wolle sich näher damit bekannt machen etc. Endlich kamen wir auf das Jahrbuch.[81] Der Großherzog meinte, ich könnte ja mitarbeiten und möchte die mir zukommenden Aufsätze der Zeitschrift zuwenden, er sähe wol ein, daß mir meine Freiheit in Bezug auf geistige Thätigkeit nothwendig sei, ›denn, fuhr er fort, Sie sind ein Dichter.‹

Nach und nach stellte sich heraus, daß der Großherzog gar keine Bedingung an die Art des Erscheinens des Jahrbuchs geknüpft, auch neulich Herrn Böhlau keine Zusicherung in Betreff des Verlags gegeben hatte. Böhlau, der von meinem Rücktritte gehört, kam nun zu mir und ich erzählte ihm den ganzen Hergang unserer Verhandlung mit Rümpler. Er begriff nun erst meinen Rücktritt und den Unwillen Rümpler's. Den andern Tag kam Schade und meldete mir, daß Böhlau auf den Verlag verzichte. Dadurch kam die Sache auf ihren alten Stand. Wir beriethen nun einen neuen Vertrag mit Rümpler, und um ihn geneigter dafür zu stimmen, verzichteten wir auf alles Honorar. Noch denselben Tag (14. Juni) schrieb ich an Rümpler. Der Vertrag kam zu Stande. In Rümpler's Namen frug ich bei Böhlau an, ob er geneigt sei das Jahrbuch zu drucken, worauf denn eine bejahende Antwort erfolgte.

Es war wirklich ein Wunder, daß das Jahrbuch endlich doch noch ins Leben trat. Die adeliche und die bürgerliche Camarilla hatte sich wirklich alle mögliche Mühe gegeben, den Großherzog zu bewegen, seine guten Absichten in Bezug auf mich rückgängig zu machen, ja es wurde meine ganze Vergangenheit ausgebeutet, um meine etwaige litterarische Thätigkeit und am Ende mich selbst zu beseitigen. Alles wurde benutzt, den Großherzog gegen mich zu stimmen, so daß er den Wunsch gegen Herrn Hofrath Sauppe aussprach, mein Name möchte nicht auf dem Titel stehen.

Gewiß hat sich damals manche Stimme bei Hofe gegen mich erhoben, und es mag der Großherzog, wenn auch nicht umgestimmt, doch oft verstimmt gewesen sein. So fragte er eines Tags einen Mann, der in amtlicher Beziehung zum Hofe stand, als das Gespräch auf mich kam: ›Sind Sie auch einer von denen, die einen Stein auf ihn werfen?‹ – ›Im Gegentheil, königliche Hoheit!‹

Um dieselbe Zeit fragte der Großherzog einen meiner Freunde: ›Ich weiß, Sie kennen Hoffmann genauer, was halten Sie von ihm?‹ – ›Königliche Hoheit, ich liebe und verehre Hoffmann in jeder Weise.‹ – ›Was halten Sie von seinen politischen Ansichten?‹ – ›Königliche[82] Hoheit, wir sprechen fast nie über Politik, doch habe ich die Ueberzeugung, daß seine Ansicht keinem Menschen eine schlaflose Nacht bereitet.‹ –

Nach dieser höchst unerquicklichen Geschichte der Gründung des Weimarischen Jahrbuchs kehre ich nun zurück auf unser häusliches und geselliges Leben und Treiben.

Den 23. Mai kam meine Frau mit ihrer Schwester Agnes, den Tag vorher hatte sich ihr Bruder, der in Leipzig studierte, zum Besuch eingefunden. Unser erstes Geschäft war die Einrichtung unserer Wohnung und unsers Haushalts. Wir kauften sofort das Nothwendigste. Da uns das hiesige Möbelmagazin nur wenig für uns Passendes darbot und das was uns gefiel oft zu theuer war, so wendeten wir uns nach Erfurt und fanden dort Möbeln und Hausrath in größerer Auswahl und besser und billiger. Nach einigen Tagen waren unsere Zimmer bereits wohnlich eingerichtet, so daß wir Besuche darin empfangen konnten.

Die schönen Maitage lockten uns ins Freie hinaus. Wir machten Ausflüge nach Belvedere, den. Felsenkeller, dem Ettersberge, nach Tiefurt etc. und spazierten viel im Park. Nachdem wir so die Gegend kennen gelernt, wollten wir nun auch die Menschen kennen lernen. Wir machten zunächst Besuche bei der Fürstin Wittgenstein, den Hofräthen Schöll, Sauppe und Preller, dem Kirchenrath Dittenberger, dem Obermedicinalrath Froriep u.a.

20. Juni. Rosalie Spohr, Idas Freundin, ist gestern mit ihrem Vater und ihrer Schwester angekommen. Wir besuchen sie, nachher kommen sie mit Liszt zu uns. Am Nachmittag besehen wir unter Liszt's Leitung das Schloß. Am Abend ist große Gesellschaft auf der Altenburg. Es wird viel musiciert. Rubinstein, der uns neulich einige russische und moldauische Lieder so schön vortrug, spielt wieder sehr schön. Mehr noch erfreut mich Rosaliens Spiel auf der Harfe. Erst um 12 kommen wir heim.

23. Juni besuchen uns die Fürstin Wittgenstein und Liszt. Wir werden auf morgen zum Mittagsessen 4 Uhr eingeladen. Beim Abschied sage ich: ›Morgen erfolgt eine Ueberraschung.‹ Ich konnte das mit Recht sagen, denn einige Stunden vorher hatte ich mein neues Büchlein erhalten, schön gedruckt und geschmackvoll gebunden: ›Lieder aus Weimar. Von Hoffmann von Fallersleben‹. (Hannover.[83] Carl Rümpler. 1854. 16°. 106 SS. mit der Zueignung ›Freundesgabe für Franz Liszt.‹)

24. Juni. Das Mittagsmal beginnt. Außer uns nur noch drei Gäste: Rubinstein, Cornelius und C.F. Brendel aus Leipzig. Wie gewöhnlich lebhafte Unterhaltung und heitere Stimmung. Die Tafel glänzt in Silber- und Blumenschmuck; den feinen Gerichten folgen noch feinere, den edelen Weinen immer noch edlere. Als der Champagner umher gereicht wird, bringen wir ein Hoch dem Großherzog, dessen Geburtstag heute ist. Nach einer Weile heißt es dann: ›Wann kommt die Ueberraschung?‹ Und sie kommt. Ich überreiche der Fürstin ein Exemplar meiner ›Lieder aus Weimar‹ und lese dann das dazu gehörige Gedicht.2 Die Fürstin ist sehr gerührt, bis zu Thränen gerührt und sagt mir herzlichen Dank. Nach einer Pause überreiche ich der Prinzeß Maria das zweite Exemplar und lese das an sie gerichtete Gedicht.3 Das dritte Exemplar empfängt Liszt: freudigste Ueberraschung, die sich noch steigert, als ich meinen Trinkspruch auf ihn ausbringe.4 Meine Absicht war erreicht, die Ueberraschung gelungen, die Freude, die ich Anderen bereitet hatte, war meine größte Freude.

Den folgenden Tag meldet mir Liszt, der Großherzog wolle mich um 1/22 Uhr sprechen. Ich stelle mich rechtzeitig ein. Der Großherzog empfängt mich sehr huldreich. Ich überreiche ihm meine ›Lieder aus Weimar‹ und bemerke, daß es meine Absicht gewesen, gestern Abend dasselbe zu thun und zugleich meinen Glückwunsch zum Geburtstage darzubringen. Ich erzähle, daß wir gestern bei einem heitern Male Ihm ein Hoch ausgebracht hätten etc. Der Großherzog ist sehr erfreut, reicht mir die Hand und dankt. Schließlich muß ich noch meinen Trinkspruch auf Liszt lesen.

17.–20. Juli in Schulpforta. Ich gehe mit Professor Steinhart nach Almerich amtlich Altenburg geschrieben), besuche den Ortsvorsteher, melde mich als künftiges Gemeindemitglied und überreiche ihm meine Papiere. Darauf miethe ich eine Wohnung. Den andere Tag mache ich Herrn Landrath Geh. Rath Danneilin Naumburg meine Aufwartung als künftiger Kreisinsasse. Auf die Weise ist[84] also meine Wartegeldsangelegenheit kurz erledigt.5 – Den letzten Tag bin ich noch stundenlang bei Koberstein. Wir unterhalten uns viel über deutsche Philologie und stimmen in unseren Ansichten dermaßen überein, als ob wir uns vorher verabredet hätten.

28. August großes Mittagsmal auf der Altenburg um 6 Uhr. Gäste: die französischen Diplomaten, der Engländer G.H. Lewes, Professor Preller, Hofrath Sauppe, Dr. Schade, Joachim Raff u.a. Es ist der Jahrestag der Landeshuldigung. Ich bringe ein Hoch dem Großherzog.6 Er muß über diesen Trinkspruch sehr erfreut gewesen sein: noch später (28. September) hat er in Bezug darauf von Stuttgart aus an Liszt geschrieben: ›Sagen Sie ihm, daß ich ihm mit der Freude danke, die uns das Erkennen unserer Bestrebungen bereitet und dieser Dank ist gewiß der herzlichste.‹

22. October. Liszt's Geburtstag. Wir bringen ihm unsere Glückwünsche und allerlei kleine Geschenke. Er ist sehr erfreut über unsere Theilnahme. – Bei dem Herrenessen, das am Nachmittag erfolgt, überreiche ich ihm ein Album mit allen Trinksprüchen und Gedichten, die Bezug auf ihn und die festlichen Anlässe auf der Altenburg haben. Dies Album wurde nachher fortgesetzt und kann als ein Stück Hauschronik betrachtet werden.7

Unsere Wohnung auf ebener Erde in einer engen Gasse war trübe, feucht und kalt; das Haus gegenüber versperrte jede Aussicht, nur wenn die Sonne hoch stand, drang ein Sonnenstrahl zu uns. Für eine Familienwohnung war sie nicht ursprünglich eingerichtet und durch ihre 15 Thüren wurde sie nicht eben wohnlicher und bequemer. So lang es Sommer war, spürten wir weniger das Unangenehme und Unbequeme, an sonnigen Tagen waren wir viel im Garten oder auf Spaziergängen in der Umgegend und die Abende oft in Gesellschaft. Ida schaltete und waltete wie eine Hausfrau,[85] und wenn sie eben nicht krank war, wußte sie sich und mich zu erheitern. Das Weimarische Leben sagte ihr von Tage zu Tage mehr zu. Sie erfreute sich bald sehr angenehmen Familienverkehrs mit der Altenburg, Professor Preller's, Steinacker's und Rank's. Anspruchlos, heitern Sinns und lebendig in ihrer Unterhaltung war sie überall gern gesehen. Der Besuch ihrer Mutter, die einige Wochen bei uns war, wirkte sehr wohlthuend auf ihre Stimmung, und so mancher Kunstgenuß, den ihr das Theater gewähre oder womit uns Liszt und seine Schüler erfreuten, machte ihr Weimar bald lieb und werth.

Als nun die Vorboten des Winters, Kälte, Stürme und Regenschauer sich einstellten, da fühlten wir die Nothwendigkeit, unsere Wohnung aufzugeben. Wir suchten im ganzen classischen Weimar umher, jede Wohnung, die sich für uns geeignet hätte, war besetzt. Endlich fanden wir eine am Casernenberge, aber sie war schlecht im Stande und da die Besitzerin, eine arme Wittwe, nichts dafür aufwenden konnte, so mußten wir sie erst auf unsere Kosten einrichten. Das geschah denn, und in sehr unfreundlicher Zeit war endlich Alles so weit gediehen, daß wir am 21. November einziehen konnten in B. 134, an der Wilhelms-Allee, 790' ü.d.M.

Auch diese Wohnung war sehr unzweckmäßig eingerichtet: die Hauptzimmer lagen nach Norden, die Küche und Hausflur nach Süden, zwei Zimmer konnten wir gar nicht benutzen. Trotzdem fanden wir uns bald zurecht und machten uns die wenigen Räume wohnlich. Wir hatten doch nun eine Aussicht, vorn in die Gärten, wohinter der Sommersitz der Erholung, und hinten wieder den Blick in unser Gärtchen und in die Nachbargärten. Kurz nach unserm Einzuge hatte ich mein Arbeitszimmer mit dem Notwendigsten versehen und meine kleine Bibliothek aufgestellt. Ich begann sofort meine Muß-Arbeit, das war das Jahrbuch. Da der Inhalt unterhaltend und mannigfaltig zugleich sein sollte, so war ich gezwungen, meine wissenschaftliche Thätigkeit auf Dinge zu leiten, die weder zu meinen Berufs- noch Lieblingsarbeiten gehörten. Dennoch konnte ich es nicht unterlassen, mich auch mit diesen zu beschäftigen. Die Geschichte des deutschen Kirchenliedes war mir zu lieb und zu frisch, als daß ich nicht an eine Fortsetzung hätte denken sollen. Ich machte deshalb nebenbei viele Vorarbeiten und fand den Sommer über hier[86] und anderswo manchen Stoff dazu. Ich benutzte sehr fleißig die Weimarische Bibliothek. Die Beamten waren alle sehr freundlich und gefällig und immer bereit im Nachweisen und Aufsuchen für mich. Zur Verfolgung meiner literarischen Zwecke beschränkte ich mich jedoch nicht auf Weimar, ich besuchte auch die Bibliotheken der Nachbarschaft. In der Kirche zu Arnstadt sah ich mir näher an die Sammlung Lutherscher Autotypen, ein Vermächtniß des J.C. Olearius. Leider fehlt daran wol die Hälfte. Ich lieh mir zwei Ausgaben des Liber vagatorum. In Gotha fand ich Mancherlei; durch die Güte des Archivraths Beck verschaffte ich mir eine Abschrift des handschriftlichen Ballets Aug. Buchner's. In Merseburg besuchte ich die Dom- und die Schulbibliothek. In letzterer fand ich eine schätzbare Sammlung deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts, woraus ich mir einige lieh. Viele kannte ich schon durch Meusebach, der sie bis an seinen Tod behalten hatte. Aus Naumburg erhielt ich durch Roberstein's Vermittlung Medler's handschriftliche Kirchenordnung vom Jahre 1537.

Am Jahrbuche wurde fleißig gearbeitet und gedruckt. Wir hatten uns verpflichtet, jedes Jahr 2 Bände oder 4 Hefte, im Ganzen 60 Bogen zu liefern. Wir konnten für dies Jahr nur 11/2 Bände zu Stande bringen. Wie unvorbereitet wir für dies Unternehmen waren, zeigt der Inhalt der ersten drei Hefte. Zum 1. Bande lieferte Schade nur einen einzigen Artikel (57 Seiten), zum 2. Bande 4 (144 Seiten). Was aber noch schlimmer war: er dachte sich für das Jahrbuch ein Publicum von hochgelehrten Germanisten, die Alles mit Kußhand aufnehmen würden was nur irgend in den Bereich deutsch-philologischer Studien gehörte; schon der Abdruck der unbedeutendsten Sachen, wenn sie nur alt waren, schien ihm genügend und von folgenreicher Bedeutung für die Wissenschaft. Kein eigenwilligerer und einseitigerer Mitarbeiter konnte mir beigesellt werden. Ich konnte unmöglich für Alles was er von sich und anderen lieferte, irgend eine Verantwortung übernehmen, und dachte sehr ernstlich daran, eine Einrichtung zu treffen, wonach künftig die Beiträge des einen wie des andern Herausgebers gesondert, etwa heftweise erschienen.

Der erste Band mit der Zueignung: ›ZUM 28. AUGUST 1854‹ war Sr. königl. Hoheit dem Großherzog überreicht worden und[87] daraus empfingen wir 500 Rb. , welche der Großherzog durch Liszt uns übermitteln ließ. Allerdings ein schönes Honorar, für den Bogen 16 Rb. Sgr.! Wenn wir aber in Betracht zogen, daß wir vom Verleger kein Honorar bekamen, und da wir nicht Alles selbst beschaffen und umsonst doch nicht jeden Beitrag erhalten konnten, also Honorar zahlen mußten, daß wir litterarische Reisen unternehmen und einen kostspieligen Briefwechsel unterhielten, so wurde unser großherzogliches Honorar sehr ermäßigt. Leider wurden wir sonst nicht weiter unterstützt. Hätten wir, wie es in Aussicht stand und halb und halb versprochen wurde, den Briefwechsel Carl August's mit Goethe mittheilen dürfen, so würde unserm Jahrbuche von Anfang an eine größere Theilnahme sich zugewendet haben, freilich durfte dann dieser Briefwechsel nicht so verstümmelt und gleichsam in usum Delphini das Licht der Welt erblicken, wie es mehrere Jahre nachher geschehen ist8.

So sehr die Jahrbuchsarbeiten, deren Correctur für mein Heft mir auch noch zur Last fiel, meine Zeit in Anspruch nahmen, so wußte ich doch noch Muße für die Fortsetzung der Horae belgicae. Ich wollte als Pars XI einen treuen Abdruck des Antwerpener Liederbuchs geben. Die Benutzung der Wolfenbütteler Handschrift wurde mir auf 8 Wochen in der großherzoglichen Bibliothek zu Weimar gestattet. Den 12. August begann ich meine Abschrift, und obschon ich schon früher von vielen Liedern Abschrift genommen hatte, so mußte ich doch noch von den 221 jetzt 147 abschreiben. In meinem Zimmer wäre ich bald damit fertig geworden, aber täglich an eine bestimmte Zeit gebunden, manchen Tag durch Unwohlsein oder Besuche u. dgl. gehindert, konnte ich nicht schnell zum Ziele gelangen. Als die 8 Wochen verstrichen waren, wurde ich gemahnt. Der Druck war unterdessen begonnen und die Correctur sorgfältig nach dem Originale besorgt. Nur durch die Verwendung Preller's des Oberbibliothecars erlangte ich eine Verlängerung der bewilligten Frist und so konnte ich denn doch noch meinen Zweck erreichen. Dieser neue Theil der Horae belgicae ist ›Der Maatschappij van Nederlandsche Letterkunde zu Leiden in dankbarer Erinnerung gewidmet.‹ Er erschien auch[88] unter dem Titel: ›Antwerpener Liederbuch vom Jahre 1544. Nach dem einzigen noch vorhandenen Exemplare herausgegeben von Hoffmann von Fallersleben.‹ (Hannover. Carl Rümpler. 1855. 8°. VIII. 344 Seiten mit einem Facsimile des Titelblattes). Bald Darauf begann ich mit großem Eifer die zweite Auflage der Pars II. der Horae belgicae: ›Niederländische Volkslieder.‹

An Besuchen fehlte es uns nicht. Einheimische und Fremde fanden sich ein. Manche blieben zum Mittagsessen, zum Kaffee oder zum Thee bei uns. Es ging oft ganz lebhaft und munter her.

Sehr angenehm war uns der Besuch von Liszt und seinen Schülern Pruckner, Schreiber und von Bronsart, und Cornelius. Anfangs waren auch öfter da Schade und Raff. Später hatten wir innigen Verkehr mit den Familien Preller und Rank. Mit allem was von irgend litterarischer oder künstlerischer Bedeutung nach Weimar gelangte oder daselbst lebte, pflegte ich in Berührung zu kommen.

Paul Trömel hatte sich bei mir schon eingeführt durch seine ›Litteratur der deutschen Mundarten‹, gewissermaßen eine neue vermehrte Auflage des darauf bezüglichen Abschnitts in meiner ›deutschen Philologie‹, denn es waren seitdem beinahe 20 Jahre vergangen, und gerade in dieser Zeit war auf diesem Gebiete viel gescheien. Wir machten einen Spaziergang nach Tiefurt und unterhielten uns über deutsche Bücherkunde. Der damals 22jährige junge Mann war sehr bewandert auf diesem Gebiete und obschon er mit fast jungfräulicher Schüchternheit von seinen Arbeiten sprach, so überzeugte ich mich doch bald, daß er umfassende und gründliche Studien gemacht hatte. Und ich irrte mich nicht: seine ›Schiller-Bibliothek‹ bestätigte meine Ansicht. – Wir standen nachher im Briefwechsel und ich verdankte ihm manche hübsche bibliographische Mittheilung.

Am 10. August besuchte mich Bussenius. Er hatte seine im Jahre 1852 begonnene Sammlung deutscher Schriftsteller eben erst mit dem 60. Bändchen beendet und wollte nun sein gleichzeitiges Werk: ›Die Componisten der neueren Zeit, in Biographien von W. Neumann‹ fortsetzen. Das vorletzte Heft, das 16., sollte Liszt's Leben enthalten. Um dafür noch zuverlässige Nachrichten einzuziehen von Liszt selbst und seinen Freunden, war er von Elgersburg, wo er als Badegast weilte, herüber gekommen. Liszt war für Bussenius[89] sehr eingenommen. Er hatte ihm versprochen, ihn nächstens zu besuchen. Und so bat mich denn Liszt, mit ihm nach Elgersburg zu fahren. Am 24. trafen wir dort ein. Die Badegesellschaft war sehr erfreut, Liszt als Gast begrüßen zu können. Bussenius stellte uns allen vor, auch seiner Braut und ihrer Mutter. Nachher machten wir einen Spaziergang auf die Alexandrinenhöhe, speisten dann zu Nacht und fuhren wieder heim.

Bald nachher erschien Liszt's Leben unter dem Titel: ›Franz Lißt. Eine Biographie.‹ (Mit Portrait. Cassel. Ernst Balde. 1855. 16°. 196 SS.)

J. van Vloten besuchte uns mit seiner Frau am 4. November. Er hatte erst kürzlich ein merkwürdiges holländisches Volksbuch herausgegeben, das nur noch in je einem Exemplare zweier alten von einander abweichenden Ausgaben vorhanden ist, und mir mit einer sehr anerkennenden Zueignung gewidmet: ›Marieken van Nijmwegen; eene nederlandsche Volkslegende uit de 16e eeuw; met eene inleiding, woordverklaring, en aanteekeningen.‹ ('s Gravenhage, Martinus Nijhoff. 1854. 8°. 58 SS.)

Gegen Ende des Jahrs traten zwei Ereignisse ins Leben, die mir und meinen Freunden geistige Anregung und Genüsse, und Belebung des geselligen Verkehrs unter einander versprachen. Im November wurde der Neu-Weimar-Verein gestiftet. Die Idee dazu ging von mir aus. Ich hatte sie bereits im Laufe des Sommers Liszt mitgetheilt. Da ich damals meine guten Gründe hatte, daß es nicht aussehen sollte, als ob es von mir ausginge, setzte ich Herrn Dr. Richard Pohl in Kenntniß und bat ihn die passenden Leute, aus denen sich ein Verein, wie ich ihn im Sinn hatte, bilden ließe, einzuladen. Das Einladungsschreiben Pohl's, welches er ›im Auftrag Mehrerer‹ umher schickte, ist vom 17. November und beginnt also:

›Es ist von mehreren Seiten der Wunsch ausgesprochen worden, daß die, mit und durch Liszt näher Bekannten und Befreundeten einen Versammlungsort wählen möchten, an welchem sie zu bestimmten Zeiten sich zusammen fänden, um einer öfteren, regelmäßig wiederkehrenden Vereinigung sicher zu sein, und dadurch zugleich eine Centralisation gemeinsamer Bestrebungen zu erzielen.‹ – In Folge dieses Rundschreibens kamen wir den[90] 20. November zusammen. Den 27. fanden wir uns wieder ein. Es wurden viele Vorschläge gemacht, die mehr oder minder alle zu weit gingen; oft schien es, als wollten wir eine Akademie der Künste und Wissenschaften gründen. Schließlich kamen wir darin überein, daß wir als Verein zusammen kommen wollten, das Wie, Wo und Wann wurde künftigen Berathungen vorbehalten.

Das zweite Ereigniß war das Weimarische Sonntagsblatt, eine Unterhaltungszeitschrift, die unter Redaktion Jos. Rank's im Verlage von Böhlau erscheinen sollte. Auf die Einladung des Verlegers und des Herausgebers versprach ich mich dabei zu betheiligen.

Das Weihnachtsfest war unterdessen herangekommen und ich versuchte, wie ich immer gern zu Weihnachten gethan hatte, Anderen eine kleine Freude zu bereiten. Ich dichtete 12 lyrisch-dramatische Kindergedichte.9

Den 23. December um 4 Uhr holte mich Liszt ab zum Großherzog. Ich überreichte ihm für seine Gemalin und seine Mutter je ein Exemplar meiner beiden Sammlungen der Kinderlieder mit Clavierbegleitung. Er nahm sie sehr freundlich an. Dann las ich ihm meine zwölf neuen Kindergedichte vor, worüber er sehr erfreut war. Zum Abschied sagte er: ›Nun erlauben Sie mir, daß ich Ihnen recht herzlich die Hand drücken darf.‹

Was würde jener Mann gesagt haben, der zum alten und neuen Weimarischen Hofe in naher Beziehung stand, wenn er das gehört und gesehen hätte! Hatte er doch neulich sich geäußert: ›Wenn ich gewußt hätte, daß der etc. in Weimar bleiben würde, so hätte ich einen Fußfall gethan vor der Frau Großfürstin und gebeten, Alles aufzubieten, dies Unglück ab zuwenden.‹ Als wir in die Wilhelms-Allee gezogen waren, hat er geweint. Wie würde er geweint haben, wenn er gesehen hätte, wie wir den heiligen Christabend mit ein paar Freunden feierten! Wir waren fröhlich wie die Kinder über die kleinen Geschenke, die wir uns wechselseitig bescherten, als der Christbaum mit seinen glänzenden Lichtern alle die schönen Erinnerungen an unsere Kindheit hervorzauberte.[91]

Den andern Tag war großes Gastmal auf der Altenburg. Wir statteten unsern Dank ab für die reiche Christbescherung, womit uns die Fürstin und Liszt Tags vorher erfreut hatten. Ich schenkte der Fürstin meine neuen Kindergedichte, die ich nachher vorlas.

Unser Verein hatte sich beim Beginn des neuen Jahres (1855) bereits so weit entwickelt, daß man ihm, wenn die Theilnahme seiner Mitglieder nur so blieb, ein erfreuliches Gedeihen vorhersagen konnte. Liszt hatte uns zum Silvester-Abend auf die Altenburg eingeladen. Oben im dritten Stock waren drei Zimmer für uns hergerichtet, im mittelsten stand eine lange gedeckte Tafel. Um 9 Uhr begann das Essen und zugleich eine große Heiterkeit. Nachdem mehrere Hochs ausgebracht waren, hielt ich eine Heerschau10 über die Mitglieder des Vereins, die fast alle zugegen waren. Ich hatte durchaus nicht die Absicht, Lob zu spenden, vielmehr die Eigentümlichkeiten, absonderlichen Neigungen und kleinen Schwächen in dem Leben und Streben jedes Einzelnen, so weit sie mir kund geworden, auf eine scherzhafte Weise zur Sprache zu bringen. Mein Scherz gelang, Alles lachte, und in heiterster Stimmung begrüßten wir bald nachher das Neue Jahr.

Mitglieder des Vereins bei seiner Gründung waren: Dr. Franz Liszt, Hoffmann von Fallersleben, die Musikdirectoren Carl Stör und Carl Montag, die Mitglieder der Hofcapelle Edmund Singer, Bernhard Coßmann und Johann Walbrül, Hofschauspieler Eduard Genast, die Musiker Hans von Bronsart, Peter Cornelius, Dionysius Pruckner, Alexander Ritter, Ferdinand Schreiber und Eugen von Soupper, Dr. Richard Pohl, Dr. Josef Rank, Joachim Raff; bald darauf traten hinzu Dr. Oscar Schade und Professor Friedrich Preller, im folgenden Jahre noch Hofschauspieler Heinrich Grans, Maler Sixtus Thon und die Musiker Rudolf Viola und Alexander Winterberger.

Ueber die Statuten und den Namen des Vereins wurde viel hin und her gesprochen, endlich einigten wir uns über einige Punkte, die ich in folgende Distichen zusammenfaßte:[92]


Die zwölf Gebote des Neu-Weimar-Vereins.

§. 1. Zweck des Vereins sind wir, wir wollen uns suchen und finden,

Und mit dem Einen Zweck haben wir Alles bezweckt.

§. 2. Weil an den Raum und die Zeit in der Welt ist Alles gebunden,

Binden wir billig uns auch wenigstens streng' an die Zeit.

§. 3. Montag-Abend um acht verpflichtet sich jeder zu kommen,

Ueber das Wo wird alljährlich gefaßt ein Beschluß.

§. 4. Und so wie Eine Sonne die Welt beleuchtet und wärmet,

Soll ein einziger Stern unsere Sonne nur sein.

§. 5. Aber die Sonne, genannt Vorsteher, vermag doch nicht Alles:

Darum steht ein Geschäftsführer zur Seit' ihr als Mond.

§. 6. Unsere Zahl soll sein wo möglich ohne Beschränkung,

Ausgeschlossen jedoch ist der Beschränkte mit Recht.

§. 7. Will man die Mitgliedschaft des Vereines erlangen, so soll das

Nur auf folgende Art künftig und immer geschehn.

§. 8. Melden kann man sich nie, für Jeden ist nöthig ein Vorschlag,

Ferner bedarf's dann zwei Drittel der Stimmen zum Ja.

§. 9. Vierzehn Tage hindurch wird reiflich erwogen die Sache,

Endlich erfolgt ein Nein oder ein freudiges Ja.

§. 10. Bleib' Alt-Weimar für sich, wir bleiben für uns und es ist uns

Jeglicher Heimische fremd, aber willkommen der Gast.

§. 11. Altes giebt es genug, wir hoffen was Neues in Weimar,

Darum haben wir Neu-Weimar-Verein uns genannt.

§. 12. Wenn wir's finden in uns, so wird es sich finden in Weimar,

Und frisch, fröhlich und frei können wir lange bestehn.


Unter den vielen Vorschlägen zu einer Benennung des Vereins wurde endlich der von mir gemachte angenommen: Neu-Weimar-Verein. Als Vereinstag stellten wir den Montag fest und als Zeit die siebente Stunde Abends. Zum Versammlungsort mietheten[93] wir ein Zimmer für unsern Abend im Stadthaus, der Betrag dafür wurde durch monatliche Geldbeiträge erhoben. Zum Präsidenten wurde Liszt erwählt, ich zum Vizepräsidenten und Schreiber zum Geschäftsführer.

Um die Mitglieder noch mehr an die Vereinsabende zu fesseln und ihnen zugleich Gelegenheit zu geben, selbst mitwirkend sich zu betheiligen, wurde der Vorschlag angenommen, ein handschriftliches Witz- und Scherzblatt zu gründen, das jeden Abend im Verein vorgelesen werden sollte. Raff wurde mit der Leitung betraut und nahm sich der Sache mit vielem Eifer und Geschick an. Die Laterne – so wurde unser Blatt getauft – ließ ihr Licht so glänzend leuchten durch ihre mancherlei treffenden Witzfunken und Blitze, daß große Heiterkeit und Wärme in die ganze Gesellschaft ausströmte.

Obschon meine Betheiligung an dem Vereine und mein Verkehr mit der Altenburg meine Zeit mitunter sehr in Anspruch nahm, so wirkte doch beides sehr anregend und erfreulich belebend auf mich. Ich verfaßte manchen Aufsatz für das Jahrbuch und schritt im Laufe des Januars sehr weit vor mit der neuen Ausgabe der niederländischen Volkslieder (Pars II. der Horae belgicae). Daß ich für so manche mühsame wissenschaftliche Arbeit, deren Honorar mir oft nicht einmal die damit verbundenen Kosten ersetzte, noch b steuert werden sollte, hätte mich überall anderswo weniger überrascht als hier in dem classischen geistesfreien Weimar. In den ersten Tagen des Januars nämlich erschien bei mir ein Rathsdiener mit einem Rundschreiben des Bürgermeisters Wilhelm Bock, worin auch ich aufgefordert wurde, meinen ›literarischen Erwerb für das laufende Jahr zuförderst einer Selbstschätzung behufs dessen Besteuerung zu unterwerfen.‹ Ich erklärte, daß ich mich darauf nie einlassen würde, da ich bereits als Gemeindebürger von Almerich Gemeinde-, Kreis- und Staatssteuern bezahle, ich schrieb mir aber das merkwürdige Actenstück ab, das mir zuerst den Beweis lieferte, daß die Schriftstellerei wenigstens in Weimar nicht als freies Gewerbe betrachtet wurde. Uebrigens war auch Liszt aufgefordert worden, sich über seinen litterarischen Erwerb auszuweisen, Liszt, dem seine Schriftstellerei nur Geld kostete.

In den Februar fielen die Geburtstage der Fürstin von Wittgenstein und ihrer Tochter Maria. Beide Tage wurden immer[94] festlich gefeiert. Ehe ich weiter davon erzähle, will ich Näheres über die Altenburg mittheilen.

Jenseit der Ilm hinter einem hochgelegenen Tannenwäldchen an der Landstraße nach Jena steht ein dreistöckiges Haus, das sein früherer Besitzer seiner Gemalin zu Liebe ›die Altenburg‹ nannte. In diesem Hause, das später der Großherzog kaufte, wohnte damals die Fürstin11 mit ihrer Tochter und deren Gesellschafterin Miß Anderson, und in dem Nebenbau Liszt. Die Fürstin hatte die Zimmer zum Theil fürstlich herrichten lassen, es waren darin kostbare, geschmackvolle Möbeln und Kunstsachen aller Art.12 Sie waltete wahrhaft fürstlich durch ihre Gastfreundschaft und die Art und Weise, wie sie ihre Gäste empfing und zu beehren verstand. Sie war geistreich, vielseitig gebildet, belesen, eine Kunstkennerin, hatte in vielen Dingen ein richtiges Urtheil, war immer bereit, jedes edele Streben zu fördern, erwies sich gegen Andere freundlich theilnehmend, unterstützte Arme und Kranke, und wußte diejenigen, die sie ehrte und liebte, bei allen Gelegenheiten auszuzeichnen. Daß sie in letzter Beziehung oft einseitig sein konnte und auch dadurch wol ungerecht gegen Andere wurde, darf man wenigstens ihrem guten Herzen nicht zum Vorwurf machen. Trotz manchen Trübsalen, die sie schon früh erleben mußte, hatte sie sich einen heitern Sinn bewahrt, wenigstens konnte sie Anderen gegenüber recht heiter sein und sich bei freudigen Gelegenheiten den Anschein geben, als ob auch sie sich recht glücklich fühlte. Die Meinigen haben mit mir ihr immer ein liebevolles Andenken bewahrt und nie vergessen, wie viel Gutes sie uns erwiesen, wie viele frohe Stunden sie uns in Weimar bereitet hat.

Die Prinzeß Maria13, jung, jugendlich schön, wie eine aufblühende Rose, jungfräulich schüchtern, harmlos und milden, heiteren[95] Sinnes, gewann durch ihr immer liebenswürdiges Wesen Aller Herzen. So zurückhaltend und still sie in größeren Gesellschaften war, so mittheilend und lustig konnte sie in kleinen Kreisen sein, wo sie sich behaglich und heimisch fühlte. Ein poetisches Gemüth, das die Prosa des Lebens noch nicht kannte. Sie hatte viel gelernt, und schien sich zu erholen, wenn sie lesen konnte was sie ansprach. Bewundernswerth war ihr Sprachentalent: sie sprach deutsch, französisch, englisch, italienisch und polnisch. Ihre Mutter hegte eine zärtliche, überschwängliche Liebe zu dieser ihrer einzigen Tochter, und jede Aufmerksamkeit, selbst die kleinste, die man dieser bewies, nahm die Mutter auf, als ob dieselbe zugleich ihr gälte. – Große Freude gewährte es mir, daß die Prinzessin mit meiner Frau in einem fast innigen Verkehre stand. Sie kam öfter in unser Haus und beide wußten sich dann so scherzhaft zu unterhalten, daß ich oft von fern das Lachen hörte.

Dr. Franz Liszt, der großherzogliche Hofcapellmeister, war immer der geistreiche, bedeutende Künstler, der liebenswürdige Gesellschafter, der theilnehmende Freund. Kein Wunder, daß bei diesen drei Persönlichkeiten ein Besuch auf der Altenburg sehr anziehend und angenehm sein mußte. Und wirklich, es war denn auch, als ob dort Hof gehalten würde für alle Geister im Gebiete des Könnens und Wissens.

8. Februar mit Professor Preller's auf der Altenburg. Wir beglückwünschen die Fürstin zu ihrem Geburtstage. Preller überreicht eine Jugendzeichnung Genelli's: ›Raub der Europa‹, und Ida zwei blühende Hyacinthen mit einem Gedichte von mir.14 Bei der Mittagstafel bringe ich zwei Trinksprüche15 aus, einen scherzhaften und einen ernsten. Beim letzten kommen allen die Thränen in die Augen.

12. Februar. In einem langen Briefe, von einer Handschrift Genelli's begleitet, bat mich die Fürstin, einen Trinkspruch auf Genelli zur Mittagstafel mitzubringen. Ich hatte erst neulich verschiedene Handzeichnungen dieses Künstlers in der Sammlung der Fürstin gesehen und bewundert, und so Manches über sein Leben gehört,[96] auch aus dem Munde seines Freundes Preller, daß es mir leicht ward, etwas Bezügliches, Treffendes sagen zu können. So schrecklich mir sonst alles Müssen ist, besonders aber das Dichten-Müssen, hier war es mir nicht allein leicht, sondern auch lieb. Zu rechter Zeit fand ich mich mit der bestellten Arbeit ein. Die Fürstin war fast eben so erfreut über meine Bereitwilligkeit, ihre Wünsche zu erfüllen, als über meinen Trinkspruch.16

18. Februar waren wir eingeladen zum Geburtstage der Prinzeß. Ida überreichte ein japanisches Körbchen mit frischen Blumen. Beim Mittagsmale trug ich einen Trinkspruch auf die Prinzeß vor.17 Zugegen waren außer uns Berlioz, Cornelius und die beiden Preller, der Hofrath und der Professor. Wir waren alle in so jugendlich heiterer Stimmung, daß ich nun auch noch die Jugend leben ließ.18 Um 8 Uhr große musikalische Unterhaltung. Viele bekannte Männer und Frauen. Liszt spielte Mazeppa und dann mit Singer eine Raff'sche Symphonie. So endete der frohe genußreiche Tag.

20. Februar im Neu-Weimar-Verein Abendessen zu Ehren Hector Berlioz. Das Weimarer Sonntags-Blatt von Josef Rank 1855 enthält darüber einen ausführlichen Bericht.19

Nachdem der Verein es nicht verschmäht hatte, in die Oeffentlichkeit zu treten, wurde im Vereine selbst viel gestritten über den Zweck desselben und seine künftige Wirksamkeit. Der Streit wurde oft sehr heftig, und es schien, als ob einer und der andere nicht eben geneigt wäre, zum Besten des Ganzen etwas von seinen Ansichten aufzugeben, ein Uebel, woran die meisten Vereine leiden und gewöhnlich allmählich zu Grunde gehen. Einige Mitglieder kamen so heftig an einander, daß ihnen kein anderer Weg übrig blieb als auszuscheiden. Den 5. März meldete Raff seinen Austritt, bald[97] darauf schieden auch Dr. Schade und Dr. Pohl aus. Es war zu beklagen, daß durch den Austritt dreier Litteraten – denn dazu gehörte auch der gelehrte frühere Oberlehrer Joachim Raff – die litterarische Seite des Vereins sehr einbüßte und die vorwiegende musikalische Richtung sich jetzt noch geltender machen konnte. Es war überhaupt vom Anfang an nicht eben ersprießlich, daß so viele junge Musiker ausgenommen wurden, sie waren fast alle Schüler Liszt's, die nur in ihm ihren einzigen Herrn und Meister anerkannten, liebten und verehrten und sich nie in Bezug auf den Verein als unabhängige Mitglieder kundgaben.

Es erfolgte eine große Verstimmung und einige Wochen fand keine Sitzung statt. Daß übrigens der Verein lebensfähig war, schien niemand weniger zu bezweifeln als unsere Feinde. Sie ergossen sich in allerlei schlechten Witzen in Panse's ›Deutschland‹, dem unentbehrlichen Käse- und Wurstblatt Weimars.

17. März. Preller war auf der Wartburg und ließ mir durch seinen Sohn Emil melden, daß er mich dort erwarte. Das Wetter war wunderschön, und so entschloß ich mich denn hinzureisen. Abends um 7 war ich in Eisenach. Ich spazierte zur Wartburg hinauf und kam in der Dunkelheit sehr ermattet oben an. Ich frage den Wachtposten: ›Ist der Herr Commandant zu Hause?‹ – ›Nein.‹ – ›Auch der Herr mit dem großen Barte nicht?‹ – ›Nein, der ist diesen Morgen mit seiner Reisetasche hinabgegangen.‹ – Angenehme Ueberraschung! Ich frage den Wirth, ob ich die Nacht hier bleiben könne. ›Lieber Herr, wir haben weder Gemach noch Betten.‹ – Endlich wende ich mich an den Baumeister, Herrn Dittmar, und der schafft Rath: er schickt den Bedienten hinab, um meine Ankunft zu melden. Wir gehen in die Gaststube. Es dauert nicht lange, da kommt Preller auf einem Maulthiere angetrabt und endlich von Arnswaldt zu Esel. Wir gehen in des Commandanten Wohnung, speisen zu Nacht und sind sehr vergnügt.

Den andern Tag besehen wir die Burg, das Fertige und im Bau Begriffene, die Rüstkammer, den Rittersaal, die Capelle etc. Als wir so recht gemüthlich bei Tische sitzen, scheint es mir eine gute Gelegenheit, Preller und seinem lieben Freunde Arnswaldt eine[98] freundliche Erinnerung an unser hiesiges Zusammensein zu bereiten, und ich bringe ein Hoch aus.20

Später fahren wir nach dem Annathale und dann nach Eisenach. Hier feiern die Bürger das Lätarefest auf eigenthümliche Art. In einem Bezirke der Stadt, der eben an der Reihe ist, hat jeder freien Zutritt zum Kaffee mit Kuchen und einer Pfeife Tabak. Ich wünsche diese Art von alter Gastfreundschaft kennen zu lernen und in ein beliebiges Haus zu gehen. Preller will nicht recht, aber muß mit, und bald sitze ich mit der langen irdenen Pfeife vor meiner Tasse Kaffee unter lauter wildfremden Menschen. – Wir fahren zur Wartburg wieder hinauf und sind den Abend noch recht heiter mit unserm liebenswürdigen Wirthe zusammen. Den andern Morgen treten wir unsere Rückreise an.

19. März. Wieder Verein nach alter Art; die Laterne unter Cornelius' Leitung vortrefflich, die Stimmung gut. Weil es nun eben Josephstag war, so wollte ich auch eines Josephs freundlich gedenken und brachte einen Trinkspruch aus auf Joseph Rank.21

20. März. Schon lange war es mir höchst unangenehm, daß die Beiträge meines Antheils zum Jahrbuche in einem und demselben Bande bunt durch einander liefen mit denen des Dr. Schade. Damit es nun künftig nicht wieder hieße, wie vom 1. Hefte des 1. Bandes in einer Beurtheilung: ›es bringt einige sehr werthvolle, doch auch einige höchst einseitige und langweilige Beiträge‹, so einigte ich mich mit Schade, daß vom 3. Bande an jedesmal er das 2. Heft, ich das 1. lieferte, niemand also für den andern eine Verantwortlichkeit zu übernehmen hätte.

23. und 24. März in Jena. Ich besuche Göttling, von Liliencron und Hettner. Den beiden letzten und noch einem dritten Professor, welche Jena verlassen, wird ein Abendessen gegeben. Ich möchte gern dabei sein, um bei der Gelegenheit noch einige Professoren kennen zu lernen. Da ich aber kein College bin, so geht es nicht und ich muß die Sonne, worin das Gastmal ist und ich wohne, den Abend verlassen und mich im Bären der Einsamkeit ergeben. Kurz vorher sendet mir Göttling ein Briefchen:[99]


›Lieber Hoffmann!


Ich bin herumgelaufen und hab sondirt.


»Achselzucken, Kümmereien,

Und er hieß ein Patriot.«


Man sagte mir, daß, da es ein rein collegialisches Zusammenseyn heute Abend seyn solle, einen Fremden einzuführen nicht passend seyn würde. Da haben Sie es; ich mochte nicht mehrere weiter fragen, weil das Ihnen, der ohnehin nicht viel entbehren würde, unangenehm seyn könnte. Und damit nehmen Sie uns, wie wir es sind, als Philister unserer eigenen Art.

Ihr Goettling.‹


2. April. Auf der Altenburg wird zugleich Liszt's Namenstag und mein Geburtstag gefeiert. Ohne Trinksprüche geht es nicht mehr, und so bin ich denn auch diesmal vorbereitet. So mühsam es mir mitunter wurde, bei denselben öfter wiederkehrenden festlichen Anlässen etwas Neues zu sagen, so war es mir doch immer eine große Freude, Andere auf diese Weise zu erfreuen und ihnen ein Zeichen meiner Liebe und Verehrung kund zu thun. Dazu kam noch, daß die Fürstin eine besondere Liebhaberei daran hatte und eifrig Bedacht nahm, daß jeder Trinkspruch, jedes kleine Gedicht von mir, das dem Augenblicke geweiht und mit dem Augenblicke verloren gehen sollte, dennoch, wenn es irgend auf die Altenburg Beziehung hatte, von mir gebucht werden mußte. Es war dafür ein eigenes Album angelegt, und dies war bereits zu einem Buche gediehen, daß davon eine saubere Abschrift mit Randzeichnungen des Malers Sixtus Thon für die Prinzessin veranstaltet werden konnte. Das neue Album erhielt heute einen reichen Beitrag.22

Ein heiteres Mittagsmal. Außer den Meinigen waren noch zugegen F. Preller und Cornelius und zwei musicalische Frauenzimmer, die gerne Schülerinnen Liszt's genannt werden möchten. Zum Schlusse brachte noch Cornelius mir ein Hoch aus:


Ihm, der Freiheit singt, und dem frei das Herz schlägt,

Ihm, der Liebe preist und in Liebe walter,

Der den Wein erhebt, und vom Wein erhoben

Freudiger singet;[100]


Der nach Schätzen forscht in der Vorzeit Tagen,

Neues heute schafft, was da nie veraltet,

Stolz ein Ring sich fühlt in der ew'gen Kette

Geistigen Lebens;


Den ein klangreich Lied in dem Kreis der Seinen,

Den ein guter Fund auf des Forschers Pfaden,

Den ein Becher Wein, wie der Freund ihn bietet,

Glücklich und reich macht:


Ihm ein dreifach Hoch, dem der Rosen drei blüh'n,

Freiheit, Lieb' und Wein um den Kranz des Wissens,

Ihm dies Glas geleert, den in freiem Liebe

Froh wir verehren.


Der Großherzog hatte sich über meinen Trinkspruch auf seine Genesung23 sehr gefreut, mir durch Liszt danken lassen und beim Abschiede diesem noch gesagt: ›Vergessen Sie in den Hoffmann nicht!‹ worauf Liszt entgegnet: ›Und königliche Hoheit, vergessen Sie auch den Hoffmann nicht!‹

14. Mai im Neu-Weimar-Verein mit Hackländer. Ich brachte ein Hoch auf ihn aus, das also endete:


Stoßt an! sagt Liszt der Tabakspender:

Hoch lebe der Hofrath – Hackländer!24


Daß mir dieser Scherz noch ein Honorar einbringen würde, ahndete ich nicht. Am andern Morgen sendete Liszt zwei Kisten Cigarren.

19. Mai. Nachmittags um 6 kehrte ich von Belvedere zurück. Schon um 5 hatten sich bei Ida die Wehen eingestellt. Die Hebamme und Frau Preller warteten auf die Entbindung. Ich war in höchster Aufregung: ich gehe in den Garten, finde nirgend Ruhe, hacke Holz, begieße Blumen. Um 7 erschallt der Ruf: ›ein tüchtiger Junge!‹ Seit einem Vierteljahre hatte ich vor diesem Augenblicke große Angst gehabt – jetzt war Alles gut und ich verkündete sofort dies frohe Ereigniß der Altenburg und meinen Freunden.[101]

8. Juni Mittagsmal auf der Altenburg. Ich treffe dort Ernst Rietschel und Ernst Förster. Beide kannte ich bisher noch nicht persönlich. Ich stelle mich ihnen vor und nehme Theil an ihrem Gespräche. Beide sind nicht sonderlich erbaut von der neuen Zeit; sie sehen in ihr eine gar zu materielle Richtung und keine sonderliche Begeisterung für das Schöne in Litteratur und Kunst. Ich kann ihnen nicht recht beistimmen, namentlich Rietschel'n nicht, der sehr trübe in die Zukunft sieht und wenig Gutes für die Kunst erwartet. Bald treten Liszt und Jos. Rank ein, dann die Fürstin mit ihrer Tochter, Prinzeß Maria. Wir begeben uns zu Tische und erfreuen uns einer lebhaften, vielseitigen und heiteren Unterhaltung. Jedem der beiden Gäste bringe ich ein Hoch aus.25

Gegen Abend machte ich mit Rietschel einen Spaziergang nach Tiefurt, woran außer einigen anderen noch F. Preller, der langjährige Freund Rietschel's, und Secretär Schuchardt theilnahmen. Ich unterhielt mich lange mit Rietschel, wir sprachen uns wechselseitig aus über Gegenwart und Zukunft der jetzigen Bestrebungen und Richtungen auf dem Gebiete der zeichnenden und bildenden Künste.

Rietschel war nach Weimar gekommen, um sich nochmals den Platz für das Göthe-Schiller-Denkmal anzusehen, und mit dem Denkmal-Comité Rücksprache zu nehmen. Es verdroß mich, daß sich niemand vom Comité um den Künstler weiter bekümmerte. Da meinte ich, wir wollen ihm wenigstens ein Zeichen unserer Liebe und Verehrung geben. Meine Freunde waren einverstanden: der Neu-Weimar-Verein veranstaltete Rietschel'n zu Ehren ein Festessen, mehrere Nicht-Mitglieder betheiligten sich, und am 9. Juni fand unsere Festlichkeit statt, im russischen Hofe. Nachdem wir schon eine Zeitlang in heiterer Stimmung bei Tische gesessen, brachte ich einen neuen Trinkspruch26 auf den Künstler aus. Rietschel war sehr überrascht und bis zu Thränen gerührt, und dankte mir herzlichst. ›Ja, sagte er, und das Bim bam bum erinnert mich lebhaft an meine Kindheit: wie manchmal habe ich als kleiner Junge für meinen Vater die Betglocke ziehen müssen!‹ Solche Anspielung hatte ich natürlich nicht beabsichtigen können, da ich eben jetzt erst erfuhr, daß R. der[102] Sohn eines Küsters war und seine Kindheit im elterlichen Hause auf dem Dorfe Pulsnitz bei Dresden verlebte.

Es war ein schöner Abend: der gefeierte Künstler mußte sich bald überzeugen, wie rein und innig unsere Liebe und Verehrung für ihn und seine Leistungen war. Er wollte Allen Dank sagen, er kam aber nicht dazu, denn er meinte, er könne nun einmal nicht öffentlich reden, und so übernahm ich es, in wenigen scherzhaften Versen für ihn zu danken. Rietschel verweilte noch einige Tage in Weimar. Ich hätte ihn gerne noch Einmal gesprochen, aber er war dermaßen in Anspruch genommen, daß mein Wunsch unerfüllt blieb.

Noch am Festabend hatte mich Joseph Rank gebeten, ihm meinen Trinkspruch für sein ›Sonntagsblatt‹ zu überlassen. Ich versprach's und er erhielt zu rechter Zeit eine Abschrift. Der Sonntag kam und mit ihm das Sonntagsblatt, aber ohne meinen Trinkspruch. Der Verleger, Herr Böhlau, hatte ihn anstößig gefunden und die Aufnahme verweigert, um jedoch meinen Wünschen zu entsprechen, einen besonderen Abdruck veranstaltet. Ich erklärte, daß mir das durchaus nicht genügen könnte, eine Staatscensur hätte ich leider oft genug erdulden müssen, eine Buchhändlercensur würde ich mir nie gefallen lassen und von jetzt an nie mehr eine Zeile zum Weimarischen Sonntagsblatt liefern.27 Der unerwartete Reim auf Rietschel: das Gequietschel der materiellen Philister – war dem engherzigen Verleger zu stark gewesen.

Ich hatte meinem Trinkspruche eine größere Verbreitung gewünscht, mußte nun aber vorläufig darauf verzichten. Ich schickte an Rietschel einen Abdruck und scherzte über die unerhörte Anmaßung eines Buchhändlers, der mir gegenüber ein unfehlbarer, gediegener Kunstrichter sein wollte. Seitdem dachte ich oft au den lieben bescheidenen Künstler und wünschte sehnlichst ihn einmal wieder zu sehen und ihm ein Zeichen meiner Liebe und Verehrung als kleinen Dank darzubringen für all das Große, Schöne und Herrliche, dessen wir uns zu erfreuen hatten und noch erfreuen würden.

Sein letztes großes Werk: die Standbilder Göthe's und Schiller's[103] waren endlich vollendet. Sie kamen nach Weimar und der Künstler selbst. Den 3. September 1857 war die Grundsteinlegung zum Denkmal für Carl August. Da ich von aller näheren Betheiligung ausgeschlossen war, so fühlte ich mich nicht im mindesten veranlaßt theilzunehmen. Es war ein Hof- und Hofrathsfest. Man hatte nicht einmal daran gedacht, Rietschel'n einen Sitzplatz anzuweisen, er mußte in der Hofbibliothek auf eine Leiter klettern, um ein Treppenfenster zu erreichen und von dort aus die Feierlichkeit sich mit anzusehen. – Den zweiten Tag war die Enthüllung der Dichtergruppe. Nun erst gedachte man würdig des Künstlers: er wurde allergnädigst bewillkommnet und beehrt und vom Volke bejubelt, und dann dermaßen in Anspruch genommen, daß unser einer ihn nicht einmal zu sehen bekam. Ich hoffte noch immer irgendwo und wie mit ihm zusammen zu kommen. Vergebens. So blieb dann ungesprochen mein Trinkspruch,28 den ich Ihm aus vollem Herzen bringen wollte, und der als ein Immergrünblättchen dem Eichenkranze beigefügt werden mag, womit seine unsterblichen Verdienste das dankbare Vaterland krönt!

14. Juni ward unser Kind getauft. Pathen: Franz Liszt, Friedrich Preller und der Pastor zum Berge, des Kindes Großvater. Er erhielt nach diesen dreien die Namen Franz Friedrich Hermann. Ein fröhliches Mal beschloß das Familienfest, woran außer den beiden Pathen auch noch Frau Preller und Ida's älteste Schwester Adele, die erst vor einigen Tagen angekommen war, theilnahmen.

2. Juli. Liszt fuhr mit mir um 11 Uhr nach dem Römerhaus. Der Großherzog empfing uns sehr huldvoll und bot uns eine Cigarre an. Ich überreichte das neue Heft des Jahrbuchs (das 1. des 3. Bandes)29 und den Trinkspruch auf Rietschel. Wir unterhielten uns über allerlei. Nach 7 Viertelstunden war die Audienz zu Ende.

Im Laufe des Sommers hatte ich fortwährend an der neuen Ausgabe der niederländischen Volkslieder gearbeitet. Ich war, so weit meine Hülfsmittel reichten, jetzt im Juli damit fertig. Das[104] genügte mir aber nicht: eine Reise nach den Niederlanden schien mir nothwendig, um meinem Buche die möglichste Vollendung zu geben. So entschloß ich mich denn schnell zur Reise. In der Nacht auf den 1. August reiste ich ab, erreichte gegen Morgen Cassel, den Mittag Hamm. Da ich Crefeld nicht mehr erreichen konnte, blieb ich in Homberg. Den folgenden Morgen kehrte ich bei Conrad Wolff ein und verlebte mit ihm und den Seinigen einige angenehme Tage.

Den 6. August fuhr ich nach Lüttich, wo ich Professor Liebrecht besuchte. Wir waren eigentlich alte Bekannte, denn er erzählte mir, daß er in Breslau mein Zuhörer gewesen sei. Wir machten einen Spaziergang auf die Berge. Schöne Aussicht auf Lüttich, das leider in Rauch gehüllt war. Nach unserer Rückkehr blieb ich noch einige Stunden in seiner Familie. Wir unterhielten uns viel über deutsche Philologie und unsere persönlichen Beziehungen zu den Hauptvertretern derselben. Den andern Tag begleitete er mich zum Bahnhof.

Den 7. August nach Gent. Ich wohnte wieder im Hotel d'Allemagne. Da unten eine Bierstube war, die auch von den Gelehrten besucht wurde, so hatte ich eine bequeme Gelegenheit mit diesen zu verkehren und meine Wünsche gegen sie auszusprechen. Das mußte mir denn sehr willkommen sein. Die meisten waren durch Berufs- und andere Arbeiten sehr in Anspruch genommen, und an den Verkehr mit Fremden wenig gewöhnt, auch waren bei der großen Ausdehnung der Stadt die Wege zu ihnen sehr weit und raubten einem viel Zeit.

Mit Blommaert, Snellaert und Heremans verkehrte ich am meisten. Ihrer Gefälligkeit hatte ich es zu verdanken, daß ich meine nächsten Zwecke nach Wunsch erreichte. Sie legten mir Alles vor was sie wichtig für mich hielten, Bücher, Handschriften, Abschriften etc. und unterstützten mich mit Nachweisungen aller Art. Damit ich längere Zeit meinen Arbeiten widmen konnte, mußte ich mit ihnen zu Mittag speisen und setzte dann nach Tische meine Studien fort.

Eine sehr liebe Erinnerung sind mir die Stunden, die ich in der Familie Heremans verlebte. Heremans wie seine Frau und seine Schwägerin, die Wittwe des Dichters Ledeganck, wußten durch ihr[105] liebenswürdiges Wesen dazu beizutragen, daß ich mich recht heimisch in der Fremde fühlte. Das war besonders der Fall, als ich einen ganzen Sonntag mit ihnen draußen in ihrer Sommerwohnung zubrachte. Da wir nach Tische nicht mehr im Garten spazieren gehen konnten, weil es fortwährend regnete, so blieben wir im Zimmer sitzen und ich erzählte viel aus meinem Jugendleben, namentlich von meinem ersten Aufenthalt in Holland. Heremans und die Frauen hörten mir mit gespannter Aufmerksamkeit zu, und ich wunderte mich, daß ich selten um ein holländisches Wort verlegen war, sondern prächtig zu ›praten‹ verstand.

Frans Rens war auch während meines diesmaligen Aufenthalts wieder wie früher sehr theilnehmend und gefällig. Da er ein Stammgast des Hotels d'Allemagne war, so traf ich ihn jeden Abend, wenn ich mich dort einfand. Als einer der Hauptmänner der vlämischen Bewegung und sehr thätiger Schriftsteller konnte er mir manchen Aufschluß über das Streben und Wirken seiner Gesinnungsgenossen ertheilen. Oefter war ich auch zusammen mit Felix Alphons Boone, Herausgeber der ›Broedermin‹ ebenfalls ein eifriger Mitkämpfer für die vlämische Volksthümlichkeit: er hatte es zuerst gewagt, in einer öffentlichen Versammlung eine vlämische Rede zu halten.

So war mir denn Gent von neuem lieb und werth geworden, und ich schied nur mit dem einen schmerzlichen Gefühle, daß Willems für die Wissenschaft und auch für mich zu früh (1846) gestorben war.

Den 14. August kam ich nach Brüssel. Ich besuchte gegen Abend Herrn Schulte, einen hier ansässigen deutschen Kaufmann, den ich in Gent kennen gelernt hatte. Er erbot sich, da den folgenden Tag Mariä Himmelfahrt sei, mir den ganzen Tag zu widmen. Ich nahm das freundliche Anerbieten an. Am Morgen des anderen Tages fand sich Herr Schulte bei mir ein. Auf unserer Wanderung durch die Stadt kamen wir an die Magdalenen-Kaufhalle. Wir gingen hinein. In den oberen Räumen waren auch Buchläden. Ich trat in einen hinein und fragte nach vlämischen Büchern. Der Antiquar war überrascht und schüttelte mit dem Kopfe. Er hatte nur lauter französische Bücher feil. Ich sah den kleinen Vorrath schnell durch und fand zu meiner nicht geringen Ueberraschung eine Sammlung[106] französischer Lieder, 9 Bände mit etwa 1500, alle mit Musiknoten. ›Die muß ich haben,‹ sagte ich zu Schulte, ›aber der Kerl wird zu viel dafür haben wollen.‹ Ich fragte nach dem Preise und der schien mir zu hoch. Da meinte Schulte: ›Wir bekommen sie – wir wollen weiter gehen, er besinnt sich unterdessen und folgt uns bald nach.‹ Richtig. Kaum waren wir bei seinem Nachbar, da fand er sich ein. Er hatte seine Forderung ermäßigt, ich bot 16 Francs und der Handel war abgeschlossen. Wir packten unsern Schatz zusammen und trugen ihn heim. Schulte hatte mich zum Mittagsessen eingeladen. Bei Tische untersuchten wir die 9 Bände und sahen nun erst, welchen bedeutenden Fund ich gemacht hatte: lauter Lieder kurz vor und während der Revolution. Der Sammler muß in einer sehr glücklichen Lage gewesen sein: es war in jener Zeit oft lebensgefährlich etwas zu besitzen was der herrschenden Partei für Hochverrath galt und bestraft wurde.

Den 16. August war ich bei Dautzenberg zum Mittagessen. Ich lernte ihn schon im vorigen Jahre kennen. Seiner Gemüthsrichtung und wol seiner ganzen Bildung nach war er ein Deutscher, und das spricht sich auch in seinen vlämischen Gedichten aus. Es war ein hübscher Mittag, und obschon vlämisch, deutsch und französisch gesprochen wurde, so entwickelte sich doch trotz diesem Mischmasch viel reine Heiterkeit. Es macht übrigens doch einen eigenen Eindruck, wenn man sich unter den Männern der vlämischen Bewegung befindet und sieht und hört in ihren amtlichen und geselligen Beziehungen nichts Vlämisches und lieft dann ein vlämisches und noch dazu ›vaterländisches Lied‹ von ihnen, dessen zweite Strophe übersetzt also lautet:


Schätzt doch der Väter reine Sitten

Und ihren nie gebeugten Muth,

Erinnert euch wofür sie stritten

Und opferten ihr Gut und Blut.

Die Sprache, ihnen angeboren,

Die Sprache, unsrer Freiheit Wehr,

Geht Vlanderns Sprache einst verloren,

Dann lebt auch Vlanderns Volk nicht mehr.


[Von Brüssel aus wendete Hoffmann sich zunächst nach Antwerpen,[107] wo er Hendrik Conscience aufsuchte und im Gedankenaustausch mit diesem eifrigen Vorkämpfer der vlämischen Bewegung einige genußreiche Tage verlebte. Dann berührte er Leiden, wo er seinen alten Freund und Gönner, den Dr. Salomon, wiedersah. Er fand den hochbetagten noch sehr rüstig und heiterer als im Jahre vorher. Hierauf folgte er einer Einladung des Oberbibliothekars Holtrop nach dem Haag. Von hier schrieb er an Ida:]


›Haag 3. September 55.

Es geht mir gut. Ich wohne in einem kleinen Zimmer in der königlichen Bibliothek mitten unter Büchern und Handschriften. Was nur von litterarischen Dingen vorhanden ist, steht mir zur Benutzung frei. Ich bin sehr fleißig und gehe oft gar nicht einmal vor die Thür. Obschon ich über acht Tage hier bin, so habe ich doch noch nicht Alles erschöpft; ich muß zuviel nachsehen und ausziehen. Ich werde wol noch diese Woche bleiben müssen ....

Sonntag 26. August. Abends die Familie Holtrop-Campbell bei uns im großen Saale. Herr Nicolai, ein junger Musiker, spielte mehrere Lieder eigener Composition, so auch: »Ich muß hinaus, ich muß zu Dir«, von mir. Du wirst es kennen, er hat es mir durch Marshall zukommen lassen, es ist bei Breitkopf und Härtel gedruckt.

Dinstag fuhren wir ins Seebad Scheveningen, kamen aber um 11 schon wieder heim. Um 1 Uhr besuchte ich die Gräfin d'Agoult. Eine sehr interessante Frau. Sie hatte mich kennen zu lernen gewünscht und brieflich zu sich eingeladen ...

Freitag, den letzten August, war ich mit Holtrop und seinem Schwager zur Gräfin d'Agoult zum Mittagsessen (5 Uhr) eingeladen. Wir trafen dort noch einen französischen Schriftsteller Mr. Esquirol und einen holländischen Maler, Bosboom mit seiner Frau, einer bekannten holländischen Schriftstellerin, die unter dem Namen Bosboom-Toussaint schreibt. Alles ganz à la Altenburg, sehr fein; es fehlte nicht an Rheinwein und Champagner. Die Unterhaltung war sehr lebendig, französisch, deutsch und holländisch. Wir gingen um 8 Uhr ganz befriedigt heim ...

Ich habe in Gent, Brüssel und hier wieder mehrere Loverkens gedichtet. Sie haben ganz ungemein gefallen und so werde ich denn[108] von dem 8. Theile der Horae belgicae gelegentlich wieder eine neue Ausgabe veranstalten.30 Daß die alten in 4000 Exemplaren in Gent nachgedruckt und um 15 Centimen verkauft wurden, weißt Du doch. Die Wirkung ist bedeutender als ich mir je gedacht hatte ...‹

Den 14. September reiste ich vom Haag ab. Drei Wochen hatte ich so zur Familie Holtrop gehört, daß sie mich wie einen alten Freund und Verwandten betrachteten. Gerührt über die vielen Beweise inniger Theilnahme und zugleich erfreut über die befriedigenden litterarischen Erfolge nahm ich Abschied.

In Crefeld kehrte ich bei Conrad Wolff wieder ein und verlebte mit ihm und seiner Familie in alter Gemüthlichkeit zehn sehr frohe Herbsttage.

Den 25. September in Düsseldorf. Dort besuchte ich Ferdinand Lassalle. Offenbar ein geistreicher Mensch von vielseitigem Wissen, der durch seinen Geist, aber auch durch andere Dinge, die Aufmerksamkeit auf seine Person zu lenken versteht. Er lud mich ein, mit ihm aus einer dreiröhrigen türkischen Wasserpfeife zu rauchen. Ich begnügte mich mit einem Versuche, das Schmurgeln war mir denn doch zu eklich. Er ergötzte mich durch seine Unterhaltung, er sprach sehr anziehend über Paris und Heinrich Heine. Bei einem feinen Abendessen und einer Pfirsichbowle plauderten wir uns in die Nacht hinein.

27. September – 2. October in Neuwied. Ich war beim ›wilden Mann‹ eingekehrt. Piel gab es nicht zu, daß ich unter Wilden hauste, ich mußte bei ihm wohnen, und das war mir denn auch sehr angenehm. Wir unterhielten uns viel über Neuwied, das damalige und das heutige, und ich erzählte viel von Weimar und meinen Reisen. Ich sah die alten Freunde und Bekannten wieder, machte mit diesem und jenem einen Ausflug in die Umgegend und war des Abends mit ihnen immer im Casino, wo sich denn noch regelmäßig ›die alte Garde‹ einfand. Ich blieb nur noch drei Tage unterwegs, übernachtete in Coblenz, Castel und Gießen und traf den 5. October in Weimar ein.

Die Meinigen waren alle wohl und munter. Auf meinem Arbeitstische lagen viele Pakete und Briefe. Ich griff den ersten[109] besten heraus und las. Holtrop berichtete mir aus guter Quelle, daß mich der König von Holland zum Ritter des niederländischen Löwens ernannt habe. Ich packte nun meine Geschenke aus, Alles war sehr erfreut.

Schon den folgenden Tag fing ich wieder an zu arbeiten und war dann so fleißig, daß ich nach 14 Tagen das Manuskript der neuen Ausgabe der niederländischen Volkslieder für den Druck fertig hatte. Leider erkrankte ich dann und war fünf Wochen so leidend, daß ich an geistige Beschäftigung wenig, an Ausgehen und geselligen Verkehr gar nicht denken konnte. Da letzterer jetzt nach Jahr und Tag so ziemlich zum Abschluß für mich gekommen war, so will ich, ehe ich dies Jahr beschließe, noch etwas mittheilen über das Weimarische gesellige Leben.

Unter den vielen geschlossenen Gesellschaften Weimars war die größte und vornehmste ›die Erholung.‹ Sie hatte die Ehre, daß sogar der Großherzog Mitglied war. Obschon ich ein Feind aller geschlossenen Gesellschaften war und mich nie entschließen konnte, einer anzugehören, so bestimmten mich hier allerlei Gründe, auch schon die Rücksicht auf meine Familie, eine Ausnahme zu machen: schon seit August vorigen Jahres war ich ›admittiertes‹ Mitglied, wirkliche konnten nur hiesige Ansäßige sein.

Die Erholung hatte zwei Locale, eins für den Winter in der Stadt neben der Hauptkirche, eins für den Sommer draußen an der Jenaer Landstraße. Dies Sommerlocal war sehr freundlich und angenehm. Ein einstöckiges Haus mit einem großen Saale und mehreren Gesellschaftszimmern genügte vollkommen den Zwecken der Gesellschaft. Der davor liegende Garten, ehemals dem Professor Musäus gehörig und dann durch ein Geschenk Carl Augusts erweitert, hatte viele Spazierwege, Sträuche und schattenreiche Bäume und einige Blumenbeete. Dagegen war das Winterlokal ganz erbärmlich: in einem alten verbauten Hause waren drei niedrige Zimmer im zweiten Stocke von mäßigem Umfange für die Gesellschaft hergerichtet. Das erste war das Lesezimmer. In einem schmalen länglichen Raume stand eine lange Tafel, worauf einige Blätter, Zeitungen und Zeitschriften lagen; der Tisch war immer ziemlich besetzt, aber nicht zum stillen Lesen, sondern zum lauten Unterhalten. In einer Ecke stand noch ein runder Tisch, der Erbtisch der Staats- und sonstigen[110] Räthe, den ich mit dem Namen ›der Mandarinentisch‹ zu bezeichnen pflegte. – In dem daran stoßenden sogenannten Gesellschaftszimmer waren zwei oder höchstens drei Spieltische im Gange; an einem der beiden Tische am Eingange rechts oder links pflegte ich mit einigen zu sitzen, die sich so zusammen gefunden hatten und sich gern heiter unterhielten: Rank, Carl Gräf, Schulrath C.F. Lauckhard, Professor Lieberkühn, Geh. Finanzrath Schumann, Lehrer Weiskopf etc. – Im dritten Zimmer stand das Billard. Da waren die jüngern Leute, meist Beamte, die sich in die Nähe ihrer Vorgesetzten nicht wagten, um sich keinen Zwang anzuthun.

Der Besuch war ein sehr schwacher: durchschnittlich mochten zu gleicher Zeit 30–40 Mitglieder gegenwärtig sein. Viele kamen nie, einige höchst selten; mancher mochte durch den steifen, vornehmen Ton abgeschreckt werden, oder blieb weg, weil er das war es in der Erholung suchte, nämlich Erholung, am wenigsten fand. Mehrere, die zugleich Mitglieder anderer Vereine waren, gingen lieber dorthin, sie fanden da besseres Bier und mehr und angenehmere Unterhaltung. Die Restauration war schlecht und konnte auch nie gut werden: der Wirth gab zu viel Pacht und es wurde zu wenig verzehrt. Ein hoher Rath konnte den ganzen Abend vor seinem Glase Lichtenhainer sitzen und ließ sich höchstens noch einen Schnitt geben.

Im Sommerlocale schien die Erholung eine ganz andere Gesellschaft zu sein. Das schöne Wetter lockte die alten Herren ins Freie hinaus, ihre Familien, Frauen und Kinder belebten den Garten, und da derselbe Raum genug hatte, so kannte jeder Kreis hübsch für sich bleiben. An den Concerttagen war es recht belebt, zumal wenn hinterdrein noch ein Ball erfolgte. Wir hatten es von unserer Wohnung ab recht bequem, den Garten zu jeder Tageszeit zu besuchen, nur wenige Schritte und wir standen vor einem der vier Eingänge.

Die Mittwochsgesellschaft31 war ein Verein zu wissenschaftlicher Unterhaltung, es wurden Vorträge gehalten, worauf denn ein Abendessen erfolgte. Ich kannte diese Gesellschaft nur dem Namen nach,[111] kam aber mit vielen Mitgliedern in Berührung. Wegen ihrer Beziehungen zum Hofe nannte ich die diesem Kreise der Gesellschaft Angehörigen und was sich daran auschloß ›die Hofräthe.‹ Dazu rechnete ich die Hofräthe Preller (Oberbibliothecar), Sauppe (Director des Gymnasiums), Schöll (Vorsteher der Kunstsammlungen), ferner Oberkirchenrath Dittenberger, Geh. Medicinal-Rath Dr. Robert Froriep, seit 1844 Besitzer des Landes-Industrie-Comptoirs, Secretär Christian Schuchardt, Dr. Karl Biedermann, seit 1. October 1855 Herausgeber der Weimarischen Zeitung, Hermann Böhlau, seit 1. September Hofbuchdrucker und Verleger, Staatsanwalt Wilh. Genast, Hofrath Marshall, Cabinetssecretär der Großherzogin, Hofrath Weber und Ludwig Kunze, Professoren am Gymnasium – alle mehr oder weniger Schriftsteller, denen sich noch hinzufügen lassen Frau von Schorn und Freifrau von Groß.

Neben diesen beiden geschlossenen Gesellschaften muß ich noch einer freien Vereinigung gedenken, die sich recht gut als Stadthaus-Gesellschaft bezeichnen läßt. Es war ein Kreis specifischer Weimaraner Kleinstaatler und Kleinstädter, die das Wohl und Wehe der Stadt und des Landes beim Biere besprachen, überzeugt von ihrer eigenen Tüchtigkeit vieles besser wußten und konnten als andere, und nebenbei sich ärgerten, daß die bedeutendsten Männer in Staat und Kirche keine Weimaraner, nicht einmal Thüringer waren. Sie fanden sich häufig ein des Abends im ›Traiteur-Stadthaus‹ und pflegten an einem bestimmten Tage in der Woche zum Lichtenhainer in Süßenborn zu spazieren. Ich traf sie zuweilen an beiden Orten. Dazu gehörten Bürgermeister Wilh. Bock, ›Vorstand der Großh. Residenzstadt‹, Dr. Richter, Advocat Fries, Heinrich Jäde der Schriftsteller und sein Bruder der Maler, Dr. Kräuter und seine beiden Verwandten Dr. Richard und Dr. Robert Keil, Dr. Brehme, später auch der Dramatiker Alexander Rost und Müller von der Werra.

Zu keiner dieser drei Gruppen schienen zu gehören einige, die sich auf sich beschränkend und bei ihrer Schriftstellerei keines Verkehrs mit anderen bedurften: Archivar Dr. Röse, Dr. Panse, Prof. Dr. Tröbst, Director der Realschule, Carl Eitner und Freih. von Biedenfeld. Die beiden letzten kannte ich schon von Breslau her, die anderen lernte ich erst hier, jedoch nur flüchtig kennen.

Unser gesellige Verkehr hatte sich ganz angenehm gestaltet. Die[112] freundschaftlichen Beziehungen zur Altenburg blieben dieselben, der Verkehr mit Preller's war lebhafter und inniger geworden, wir besuchten uns wechselseitig und öfter. Preller, der jeden Abend um sich seinen Kreis von Freundinnen und Freunden versammelt hatte und sich nur schwer davon trennen konnte, widmete uns zuweilen einen Abend.

Sehr angenehm war für uns der Besuch des Theaters, besonders für Ida. Sie verdankte ihm manchen genußreichen Abend, zumal wenn eine gute Oper gegeben und die Ausführung unter Liszt's Leitung nichts zu wünschen übrig ließ.

In der Erholung fand ich für mein Theil gewöhnlich gute Unterhaltung. Einige Male in der Woche ging ich in den Abendstunden hin. Der kleine Kreis, der sich um den runden Tisch einfand und sich danach ›der runde Tisch‹ scherzhaft zu nennen pflegte, hielt sich, ja er gewann mitunter an Ausdehnung, aus Neugier oder aus einem andern Grunde setzte sich dieser und jener zu uns. Das konnte uns nur lieb sein, es kam ein neues Element hinein und die Unterhaltung wurde vielseitiger.

Zu Anfang Januars (1856) gab Dawison einige Gastrollen. Ich war mit vielen anderen entzückt von seinem Spiele. Den 11. Januar lud Liszt den Verein auf die Altenburg ein. Dawison war Gast. Ich brachte ihm ein Hoch aus, in das alle freudig einstimmten.32

Den 12. Januar fuhr ich mit Liszt zum Großherzog. Ich überreichte mein ›Kinderleben‹, das ich als Weihnachtsgabe hatte drucken lassen, und Rümpler's neuesten Verlag: Gengenbach, Sündenfall, Schiller's Jugendleben von Boas, alle prachtvoll gebunden. Der Großherzog war sehr erfreut. Ich las dann einige Lieder und Distichen und den Trinkspruch auf Dawison.

Im Februar besuchte uns Frau Hofräthin von Dessauer mit zwei Töchtern, die sich hier zu Sängerinnen ausbilden wollten. Wir verkehrten viel mit einander. Frau Hofräthin wußte sehr anziehend zu erzählen von dem Künstler- und Dichterleben Münchens.

Den 18. Februar feierten wir wieder auf der Altenburg ein heiteres Fest, den Geburtstag der Prinzeß Maria. Mit uns waren[113] zugleich Preller's eingeladen. Wir waren also so zu sagen unter uns, unter lauter poetisch gestimmten Gemüthern, und da konnte ich es um so eher wagen, schließlich noch eine Herzensergießung vorzutragen.33

Berlioz war wieder in Weimar. Zum Geburtstage der Großherzogin-Mutter ward bei festlich beleuchtetem Hause sein Benvenuto Cellini aufgeführt. Den 25. Februar war ihm zu Ehren ein Abendessen in unserm Verein. Da er kein Deutsch versteht, so begrüßte ich ihn französisch.34

Bei allen den mancherlei Zerstreuungen, die ja meist recht ergötzlich und belebend waren, lastete doch auf meiner Seele ein Alp, der mich noch mehr quälte als das Unwohlsein, welches mich so oft heimsuchte: das war die Arbeit, die ich zum Theil freiwillig übernommen hatte, seit langer Zeit aber zur Muß-Arbeit geworden war. Das Jahrbuch und die beiden neuen Bände der Horae belgicae nahmen meine Zeit und Kräfte fortwährend in Anspruch. In viertehalb Monaten hatte ich 51/8 Bogen drucken lassen, wovon ich den größten Theil selbst ausgearbeitet und jeden Bogen selbst corrigiert hatte. Wer es weiß, wie lästig jede Correctur, zumal bei schwierigem Satze ist, der weiß auch, was es heißt, drei bis vier Bogen an Einem Tage, wie es oft vorkam, corrigieren müssen. Dies mechanische Geschäft wurde noch dadurch sehr langweilig, daß ich mir nie genügte und manchen Bogen oft dreimal durchsah, ehe ich ihn zum Abdruck in die Druckerei schickte. Endlich am 3. März waren beide neuen Ausgaben der Pars II. und IV. der Horae belgicae vollendet, Pars II erschien auch unter dem Titel: ›Niederländische Volkslieder. Gesammelt und erläutert von Hoffmann von Fallersleben‹ (Zweite Ausgabe. Hannover. Carl Rümpler. 1856. 8°. LII. 368 SS.) – Pars VII. auch unter dem Titel: ›Glossarium belgicum. Herausgegeben von Hoffmann von Fallersleben.‹ (Hanover. Carl Rümpler. 1856. 8°. XXVI. 127 SS.). Das erste Werk ist den königlichen Akademien der Wissenschaften zu Amsterdam und Brüssel, das andere ›Meinen mitforschenden Freunden Arie de Jager, Wilh. Müller, Matthias de Vries, Wilh. Wackernagel und Lambert Allard te Winkel gewidmet.‹[114]

Ich hätte nun wol eine Pause machen und mir etwas Erholung gönnen können, aber es lag mir die neue Ausgabe des 1. Theils der Horae belgicae sehr am Herzen. Bei den bedeutenden Fortschritten, die in diesem Zweige der deutschen Sprachforschung in Holland und Belgien gemacht waren, schien es mir ein Bedürfniß, eine Uebersicht des ganzen Bereichs der alten niederländischen Dichtung zu geben in allen Quellen und Ausgaben und den darauf bezüglichen Schriften.

Dennoch fand ich in diesen Tagen etwas Erholung und diesmal in der ›Erholung‹, und zwar am ›runden Tische.‹ Es hatte sich nämlich bei uns Dr. Widmann von Jena eingefunden, er war zum Besuch herübergekommen, ein geweckter Kopf, für Kritik und litterarische Dinge sehr empfänglich und selbst Dichter. Wir sprachen über Xenien und ich theilte ihm einige meiner neuesten mit und meinte es wäre doch hübsch, wenn man einen Xenienkampf eröffnete, man müsse dazu aber Verbündete haben. Er ging auf die Sache ein und versprach seine Mitwirkung. Wie das aber mit den meisten Versprechen zu gehen pflegt, so hier, sie bleiben Versprechen. Ich hatte schon früher in Rank's Sonntagsblatt einige Dutzend, freilich ziemlich zahme, zum Besten gegeben. Da ich nun jetzt wieder drin war, so setzte ich das Geschäft fort, und nachdem ich mich der Güte meiner Waare durch das Urtheil meiner Freunde versichert hatte, so trat ich damit zum Vorschein.35 Da das Jahrbuch wenig verbreitet war und nächstens aufhörte, so gelangten die Xenien wenig an ihre Adresse.

Unterdessen war es Frühling geworden. An milden sonnigen Tagen pflegte ich nach Tische einen Spaziergang zu machen ins Webicht. Dies halb wilde Wäldchen, worin ich statt langweiliger Menschen nur munter singende Vögel, frisches Grün und freundlich blühende Blumen traf, war mir lieber als der viel besuchte und gerühmte Park. Ich wußte bald alle Stellen, wo Blumen wuchsen. Ich begnügte mich nicht, jedesmal einen Strauß zu pflücken, sondern[115] auch einige mit den Wurzeln auszuheben und zu Hause in Töpfe zu pflanzen. So machte ich es besonders mit den Schneeglöckchen (Leucoium vernum), womit eine Gegend besonders reich gesegnet war; wenn sie die Blüthe im Munde hatten, wie Ida sagte, nahm ich sie mit und sie mußten dann zu unserer Freude vor den Fenstern aufblühen. Ich machte hier auch die Bekanntschaft mit einem Blümchen, das ich sonst noch nirgend gesehen hatte: die Waldwicke (Orobus vernus).

Am 1. Mai erhielt ich mein Diplom als Mitglied des Neu-Weimar-Vereins, unterzeichnet von Liszt, mir und Ferdinand Schreiber. Es ist sehr hübsch ausgeführt in Holzschnitt von der Xylographischen Anstalt E. Kretzschmar's in Leipzig. Um einen Stabrahmen windet sich oben Immergrün, links eine Rebe mit Trauben und rechts ein Eichenzweig mit Eicheln, eine Illustration meines Gedichts,36 das den obern Theil ausfüllt. Der mittlere Raum ist für die Schrift bestimmt. Darunter steht das Siegel des Vereins, die in einander verschlungenen schräg liegenden großen lateinischen Buchstaben NWV. Unten wie in einem Rahmen zeigt sich Weimar mit seinen drei Thürmen.

Auch den Ehrenmitgliedern wurden jetzt oder waren bereits ihre Diplome zugestellt: Hector Berlioz in Paris, Hans von Bülow in Berlin, Jos. Joachim in Hannover, Carl Klindworth in London und Richard Wagner. Es war also vorläufig nur Eine Kunst, die Musik, unsererseits beehrt worden. Dies Jahr wurden drei Musiker in den Verein aufgenommen: Leopold Damrosch, Dr. med., Louis Hartmann und Julius Reubke, und Hofopernregisseur Ernst Pasqué.

Die neue Ausgabe des 1. Theils meiner Horae belgicae war in Weimar so weit gediehen als sie bei meinen Hülfsmitteln gedeihen konnte. Das aber genügte mir nicht. Eine abermalige Reise in die Niederlande schien mir unumgänglich nothwendig. So kostspielig und mitunter beschwerlich eine solche Reise auch war, so glaubte ich doch dies Opfer der Wissenschaft bringen zu müssen. Da nun die Meinigen wohl und munter waren und ich mich selbst wohl fühlte, so entschloß ich mich gar schnell, und den 8. Mai des Nachmittags war ich bereits in Cassel, den folgenden Tag in Münster.[116]

Den 10. Mai setzte ich meine Reise fort. Ich war sehr traurig gestimmt. Von Weimar aus hatte ich Conrad Wolff meinen baldigen Besuch gemeldet und dann von ihm eine betrübende Antwort erhalten: ›Ich bin krank, sehr krank, I.H., und Gott weiß wie lange ich noch unter euch wandle, ich glaube, nicht lange mehr.‹ – Als ich nach Oberhausen kam, hörte ich aus dem Munde eines Crefelders auf die Frage, wie es dem Conrad Wolff gehe? ›Ach, den habe ich erst dieser Tage spazieren gesehen.‹ Und wie wurde ich überrascht, als ich seine Frau begrüßte! ›Der Conrad ist mit seinen Brüdern zur Musikprobe nach Düsseldorf – er muß aber gleich zu Hause kommen.‹ Halt, dachte ich, den sollst du mal begrüßen. Als ich ihn schellen hörte, hatte ich mich versteckt. Er trat ein und fing auch gleich an zu jammern. Da überraschte ich ihn mit einigen schönen Redensarten und wußte ihn gar bald umzustimmen, daß wir noch alle einen heiteren Abend verlebten.

Ich merkte bald, daß es bei Conrad mehr eine geistige Verstimmung als körperliche Krankheit war, ich suchte ihn demnach zu zerstreuen und zu erheitern: wir gingen viel spazieren und waren viel in fröhlichen Gesellschaften. Seine Brüder, namentlich der Musikdirector Hermann, der wirklich krank gewesen und jetzt wieder hergestellt war, und sein Schwager, der Musikdirector Schmidt von Bremen, unterstützten eifrig meine Bemühungen.37 Was ich gewollt, gelang mir. Den 17. Mai nahm ich befriedigt Abschied von dem gesunden Conrad und seinen Brüdern, und traf noch denselben Tag in Brüssel ein.

Weil der folgende Tag ein Sonntag war, so konnte ich erst den dritten Tag die königliche Bibliothek besuchen. Ich erhielt zwei Handschriften: den Willem van Hildegaersberch und den Reinaert, und arbeitete einige Tage, fand aber nichts von Bedeutung.

Die wenigen Tage, die ich nun noch auf Brüssel verwendete, verlebte ich sehr angenehm. Ich verkehrte nur mit Deutschen: in unserer Unterhaltung war immer der Hauptgegenstand Deutschland und die Niederlande in ihren jetzigen Zuständen, ihrer Entwickelung und ihren Beziehungen zu einander. Bei der Vorliebe der Belgier[117] für Frankreich erwartete niemand von uns weder eine staatliche Selbständigkeit noch eine volksthümliche Entwickelung auf dem Gebiete der Litteratur und Kunst.

Unter anderen lernte ich den weimarischen General-Consul Rahlenbeck kennen. Er besaß eine schöne Bibliothek und eine nicht unbedeutende Autographensammlung. Da ihm sein Amt viel Zeit übrig ließ, so konnte er auch viel auf seine Sammlungen und seine Schriftstellerei verwenden. Er beschäftigte sich viel mit der Geschichte der Protestanten in Frankreich und den Niederlanden. Er war sehr freundlich und gefällig gegen mich und steuerte Einiges bei für das Jahrbuch.

Er war so gütig, mich zum Minister des Innern, Herrn de Decker zu begleiten. Der Minister freute sich mich persönlich kennen zu lernen und rühmte meine Verdienste um die vlämische Litteratur. Rahlenbeck bat ihn dann, er möchte erlauben, daß ich vlämisch mit ihm spräche. Das geschah, und ich überreichte ihm für die Akademie der Wissenschaften Pars II. und VII. der Horae belgicae. Wir kamen auf Willems zu sprechen, mit dem der Minister sehr befreundet gewesen war. Er freute sich, daß ich so vortrefflich vlämisch spräche u. dgl. Es war eine der freundlichsten Audienzen, die ich je gehabt hatte, und das mußte mir genügen: eine Antwort von Seiten der Akademie habe ich nie erhalten, und das stimmte ganz zu dem Benehmen aller übrigen vlämischen Fransquillons in Brüssel.

Zum Andenken schenkte ich Rahlenbeck eine Kleinigkeit: ›Die Kinderwelt in Liedern‹, und damit das Büchlein für ihn als Autographensammler doch auch noch einen Werth hätte, schrieb ich eine Widmung38 hinein.

Professor Heremans hatte mich zu sich eingeladen. Den 26. Mai begab ich mich nach Gent, und nach zwei Stunden war ich schon in dem gastlichen Hause Sandberg 16. Herzlich bewillkommnet von Heremans und den Seinigen fühlte ich mich sofort recht heimisch und war sehr heiter; in dem Wechsel von angenehmem häuslichen Verkehre und erfreulichen Arbeiten gingen alle meine litterarischen Wünsche in Erfüllung. Heremans war bemüht, mich mit seinen Freunden und Bekannten zusammen zu bringen. Da gab es denn[118] Besuche und Gegenbesuche, und Einladungen aller Art. So verkehrte ich denn wieder wie früher viel mit Snellaert, Blommaert, Prudentius van Duyse, Rens, Boone und Serrure.

Am Abend führte mich Heremans ein in Het vlaemsch Gezelschap. Ich wurde freundlich bewillkommnet. Nach der Sitzung trug ich etwas vor. Als der Vorsteher mir seinen Dank ausgesprochen hatte, erfolgte ein dreimaliges tactmäßiges Händegeklatsche. Um mir nachträglich noch einen Beweis der Theilnahme zu geben, ernannte man mich zum correspondierenden Mitgliede.

Den 27. Mai besuchten wir Het taelminnend Studentengenootschap. Ich wurde beim Eintritt mit lautem Jubel bewillkommnet. Nachdem Vuylsteke's Lied: 't zal wel gaen, vier- und einstimmig gesungen war, trug ich einige deutsche Gedichte vor, und nachdem Heremans eine Einleitung gegeben, auch meinen Spruch von der vlämischen Bewegung.39 Lauter anhaltender Jubel. Der Präsident hielt dann eine Anrede an mich und überreichte mir den Sudenten-Almanak voor 1856, in welchen sich alle Anwesenden eingeschrieben hatten. Dafür widmete ich ihnen später einen deutschen Trinkspruch und ein vlämisches Lied.

Am 29. Mai ward mir zu Ehren ein eigenthümliches Abendessen gegeben. Etwa ihrer zwanzig, Mitglieder verschiedener Vereine, versammelten sich in Het Motje, einer Gartenwirthschaft vor dem Brüggeschen Thore. Es war ein Fischessen, ein sogenanntes Waaterzoo (allerlei Fische in Salzwasser gekocht), wozu wir Uitzet und Rothwein tranken. Rens brachte ein Hoch auf mich aus, welchem nachher Snellaert noch einige Berichtigungen hinzufügte. Ich dankte mit einem vlämischen Liede, welches diesen Morgen erst entstanden war.40

Wir lebten dann sehr ruhig, und das war mir lieb. Den Tag über arbeitete ich und des Abends gingen wir bei gutem Wetter nach der Sommerwohnung (het buîtentje) oder machten sonst einen Spaziergang. Ich war sehr fleißig. Zunächst suchte ich die neue Ausgabe der Pars I, der Horae belgicae zum Abschluß zu bringen. Snellaert erwies mir einen großen Dienst: durch seine gütige Vermittelung[119] erhielt ich die Brüsseler Handschrift des Willem van Hildegaersberch, die mich mehrere Tage beschäftigte.

Es war in neuester Zeit immer so viel die Rede gewesen von der vlämischen Bewegung. Jetzt wollte ich dieselbe gründlich kennen lernen von ihren Anfängen bis zur Gegenwart und zwar nach allen Seiten hin. Heremans war sehr bereitwillig, mich darin zu unterstützen. Da er selbst ein Betheiligter war, so konnte er mich auf das Wichtigste aufmerksam machen und mir aus seiner Bibliothek alles darauf Bezügliche vorlegen. Bald war ich im Besitze eines reichen Stoffes, so daß es mir schien, ich würde ihn kaum bewältigen können. Nach und nach gewann ich eine Uebersicht und Kenntniß des Wichtigsten. Ich konnte die Ausarbeitung beginnen, ich begann und vollendete sie. Jetzt wollte ich auch noch ein Verzeichniß der vorzüglichsten Schriftsteller seit 1834 hinzufügen mit kurzen bio- und bibliographischen Nachrichten. Dieser kleine Anhang machte wieder viele Arbeit: es mußten mündliche und briefliche Erkundigungen angestellt werden, um das Fehlende zu ergänzen und das Zweifelhafte zur Gewißheit zu bringen. Am 7. Juni vollendete ich mein Büchlein, im Bewußtsein, einer gerechten Sache das Wort geredet zu haben und in der Hoffnung, daß auch meine Arbeit nicht ganz vergeblich sein würde. An das Druckenlassen in Gent war nicht zu denken. Heremans bemerkte mir, dergleichen würde so schlecht gesetzt, daß er von einem Bogen oft 6 Correcturen verlangen müsse, und auch dann sei er noch nicht sicher, ob nicht noch Fehler stehen geblieben.

Den 11. Juni nahm ich Abschied. Es ward mir schwer, mich von der lieben guten Familie Heremans zu trennen. Halbelf Vormittags war ich schon in Antwerpen. Ich fuhr sofort zum holländischen Bahnhof, gab mein Gepäck ab und spazierte zu Conscience, der in der Nähe wohnt. Er war nicht zu Hause, wurde aber zu Mittag erwartet. Ich wollte nicht in die Stadt zurückkehren und blieb in einer Schenke am Beeldekensweg. Während ich nun so auf Conscience wartete, suchte ich mir mit Distichen die Zeit zu vertreiben. Das Wetter war wunderschön, ich lag auf einer harten Bank, die breitblättrigen Linden gaben mir Schatten, ich war ungestört, außer einem Hündlein ließ sich kein lebendes Wesen blicken:


Naest den beeldekens weg, daer zocht ik den vlaenderschen leeuw

lacy vergeefs, ik vond dan een hondeken maer.[120]


Was ich zunächst gewünscht hatte, war erreicht, aber ich war doch nicht zufrieden:


Wat ik zoo lang my gewenscht is even de rust en de vrede,

maer nu ben ik nog veel minder tevreden dan voor.


Ich erinnerte mich unserer früheren Gespräche, wie es nach meiner Ansicht nothwendig wäre, daß ein Dichter, namentlich ein Romanschreiber, reisen müsse, um sich vor Einseitigkeit zu bewahren, sich frisch zu erhalten und neue Anschauungen aus dem Leben für's Leben zu gewinnen:


Reizen toch moet gy, ofschoon gy er ook op den beeldekens weg woont;

reizen moet gy, het zyn anders de beeldekens weg.


Schon in Gent hatte ich derartige Versuche gemacht in der den Holländern ungewöhnlichen und unbeliebten Distichenform. Es geschah immer in Folge von Gesprächen, die ich mit Heremans führte über das Wesen der Poesie, über das was den Deutschen und den Niederländern für poetisch galt u. dgl. Ursprünglich waren diese Peperbolletjes, wie ich sie nannte, deutsch, sie wurden dann von uns übersetzt.

So sprach ich mich denn auch über die Art und Weise aus, wie man die Poesie in französischer Nachahmung durch Preisausschreiben und Wettkämpfe zu fördern strebte und dergleichen:


By pinten en kannen

zoo zitten de mannen

en praten fransch altemael

over vlaemsche zeden en vlaemsche tael,

hebben fransche gedachten en fransche gevoelen

om voor de vlaemsche zaek te woelen,

en gelooven aen elke kant

de litteratuer in hun vadetland,

gelyk als het de Franschen bedryven,

opteheffen dor prys uitschryven.

Maer de poëzy laet zich nooit dwingen,

men mag niet naer opdragt dichten en zingen.

Om goede gedichten en liederen te schryven,

moet men vry van buiten en binnen blyven,[121]

en niet naer den loon der wereld trachen,

noch byval of prys van de wereld verwachten.

En een vlaemsche dichter moet begeven

het vreemde fransche wezen en leven,

moet zyn vaterland van buiten en binnen,

en heeft hy wedergewonnen zyn vaterland,

dam mag hy naer vlaemsche aerd en trant

zyn eigen volk bezielen en laven,

tot al het goede en schonne staven,

dan maekt hy de vlaemsche beweging waer,

dan zal ik zeggen over 't jaer:

Myne heeren, ik bid om vergeving!

uw vlaemsche beweging is de volksherleving.


Endlich kam Conscience. Er nahm mich gleich mit in sein Haus. Ich war sein Mittagsgast und verbrachte noch einige sehr angenehme Stunden mit ihm. Wir unterhielten uns viel über die vlämische Bewegung, er sprach sich über sein Verhältniß zu derselben aus.

Nachmittags fuhr ich nach Rotterdam. Dort begab ich mich zum Buchhändler Otto Petri. Ich erzählte ihm von meinem Büchlein. Er war geneigt es zu verlegen, wollte es sich aber morgen erst noch näher ansehen. Am andern Morgen fand er sich zeitig ein. Er meinte, das Büchlein müsse holländisch erscheinen. Ich war einverstanden, er wollte die Uebersetzung und das Weitere besorgen. Den Nachmittag um 1 traf ich im Haag ein und vollendete die Durchsicht der Haager Handschrift des W. van Hildegaersberch. Da ich nur wenig im Haag zu thun hatte, so eilte ich schon den dritten Tag weiter. Den 15. um Mittag traf ich in Leiden ein. Mein erster Besuch galt dem Prosessor de Vries. Wir unterhielten uns viel über sein niederländisches Wörterbuch und die Geschichte des Niederländischen. Er bat mich bis übermorgen noch zu bleiben und an einem Gastmale theilzunehmen, das er einigen seiner Schüler geben würde. Den anderen Tag41 besuchte ich meinen alten Freund, den Dr. Salomon.[122]

Er ist 83 Jahre alt. Ich fand ihn noch ziemlich rüstig. Er freute sich meines Besuchs und war sehr liebenswürdig. Beim Abschiede sagte er: ›Wenn Sie der Wind einmal wieder hieher führt, so laufen Sie bei mir in diesen Hafen ein!‹42

Dinstag den 17. um 1/25 war nun das große Mittagsessen bei de Vries. Die Studenten hatten de Vries zeichnen und lithographieren lassen und um ihnen für diesen Beweis der Liebe und Verehrung einen Gegenbeweis zu geben, waren sie eingeladen worden und ich sollte dies Fest verherrlichen. Auch gut. Eine echt holländische Malzeit: anderthalb Stunden aßen und tranken wir, es ging sehr deftig, bedaard en fatsoenlijk zu. Dann wurde die Gesellschaft munter, endlich fast ausgelassen. De Vries sprach in einer langen Rede seinen Dank aus. Dann folgte ein neuer Trinkspruch von ihm: er besprach ausführlich meine großen Verdienste um niederländische Sprache und Litteratur, wie sehr ganz Niederland mir zu Danke verpflichtet sei u.s.w. Anhaltender Jubel und Gesang. Ich ließ dann die Jugend leben, nachdem ich einige holländische Worte vorausgeschickt hatte. Und so weiter – ich weiß nicht mehr, wen und was wir Alles leben ließen. Das nur weiß ich, daß der ganze Abend einen[123] gewaltigen Eindruck auf die jungen Gemüther machte und gewiß allen unvergeßlich bleiben wird. Das sagten sie mir wie auch de Vries noch den andern Tag.

Am Mittwoch reiste ich dann ab und war um 3 Uhr in Rotterdam. Petri empfing mich an der Eisenbahn. Wir besuchten Herrn Dr. de Jager. Dort traf ich einen Buchhändler, der eben viele alte Bücher auf dem Tische ausgebreitet hatte. Ich besah mir alle und fand zwei fliegende Blätter: den Grafen von Rom und Mariechen von Nymwegen. Ich las und erfreute mich an diesen Liedern. Herr Jacob, so hieß der Biedermann, erkannte meine geheimen Wünsche und schenkte mir die beiden Seltenheiten. Besonders merkwürdig ist das Mariechen, das alte Schauspiel ist hier als Lied behandelt. Von beiden Sachen wußte noch keine Seele etwas. Das heiß' ich Glück! Noch im Laufe des Sommers erschien mein Genter Büchlein: ›De vlaamsche Beweging; door Hoffmann van Fallersleben, Ridder der Orde van den Nederlandschen Leeuw. Met een voorwoord van Dr. A. de Jager.‹ (Rotterdam, bij den Boekverkooper Otto Petri. 1858. 8°. 48 SS.).

Den 19. Juni übernachtete ich in Arnheim, den 20. im Homberg. Von hier aus schrieb ich sofort an Ida: ›So bin ich denn wieder auf deutschem Boden angelangt, und wenn ich auch nicht vor Freuden tanze und springe wie einer meiner Reisegesährten es that, der nach siebenjährigem Aufenthalt in der Fremde sein Vaterland erst wiedersah, so freue ich mich doch recht herzlich: meine Liebe zu meinem Vaterlande ist nach jeder Reise so auch nach dieser nur noch größer geworden.‹

Den 23. und 24. in Ems. Es ist nun zwar nicht meine Liebhaberei, Badeörter zu besuchen, hieher aber trieb mich Conrad Wolff, der die Cur gebrauchte. Wir verkehrten viel mit einander, spazierten auf die höchsten Punkte der Umgegend und machten auch einen Ausflug nach Nassau. Den ersten Abend lernte ich den Geh. Medicinal-Rath von Ibell kennen und den andern Abend war ich bei ihm eingeladen. Wir waren sehr heiter. Ich trug mehrere Trinksprüche vor, und da nun gerade der Geburtstag des Großherzogs von Weimar war, auch den jüngsten.43 Damit ich eine noch fröhlichere Erinnerung an den schönen Abend behielte, begrüßte[124] mich, ehe ich Abschied nahm, die liebliche Tochter Ibell's, ein Mädchen von zwölf Jahren, eine lebendige Rose.

Den andern Tag setzte ich meine Reise fort und kam am 26. Juni nach Kitzingen. Ich war in das rothe Roß eingekehrt und benachrichtigte Dr. Schad von meiner Ankunft. Er fand sich sehr bald ein und freute sich, daß er mich als seinen Gast begrüßen könnte, diese Nacht möchte ich nur hier bleiben, der Wirth sei sein Oheim, aber von morgen ab müsse ich bei ihm wohnen. Das geschah denn auch und ich ließ mich bei ihm häuslich nieder. Mit Schad hatte ich schon lange im Briefwechsel gestanden und ihm manchen Beitrag beigesteuert zu seinem ›Deutschen Musenalmanach‹. Er hatte mich in Weimar besuchen wollen, aber nur die Meinigen getroffen. Jetzt lernten wir uns erst persönlich kennen. Ich war sehr heiter gestimmt und dichtete auch ›Junilieder‹,44 beseelt von der Erinnerung an den schönen Abend in Ems. Schad war ganz entzückt davon und kaperte sie für seinen Musenalmanach.

Den 30. Juni fuhr ich weiter und traf den 1. Juli in München ein. Ich war jetzt meinem Ziele näher.: Frau Hofräthin von Dessauer hatte mich nämlich eingeladen, mit ihr nach ihrer Besitzung am Kochelsee hinüber zu reisen, ich sollte dort Kiefernadelbäder gebrauchen, Brunnen trinken und mich in der frischen Berglust erholen und stärken. Sie hatte mich lange erwartet und war dann vorgestern nach Kochel abgereist. Ihr Sohn Heinrich, der mich am Bahnhof empfing, wollte mich dorthin begleiten. Ich blieb den folgenden Tag noch in München und verlebte einige angenehme Stunden mit Bodenstedt.

Den 3. Juli fuhren wir mit dem Nachmittagszuge nach dem Starnberger See, dann mit dem Dampfschiffe nach Seeshaupt. Unser Kutscher hatte uns nicht mehr abwarten wollen und war heimgefahren. Wir mußten uns in unser Schicksal finden, blieben in Seeshaupt, spazierten viel umher und aßen Renken (Rheinanken), diesen edeln Fisch der baierischen Seen.

Da den folgenden Morgen der Kocheler Stellwagen nicht kam, so mußten wir uns zu dem landesüblichen Fuhrwerke bequemen: wir setzten uns auf ein Wägelchen mit hartem Brettersitz und kutschierten[125] auf schlechten Wegen nach Schlehdorf. So viel Hübsches dieser Weg darbot, so konnten wir doch vor lauter Erschütterung zu keinem Naturgenuß kommen. Mit heftigen Kopfschmerzen kam ich in Schlehdorf an. Hier nahm uns ein bequemer Nachen auf und wir fuhren über den See. Trotzdem daß die Fahrt sehr sauft war, so hatte ich mich doch nicht erholt, in einem elenden Zustande erreichte ich Kochel und es bedurfte erst dreier Stunden Schlafs, bis ich wieder wohl wurde.

4. Juli – 7. September in Kochel. Schon in den ersten Tagen schrieb ich an Ida:

›Eine prachtvolle, großartige Natur! Die hohen schroffen Berge, meist mit Fichten und Tannen bewachsen, die Vorberge mit ihrem Laubholz und ihren Matten, Alles gewährt einen immerwährenden Reiz, man sieht sich nie satt. Der Empfang war, wie ich nicht anders erwartete, ein sehr herzlicher .... Die Dessauer'sche Besitzung fand ich noch viel schöner und zweckmäßiger als sie uns beschrieben war, ja, ich möchte sie großartig nennen. Die Frau Hofräthin hat Alles nach ihren Entwürfen bauen und einrichten lassen. Sie ist ein wirkliches Baugenie. Die beiden Häuser stehen mit ihrer schmalen Seite nach dem See gerichtet, sie sind zwei Stockwerk hoch mit einem Giebelstock. Jeder Stock hat eine gegen Regen geschützte Bühne (Gallerie), die bei beiden Häusern nach dem See und nach dem Hofe geht .... Der Garten zieht sich bis an den See, parkartig angelegt, mit den schönsten Obstbäumen, Erdbeerfeldern, Johannis- und Stachelbeerpflanzungen, Blumen- und Gemüsebeeten. Rechts und links Hügel mit Matten und etwas Kornfeld, westlich ein ziemlich hoher Berg mit einem alten Hause, der Aspenstein. Es war ein ehemaliges Jagdschloß der Mönche von Benedictbeuern und wurde später zum Wohnhause eingerichtet, im Augenblicke steht es leer.‹

›Das Leben ist hier sehr einfach, ganz ländlich und sagt mir deshalb sehr zu. In der Stille der schönen Natur und bei der freundlichen Theilnahme aller Hausgenossen fühle ich mich recht wohl und hoffe den alten Feind meines Daseins, den verwünschten Rheumatismus, durch guten Humor und 12 Kiefernadelbäder mit Kochelbrunnen vollständig zu beseitigen. – Ich bewohne ein hübsches Zimmer im zweiten Hause mit einer Aussicht auf's Gebirge.‹

Die Frau Hofräthin hatte bis auf eine verheirathete Tochter[126] alle ihre Kinder um sich vereint: Heinrich, der sich zum Doctor der Medicin vorbereitete, nebst zwei jüngern Brüdern; die vier erwachsenen Töchter Emilie, Hildegarde, Mathilde, Beatrix, nebst zwei jüngern Schwestern und zwei Anverwandtinnen. Die Frau Hofräthin schaltete unter ihnen als zärtliche Mutter und tüchtige Hausfrau und war den Gästen gegenüber eine liebenswürdige Wirthin. Die Kinder waren alle sehr begabt, wohlerzogen, gebildet, freundlich und angenehm im geselligen Verkehre, und hatten sich alle unter einander recht lieb.

Schon durch diese große Familie war unser Haus sehr belebt, wurde es aber nun noch mehr durch den Zutritt von neuen Gästen. Einige Tage nach mir fanden sich ein Herr und Frau von Milde aus Weimar und Dr. Otto von Franqué aus München, jene ein ausgezeichnetes Sängerpaar, und dieser, der Mediciner, nebenbei ein tüchtiger Bergzitterspieler. Gegen Ende des Monats kam Dr. Adolf Wüllner und brachte einen photographischen Apparat mit.

Es entwickelte sich nun bald eine vielseitig heitere Geselligkeit, alle Künste wurden losgelassen: es wurde gezeichnet, gemalt, photographiert, gestickt, gedichtet, declamiert, gesungen, gejodelt, Clavier, Zitter, Schach und Dame, Blindekuh mit Kochlöffel oder mit Stimmen gespielt, Reis und Federball geschlagen, geturnt, getanzt, es wurden Blumenkränze und Laubgewinde gewunden. Den ganzen Juli hatten wir mit Ausnahme weniger Tage fortwährend schlechtes Wetter: Regen, Nebel und Kälte, und wenn es warm wurde, Gewitter, die denn auch Regen und Kälte brachten. Für mich war es dann immer höchst angenehm, daß ich auf der Bühne spazieren und so wenigstens im Freien sein konnte. Je schlechter das Wetter war, um so mehr wurden wir auf uns angewiesen, und da war es für mich eine Wohlthat, unter Menschen zu sein, die wie ich das Bedürfniß hatten, fröhlich zu sein.

Um durch ein geistiges Band die Einzelnen mehr zu einen und jedem Gelegenheit zu geben, sich auszusprechen, unternahm ich eine Kochelzeitung, die ganz eingerichtet wie jede andere Zeitung, Berichte und Besprechungen enthalten sollte über die bedeutende Begebnisse in unserm kleinen Kreise, Nachrichten und Anzeigen aller Art etc. Am 1. August las ich nach dem Abendessen die erste Nummer vor.[127] Die Idee fand Anklang, aber freilich wenig Unterstützung. Ich lieferte noch einige Nummern, und dabei blieb es.

Einige Tage vorher hatten wir eine Academia Louisiana gestiftet, die den 29. Juli ins Leben trat. Fräulein Beatrix sollte zu ihrem Namenstage zum Doctor creiert werden. Die Vorbereitungen waren Tags vorher gemacht, ich hatte ein lateinisches Diplom verfaßt und Dr. von Franqué eine Brottorte eingerührt. Um 12 Uhr begann der feierliche Actus. Wir Männer hatten alle unsere Feiertagskleider angezogen, sonst trugen wir immer die landesüblichen Juppen, die durch den Schneidermeister Huber in Kochel eine europäische Verbreitung gefunden haben. Der Zug beginnt, voran die Pedelle mit den Stäben, einer trägt das Diplom auf einem Küssen, dann folgen der Promovend, der Rector (ich), der Decan (Wüllner), der Secretär (H. von Dessauer), der Cantor (von Milde), der Pistor (von Franqué) und die übrigen. In der Mitte zwischen dem Promovenden und den Professoren nehme ich Platz auf einem großen Sessel. Ich halte eine Rede, worin ich Bedeutung und Zweck der neuen Akademie hervorhebe und also schließe:


Wir wollen vergessen nie, ja nie

Die berühmte Kochelsche Akademie,

Wo der Gedanke nicht ist verkannt und verbannt,

Sondern immer findet sein Vaterland,

Wo das Schöne, Gut' und Wahre lebt

Und die Geister zum Wirken und Schaffen erhebt,

Wo die Kunst ihren Preis und Ruhm behält,

Wenn sonst in der Welt nur gilt das Geld,

Wo Alles harmonisch sich strebt zu entfalten,

Und ein freies, heiteres Sein zu gestalten.

Drum ist es als süße Pflicht uns erschienen,

Der Kunst und der Wissenschaft so zu dienen,

Daß der Strebende findet bei uns sein Heil

Und jedem Verdienste wird sein Theil.

Damit die Welt des werde inne,

Anjetzo eine Promotio beginne

In optima forma wie es muß –

So spricht der Rector magnificus.[128]


Darauf liest der Decan die Vita, der Promovend die Quaestio. Dann beginnt das Examen: fünf Räthselfragen aus verschiedenen Gebieten des menschlichen Wissens. Der Candidat antwortet vortrefflich. Der Secretär liest die Eidesformel, der Promotus verspricht durch Handschlag Alles zu halten. Der Decan liest das Diplom und überreicht es dem neuen Doctor, dem dann Rector magnificus et. Senatus gratulieren. – Alles sehr gelungen. Nachher beginnt die Bescherung: eine Brottorte mit dem schön verzierten Namen BEATRICE, zwei Schalen mit Johannesbeeren, in Zucker candiert und drei Flaschen Champagner, mit der Etiquette: GIFT. Es folgt ein sehr heiteres Mittagsmal.

Vier Wochen später, am 25. August, war wieder ein Fest: der Namenstag der Frau Hofräthin. Gegen 9 Uhr Morgens gingen wir nach Kochel in die Kirche. Es wurde ein Meßamt gehalten, wozu die Unsrigen sehr schön sangen. Gegen Mittag kam Professor von Martius. Er war sehr erfreut, mich wieder zu sehen. Wir saßen lange allein in der Gartenlaube und erzählten uns unsere Lebensgeschichte seit wir zum letzten Male (1839) zusammen waren. Wir unterhielten uns dann noch viel über Deutschland, Schleiden, Schmeller, Endlicher. Nachdem wir uns dann an dem schönen Gesange der beiden Milde erfreut hatten, begaben wir uns in den schön geschmückten Saal und nahmen Platz an der Festtafel, die des Guten nur zu viel darbot. Heinrich hatte den Speisezettel gemacht und auch den Saalschmuck besorgt.

Schon am Morgen hatte ich der Frau Hofräthin einen Blumenstrauß mit einem Gedicht45 überreicht. Sie mochte nicht ahnden, daß ich ihr noch etwas zugedacht hatte, ich überraschte sie und die ganze Gesellschaft bei Tische mit einem Trinkspruch.46 Dann eine abermalige Ueberraschung: ich brachte unserm lieben Gaste von Schlehdorf ein Hoch aus.47

Den 27. August reisten die Gäste ab. Ich dachte schon früher an meine Abreise: erst hielt mich der Ludwigstag zurück, dann das[129] schlechte Wetter, und so blieb ich denn noch etwas länger als die anderen. An guten Tagen ging ich nach wie vor viel im Freien umher und besuchte am liebsten das Joch. Es ist die Besitzung eines einzigen Bauern: ein großes Wohnhaus, eine Sägemühle, verschiedene Wirthschaftsgebäude und Ställe. Von Osten nach Süd und West ist es von so hohen Bergen umgeben, daß vom 29. September bis zum 1. Februar kein Sonnenstrahl hineinfällt. Es liegt ein Stündchen von Kochel. Seitdem mir unsere Bergfahrt auf die Rabenköpfe so schlecht bekommen war, verzichtete ich auf die Aussicht von den Bergen und begnügte mich im Thale mit der Ansicht der Berge. Auch ohne Alpenblumen wand ich täglich Blumensträußchen so eigenthümlich und zierlich, daß mich niemand übertraf.

Zweimal wiederholte ich noch meinen Ausflug nach Schlehdorf zu Martius. Am 8. September waren die schönen Tage von Kochel vorüber. Ich reiste mit der Frau Hofräthin nach München. Ich nahm mit eine liebe dankbare Erinnerung und eine Handvoll Lieder.

Am 4. September schrieb ich an Ida über mein jüngstes Gelegenheitsgedicht: ›Das ist nun wol das letzte, das ich hier für jemanden dichte. Zwar ist jedes gut aufgenommen, aber ich möchte doch nun weiter keins machen, denn jede Waare, selbst die beste, verliert an Werth, wenn sie zu oft dargeboten wird. Nun, meine Dichterei hier ist verzeihlich: einmal glaubte ich damit Freude zu bereiten – und Du weißt wie gerne ich das thue – und zweitens war es ein Bedürfniß für mich, geistig thätig zu sein und dies Bedürfniß wuchs mit dem Gefühle der Gesundheit. Was sollte ich nun auch anders treiben? Zu wissenschaftlichen Sachen fehlten mir Lust und Hülfsmittel. Das Gute was ich geschaffen habe hat bleibenden Werth, und so bin ich denn über meine Bummelei etwas getröstet,‹ – ich war nämlich am 8. September schon 127 Tage unterwegs. Meine Lieder, worauf ich hier anspielte, erschienen schon im Januar 1857 in ›Westermann's Illustrirten Deutschen Monatsheften.‹48

8. – 17. September zu München in der Familie von Dessauer. Dann nahm ich Abschied und wiederholte in Prosa meinen Dank, den ich in Versen so oft ausgesprochen hatte. Die[130] Frau Hofräthin und ihre Tochter Hildegard begleiteten mich zum Bahnhof. Wir waren alle sehr wehmüthig gestimmt Ich dachte an den Kochelsee:


Seele des Menschen,

Wie gleichst du dem Wasser!

Schicksal des Menschen,

Wie gleichst du dem Wind!


Ich übernachtete in Bamberg. Den andern Tag besuchte ich Herrn Martin von Reider. Sein ganzes Haus ist voll von fränkischen Alterthümern, Bildern und Büchern. Er zeigte mir gar vieles. Dann ging er mit mir in den Dom und machte mich auf Alles von Bedeutung aufmerksam.

Den 20. September traf ich in Weimar ein. Agnes empfing mich auf dem Posthofe, Ida mit Franz kam einige Tage später erst heim. Ich war 135 Tage unterwegs gewesen und hatte 200 Rb. verreist. Ich war bald wieder im Weimarischen Gleise: ich arbeitete fleißig, spazierte, ging in die Erholung und unsern Verein, dann verkehrten wir viel mit Preller's und Carl Gräf's, sahen die alten Freunde öfters bei uns und gaben auch wol mal ein Abendessen. Liszt war eben von einer Reise zurückgekehrt und trat mit der Fürstin eine neue an.

Am 1. October beschied mich der Großherzog zu sich ins Schloß. Ich mußte von meiner Reise erzählen, besonders von München. Er hörte Alles mit großem Interesse an.

Unser Verein hatte den ganzen Sommer gefeiert, er sollte jetzt wieder werkthätig werden. Ich lud zu einer Sitzung am 20. October ein. Ich erwartete nicht viel; der Magnet für die musicalischen Mitglieder, Liszt, fehlte. Die Theilnahme war denn auch wirklich sehr gering; je geringer sie aber bei anderen ward, desto größer ward sie bei mir. Ich übernahm die ›Laterne‹ und dichtete und sang allerlei Spott- und Scherzlieder auf die faulen Mitglieder, daß ich denn doch endlich ein Publicum herbeilockte. Coßmann aber ließ sich nicht blicken. Halt! dachte ich, der soll mir auch schon noch kommen. Ich hatte gehört, daß der ausgezeichnete Violoncellist in letzter Zeit nicht mehr so viel Zeit und Mühe seinem Instrumente widme. Das gab mir nun Anlaß, ein Quartett zu dichten, worin ihn seine Geliebte[131] der Untreue bezichtigt etc. Den Anfang las ich vor, Coßmann war nicht da. Ich dichtete eine Fortsetzung und las diese das nächste Mal. Coßmann war wieder nicht da. Nun arbeitete ich das Ganze um und gab es in dieser neuen Form auch ihm zum Besten. Bernhard Coßmann und Edmund Singer, die beiden besungenen Helden, freuten sich sehr, ich aber mich noch mehr, denn mit dieser kleinen Dichtung habe ich vielen große Freude bereitet und dadurch auch mir.49

Am vorletzten Tage Septembers hatte ich das Manuscript zu meinem rückständigen Jahrbuchshefte des 5. Bandes in die Druckerei geliefert. Gegen Ende Novembers war es nun fertig geworden. Ich hatte aber vor dem Jahrbuche noch keine Ruhe: ich mußte noch ein Heft liefern, nämlich das eigentlich schon fällige des 6. Bandes. Um mir dazu und zu anderen Arbeiten noch allerlei Stoff zu verschaffen, unternahm ich eine Reise nach Berlin.

6.–21. December in Berlin. Herr von Zedlitz, der Polizeipräsident, hatte die mir von Hinckeldey früher ertheilte Erlaubniß, in Berlin weilen zu dürfen, anerkannt, und so betrat ich denn getrost das Gebiet der königlichen Haupt- und Residenzstadt. Ich hatte noch sehr viele beschwerliche Laufereien, ehe ich des Glückes theilhaftig wurde, mit einer Paßkarte frei in Berlin zu gehen und zu stehen. Ich wohnte bei Erk; damit es aber nicht hieße: der sehr mißliebige Mensch wohnt bei einem königlichen Musikdirector, so hatte ich mir eine Wohnung nicht weit von Erk gemiethet und auf der Polizei als meine Wohn- und Schlafstelle angegeben; ich hatte sie mir übrigens nur angesehen und den freundlichen Leuten den vollen Miethzins bezahlt.

Erk widmete mir seine ganze freie Zeit. Wir arbeiteten oft zusammen an ›Unseren volksthümlichen Liedern‹, einer Abhandlung, die ich jetzt für's Jahrbuch zum Abschluß bringen wollte. Erk hatte seit Jahren für denselben Zweck Bücher und Nachrichten gesammelt. Fast täglich besuchte ich die Bibliothek. Die Benutzung wurde mir sehr erleichtert durch die große Gefälligkeit des Dr. Schrader und Dehn. Auch Pertz war ungewöhnlich freundlich gegen mich, er[132] gestattete mir die Benutzung der Meusebach'schen Handschriften und Autographa.

Den 2. traf ich wieder in Weimar ein und erhielt den 26., gewissermaßen als einzige Weihnachtsbescherung, die Correctur des 1. Bogens des letzten Heftes vom Jahrbuch.

Zu Anfang des Neuen Jahres (1857) ging ich nach Almerich. Meine Behörden lud ich wie gewöhnlich beim Beginne des Neuen Jahrs zum Abendessen ein: Richter, Schulze und Schöffe waren alle sehr vergnügt. Den andern Tag erhob ich in Naumburg mein Wartegeld, speiste bei Steinhart in Pforta zu Mittag und war den Abend wieder in Weimar.

Den 4. Januar gingen wir alle ins Theater. Es wurde Romeo und Julia gegeben und Fräulein Seebach trat darin als Julia auf. Sie spielte so vortrefflich, daß einen das mitunter schwache Spiel einiger anderen nicht weiter störte. Sehr befriedigt kehrten wir heim. Ich fand eine Einladung der Fürstin auf morgen Abend mit der Bitte, einen Trinkspruch auf Fräulein Seebach zu dichten. Die Einladung war mir schon recht, aber der Trinkspruch –? Ich überlegte mir jedoch die Sache und da ich überdem zu aufgeregt war und nicht einschlafen konnte, so dachte ich noch viel an die Erfüllung jener Bitte. Ich schlief darüber ein.

Am folgenden Morgen war mein Trinkspruch bald fertig, und mit dem Gefühle der Sicherheit betrat ich am Abend den Saal. Ich fand eine große Gesellschaft, wol über 30 Personen versammelt. Es begann eine musicalisch-declamatorische Unterhaltung. Frau von Milde sang ›Meine Ruh' ist hin‹, Fräulein Seebach declamierte zwei Balladen von Hebbel, wozu Rob. Schumann's Musik gespielt wurde. Nachher sang sie noch ein irisches Volkslied. Während dann an kleinen Tischen gespeist wurde, brachte ich meinen Trinkspruch50 aus. Fräulein Seebach war sehr ergriffen und dankte. Sie erfuhr aber erst beim Nachhausegehen, wer der Spruchsprecher gewesen war. Erst einige Tage später besuchte sie uns, dankte nochmals für den ›schönen‹ Trinkspruch und bat mich um Abschrift. Da ich sehr unwohl war, so konnte ich ihr keinen Gegenbesuch machen. Ich schickte ihr das Gewünschte mit einem Briefchen, dessen Schluß also lautete: ›Die[133] Liebe und Verehrung verwandter Geister ist für den Künstler die unversiegbare Quelle seiner Begeisterung und seines Trostes für die vielen Mühen, von denen die große Menge nichts weiß, kaum etwas ahndet.‹

Der Geburtstag der Fürstin (8. Februar) wurde dies Jahr nicht gefeiert. Trotzdem beglückwünschte ich sie in zwei Gedichten und sie schien sich über diese kleine Aufmerksamkeit mehr zu freuen als wenn ich ihr in großer Gesellschaft ein Hoch ausgebracht. Dagegen wurde der Geburtstag der Prinzessin Maria (18. Februar) zwar in einem kleinen Kreise, aber in großer Heiterkeit gefeiert, wozu auch ich das Meine beitrug.51

Wenige Tage vorher hatte ich den letzten Bogen meines letzten Antheils am Jahrbuche corrigiert (Heft 1 des 6. und letzten Bandes). Es war mir, als ob mir ein Stein vom Herzen gefallen wäre, ich fühlte mich so leicht, daß ich die Schmerzen des Hexenschusses, der mich so sehr plagte, oft darüber vergaß. Ich fing wieder an zu dichten, zunächst für unsern Franz, und vollendete manche wissenschaftlich Arbeit, die ich seit Jahren hatte liegen lassen müssen. Ich gab sofort das Manuscript der Pars I. der Horae belgicae in die Druckerei. Schon den 26. März war der Druck vollendet. Ich freute mich sehr daß mein Werk wieder einen Kopf bekommen hatte. Dieser erste Theil erschien jetzt in völliger Umarbeitung, mit Benutzung aller Hülfsmittel, die ich in Deutschland und auf meinen dreimaligen Reisen in den Niederlanden hatte bekommen können: Horae belgicae Pars I. ed. 2., auch unter dem Titel: ›Uebersicht der mittelniederländischen Dichtung von Hoffmann von Fallersleben.‹ (Zweite Ausgabe. Hannover. Carl Rümpler. 1857. 8°. xij. 136 SS.)

So wichtig mir diese Arbeit auch für die Wissenschaft schien und so viele Freude sie mir auch gemacht hatte, so stand das Honorar doch in gar keinem Verhältnisse zu der unsäglichen und langen Mühe und den mancherlei Kosten, die außerdem damit verbunden waren. Ich mußte jetzt, da ich nicht mehr solche Opfer der Wissenschaft und meiner Liebhaberei bringen durfte, an eine Schriftstellerei denken, die nicht solche Vorstudien und Kosten erforderte, sondern leichter auszuführen war und etwas einbrachte. Ohne eine größere, sichere Einnahme, wie sie[134] das Jahrbuch gewährt hatte, ließ sich mein Weimarischer Hausstand nicht mehr durchführen. Wir hatten bisher sehr einfach, durchaus nicht in Herrlichkeit und Freuden gelebt, und doch jedes Jahr sehr viel ausgegeben: 1854 1353 Rb. und 1856 1042 Rb. . Es war mir deshalb erfreulich, daß mir ein litterarisches Unternehmen angetragen wurde, durch dessen Ausführung ich mir ein sicheres Einkommen auf mehrere Jahre ermöglichen könnte. Herr Theodor Oswald Weigel in Leipzig hatte nämlich die Idee, ein ›Handbuch der deutschen Bibliographie‹ zu verlegen und sich deshalb an mich gewendet. Da er durchaus noch nicht darüber im Klaren war, so bat er mich, nach Leipzig zu kommen und mit ihm die Sache zu besprechen. Er erwartete mich zu Fastnacht, Krankheit aber hielt mich zu Hause zurück. Erst im März konnte ich meine Reise ausführen. Unterdessen hatte ich, wie er wünsche, die Sache nach allen Seiten erwogen, und aufgeschrieben was ich für nothwendig und berücksichtigungswerth hielt.

Am 29. März ging ich nach Leipzig. Den andern Tag besuchte ich Herrn Weigel. Ich theilte ihm meine Ansichten mit und wir einigten uns: er übernahm den Verlag des bibliographischen Handbuchs und ich die Ausführung. Es handelte sich nur noch um Honorar und Vorschüsse auf 4 bis 5 Jahre. Wir zogen Professor Zarncke zu Rathe und dieser sprach sich sehr klar aus. Weigel wollte nun einen Vertrag entwerfen und das Weitere betreiben, während ich nach Weimar zurückkehrte.

Zu meinem Geburtstage überraschte mich Liszt mit einem Fäßchen Austern und sechs Flaschen Champagner. Auf der Altenburg feierten wir dann seinen Namens- und meinen Geburtstag noch weiter. Peter Cornelius, der das Essen versäumt hatte, brachte mir noch nachträglich ein Hoch aus:


Alt-Weimar ist eine große Stadt,

Die dreizehntausend Einwohner hat.

Neu-Weimar ist eine kleine Gemeinde,

Aber sie hat dreizehntausend Feinde.

Doch führen wir keine arge Beschwerde

Gegen den Bock und seine Heerde;

Nur dürfen auch sie nicht Klag' erheben,[135]

Lassen wir unsre Meister leben.

Es lebe denn unser Vice-Bock,

Der Veteran im Studentenrock!

Hoch Hoffmann, den jeder Deutsche kennt,

Neu-Weimars Vicepräsident!


Ida erfreute ich den 11. April zu ihrem Geburtstage mit 8 Liedern: ›Springauf für unser liebes Fränzchen.‹

Um diese Zeit besuchte uns fleißig Bernhard Althaus, ein junger talentvoller Musiker. Er trug uns mit seiner angenehmen Stimme viele seiner Compositionen vor und componierte viele meiner Lieder; ich besitze zwei Hefte von seiner Hand, die meisten verdienten eher gedruckt zu werden als so manche, die sich durch weiter nichts empfehlen als durch einen viel genannten Namen. Althaus ging nach London. Von dort aus sendete er mir die Composition meines Liedes: ›Nimm diesen frischen Blumenkranz‹,52 dem zugleich eine englische Uebersetzung beigefügt ist: ›The Poet's bridal gift‹. Seitdem erfuhr ich nichts mehr von ihm.

Am 13. April überbrachte mir Liszt die letzte großherzogliche Unterstützungssumme für das Jahrbuch. ›Und, fragte ich, was hat der Großherzog gesagt?‹ – ›Er interessiere sich nicht mehr für das Unternehmen.‹ So endete das Jahrbuch und damit schienen alle Beziehungen zu Sr. königlichen Hoheit enden zu sollen.

Zu Anfange Mais theilte mir Zarncke die Hauptpunkte des Weigelschen Vertrages mit. Danach sollte ich drei Jahre nach einander jährlich 500 Rb. erhalten, im Laufe des Jahres 1860 das Manuscript zum Druck abliefern und für den Druckbogen mir 10 Rb. Honorar berechnen lassen. Ich erschrak – 1500 Thaler ist allerdings ein hübsches Stück Geld. Ich kannte aber meine Arbeit bereits in ihrem ganzen Umfange und mit allen ihren Schwierigkeiten. Wenn ich drei Jahre diesem Buche all meine Zeit und meine Kräfte gewidmet gehabt hätte, konnte es leicht kommen, daß ich noch fernere drei Jahre arbeiten und das bereits verzehrte Geld abverdienen mußte und nebenher nichts weiter beginnen konnte. Nein! lieber frei, selbst mit einer ungewissen Zukunft, als ein Sklav von Verpflichtungen,[136] deren Erfüllung mich geistig und leiblich zu Grunde richten müßte.

Also auf diese Weise geht es nicht, es muß ein anderer Weg gesucht und gefunden werden. Ich dachte mir, wenn man sich nur auf die deutsche Dichtung beschränkte und dann aus den Dichtungsarten Abtheilungen machte und während man die eine ausarbeitete, für alle übrigen fortsammelte, so ließe sich der große Stoff bewältigen und nach einem längeren Zeitraume doch das Ganze vollenden etc. Da ich nun für diesen Zweck früher in der Meusebach'schen und Berliner Bibliothek, dann in der Breslauer fleißig gesammelt hatte, also vor länger als 30 Jahren, so schien mir ein Fortsammeln für diesen Zweck, wobei sich doch noch mancher andere berücksichtigen ließ, des Versuches werth. Und so ging ich denn wieder auf Reisen.

Den 9. Mai in Köthen. Ich sah die Kataloge der Schloßbibliothek durch und fand viel für mich. Vierzehn Tage war ich dann in Wolfenbüttel. Ich wohnte bei meinem Vetter Voges. Mein Zimmer war immer voll von Büchern aus der herzoglichen Bibliothek, wozu nun noch viele aus den Resten der ehemaligen Riddagshausener kamen. Ich arbeitete sehr fleißig. Von hier aus machte ich einen Ausflug nach Braunschweig. Ich besuchte Franz Abt und las ihm meine Oper vor: ›Aus beiden Welten.‹ Ich ließ sie ihm zu näherer Ansicht. Nach einigen Tagen brachte er sie wieder: mit dem Componieren war es nichts Den 26. Mai folgte ich einer Einladung des Dr. Förstemann nach Wernigerode. Die Benutzung der Bibliothek wurde mir von meinem lieben Wirthe, der zugleich Bibliothecar war, sehr bequem gemacht. Ich konnte alle Bücher, die ich für meinen Zweck fand, zu Hause näher ansehen. Nach vier erfolgreichen Tagen kehrte ich nach Weimar zurück.

Als das Pfingstfest vorüber war, begab ich mich den 3. Juni wieder auf Reisen und wendete mich nach Rudolstadt und Saalfeld. Als ich am vierten Tage mit meinen Arbeiten fertig war, schrieb ich in mein Tagebuch: ›Meine Ausbeute ist doch ganz hübsch, aber wenn ich immer so viel Zeit und Mühe und Geld für wenige Notizen verwenden soll, dann wird es ein theueres Werk! Weigel hat gar keine Idee von der Sache, er wird sich wundern, wenn ich ihm erzähle, was ich seit 10 Wochen gethan habe.‹ Nach einigen Tagen besuchte ich ihn in Leipzig und erzählte ihm den Stand des bibliographischen[137] Handbuchs. Er war anfangs überrascht, ging dann aber auf meine neuen Pläne ein.

Ende Junis war ich einige Tage bei Steinhart in Pforta. Er war damals sehr beschäftigt, er verwendete seine ganze freie Zeit auf seine Einleitungen zu den Werken des Platons in der Uebersetzung des Hieronymus Müller. Wenn er dann auf seinem Zimmer in tiefem Studium saß und ich unten im kleinen niedlichen Garten auf und ab wandelte, da kam es denn wol vor, wenn die Sonne gar zu schön schien daß ich dem fleißigen Freunde die Worte Opitzens zurief:


Ich empfinde fast ein Grauen,

Daß ich, Plato, für und für

Bin gesessen über dir.

Es ist Zeit hinaus zu schauen

Und sich bei den frischen Quellen

In dem Grünen zu ergeh'n,

Wo die schönen Blumen steh'n

Und die Fischer Netze stellen.


Wir pflegten dann noch einen gemeinschaftlichen Abendspaziergang zu machen, wenn wir beide auch durchaus nicht einverstanden waren mit dem was Opitz weiter singt:


Worzu dienet das Studieren

Als zu lauter Ungemach?


Nachdem ich mein Wartegeld in Naumburg gehoben, kehrte ich aus dem Saalthale zurück.

Ich glaubte vorläufig nicht wieder dorthin zu müssen. Da hörte ich aber, daß der Minister von Raumer die Badecur in Kösen gebrauchte. Ich versuchte nun von Almerich aus, zur Audienz bei Sr. Excellenz zu gelangen. Am 14. Juli wurde mir dieselbe gewährt, nachdem ich ihm meine Geschichte des deutschen Kirchenliedes und eine Eingabe hatte überreichen lassen. Der Minister empfing mich sehr freundlich, dankte für mein Buch und meinte, auf meine Eingabe könne er nur amtlich antworten, versprechen wolle er mir nichts, ich könne ihn sonst morgen schon beim Worte halten etc. Ich sprach über meine litterarische Thätigkeit und bemerkte, daß es mir[138] eben nicht sonderlich ginge. Da meinte denn der Herr Minister: ›Nun, man sieht es Ihnen nicht an, daß es Ihnen traurig geht.‹ Er lächelte und ich mußte lachen: ›Excellenz, mit der Traurigkeit kommt man auch nicht weiter.‹

Als ich am 15. Juli von Almerich zurückgekehrt war, erzählte mir Ida, Liszt lasse mich bitten, ihm ein Lied für das Septemberfest zum Componieren zu dichten, er habe sich sehr ausführlich darüber ausgesprochen, Näheres erfuhr ich nicht. So ein Gedicht ins Blaue hinein, schien mir eine schwierige Aufgabe, der ich mich aber doch unterzog, um nicht ungefällig zu erscheinen. Schon am 18. Juli schickte ich es ihm nach Berlin, wo er eben weilte. Am 20. war er zurückgekehrt und wir sahen uns noch denselben Tag. Da mußte ich denn hören: ›Mit Deinem Liede ist es nichts: ich hatte etwas anders erwartet: ein God save the King für den hiesigen Meridian etc.‹ Auch gut.53

Eines Abends in der Erholung blickte ich in das Frankfurter Journal. Ich wurde sehr überrascht, als ich las: ›J.G. Wirth hat sich mit Hinterlassung bedeuten der Schulden aus dem Staube gemacht.‹ So war also wieder ein Stück unsers ersparten Geldes dahin. Es ist schwerer Geld zu behaupten als Geld zu verdienen. Ich hatte Wirth Sohn in Mainz ein baares Darlehn anvertraut und noch Honorarforderungen an ihn. Ich mußte jetzt einen Versuch machen, zu retten was noch zu retten war. So drückend und anhaltend die Sommerhitze, so entschloß ich mich doch zur Reise (26. Juli). In Mainz fand ich leider Alles bestätigt. Ich bevollmächtigte den Dr. Röder, meine Forderungen geltend zu machen und übergab ihm meine Papiere.

Am 29. Juli fuhr ich mit dem Dampfschiffe nach Neuwied. Ich kehrte bei meinem Freunde Piel ein, der erst einige Tage später von einer Reise heim kam. Mein vierzehntägiger Anfenthalt in Neuwied war ein sehr erheiterter und erheiternder und bei aller Hitze, allem Schwitzen und Durste befand ich mich doch ungewöhnlich wohl. Ich hatte mir nun vorgenommen, in kurzen Tagereisen heimzukehren,[139] und so ging ich denn den ersten Tag (12. August) nur bis Coblenz, den zweiten bis Rüdesheim.

Als ich eben unter dem Eisenbahndamm durchging und dem Darmstädter Hofe zuwandern wollte, begegnete mir August Reuter Ich war nicht wenig überrascht. August, den ich nur immer als Junggesellen gekannt, hatte jetzt seine junge Frau am Arme. Ich wollte meinem Vorsatze treu bleiben und in den Gasthof einkehren – half nichts, ich mußte Augusts Gast sein. Den 19. August verließ ich heiter die heiteren Rüdesheimer, denn die Hoffnung auf ein gutes Weinjahr erheiterte alle Gemüther und Gesichter. Am 22. August traf ich wieder in Weimar ein.

Von dem Weimarischen Septemberfeste war viel die Rede, Näheres aber erfuhr ich erst in den letzten Tagen des Augusts, als mir zufällig an einem dritten Orte das Festprogramm in die Hände fiel. Da weiter keine Aufforderung oder Einladung irgend einer Art erfolgte, so sah ich darin die Absicht von Seiten des Comités, mich fern zu halten, und ich betheiligte mich nicht weiter als jeder der eine Erzählung davon oder einen Zeitungsbericht darüber liest. Den 2. September trafen unsere Gäste ein: Pastor Theodor Balzer und Idas Bruder, Dr. Adolf zum Berge, Redacteur des Hannov. Couriers. Den folgenden Tag begleitete ich sie in die Stadt, ich sah mir den Festzug an und ging heim, als er vorüber war. Ich habe weiter keine Festlichkeit gehört und gesehen und hielt mich fern.54 Daß ich mich zu- oder eindrängen würde, konnte doch niemand von mir erwarten, noch weniger verlangen. Und wie sollte ich denn da noch teilnehmen? Ich konnte nicht einmal als Weimarischer Bürger mich dem Zuge anschließen, ich war ja nur ein Weimarischer Miethsmann, dem nur mit einer Aufenthaltskarte gestattet war, in der Haupt- und Residenzstadt zu leben.

Die vielen Berichterstatter, die ein großartiges, fröhliches Volksfest erwarteten, hatten sich alle sehr getäuscht und konnten für die ihnen bewilligten Reisekosten und Honorare keine Berichte liefern, die das Geld werth waren. Es war ein Hof- und Hofrathsfest. Darin stimmten die wohlmeinendsten Augenzeugen überein. Da ich nun[140] das Carl August- und Dichterfest als solches nicht feiern konnte, so feierte ich es nachher als Hofrathsfest und erstattete meinen Freunden in einer Anzahl Gedichte ›Weimar's 3. und 4. September.‹55 Bericht.

Da ich noch immer keine Antwort auf meine Eingabe wegen Wiederanstellung an die Minister von Manteuffel und von Raumer erhalten hatte, so hielt ich es für das Beste, mir selbst eine Antwort zu holen und nebenbei die Bibliothek zu benutzen. Den 7. October reiste ich ab, blieb die Nacht in Dessau und traf den andern Tag in Berlin ein. Gustav Eggers empfing mich am Bahnhofe und führte mich in die Wohnung, die er für mich gemiethet hatte. Ich besuchte nun die Bibliothek, einige Freunde und geheime Räthe. Während letztere mir die Unterstützung meines Gesuchs versprachen, ward mir ein Brief, der schon mit der Post abgesendet werden sollte, eingehändigt: Raumer schlug meine Bitte um Wiederanstellung ab.

Ich hatte also nur meine Autographensammlung um eine Nummer vermehrt, zugleich aber die Ueberzeugung gewonnen, daß ich unter dieser Regierung nie angestellt werden würde. Uebrigens war ich durchaus nicht niedergeschlagen: das Bewußtsein, Alles versucht zu haben, um einen meinen Wünschen entsprechenden Wirkungskreis wieder zu gewinnen und einer sorgenfreieren Zukunft mit den Meinigen entgegen gehen zu lönnen, dies Bewußtsein mußte mich trösten und beruhigen. Und so war ich denn im Verkehre mit Anderen recht heiter, das können diejenigen bestätigen, wenn sie sich dessen noch erinnern, mit denen ich öfter zusammen war: Gustav Eggers, Franz Commer, Otto Janke etc. Am 15. October trat ich meine Heimreise an. Erk, der erst verreist und dann amtlich verhindert war mich zu sehen, fand sich noch ein und begleitete mich zum Bahnhof. Da der Zug erst um 1 Uhr ging, so hatten wir noch Zeit, uns über unsere litterarischen Arbeiten gegenseitig auszusprechen.

Bei meiner Rückkehr fand ich die Meinigen sehr leidend und bald wurde ich es auch. Trotzdem arbeitete ich fleißig und machte einen neuen Versuch, vom Ministerium wenigstens eine Unterstützung[141] für ein größeres litterarisches Werk zu erlangen. Ich schickte dem Minister eine sauber abgeschriebene Probe der Bücherkunde der deutschen Dichtung bis zum Jahre 1700 und bat dies Werk zu unterstützen.

Für Liszt standen zwei Feste bevor: der Tag seiner zehnjährigen Wirksamkeit als großherzoglicher Hofcapellmeister und sein Geburtstag. Am 21. October war im Stadthause ein großes Abendessen, woran die Mitglieder des Theaters und viele Freunde Liszt's theilnahmen. Den folgenden Tag wurde auf der Altenburg der Geburtstag sehr glänzend gefeiert. Es wurde eine Vorstellung gegeben: des Meisters Bannerschaft, gedichtet von Steinacker und angeordnet von Dr. Pohl. Bei Tische brachte Steinacker ein Hoch aus, dem ich das meinige56 folgen ließ.

Unser häuslicher Verkehr hatte dies Jahr eher zu- als abgenommen. Zu den uns lieb gewordenen Familien kamen noch von Milde, Landbaumeister Scheffer und Carl Gräf. Auch hatten wir gerade im Laufe dieses Jahrs häufigen Fremden-Besuch. Der Neu-Weimar-Verein war nach außen gewachsen, aber nicht nach innen, es waren aufgenommen worden: Hofopernsänger Feodor von Milde, Componist Eduard Lassen und Theaterintendant Franz Dingelstedt. Die Theilnahme der Mitglieder ließ viel zu wünschen übrig, viele kamen selten, einige gar nicht. Mehr und erfreuliche Unterhaltung gewährte mir der ›runde Tisch‹ in der Erholung.

Meine diesjährige Thätigkeit am Jahrbuch war eine mühsame und zeitraubende, aber auch die letzte: In dulci iubilo nun singet und seid froh (Zur Geschichte der lat.-deutschen Mischpoesie) 6, 43–56. – Unsere volksthümlichen Lieder. 6, 84–215. – Findlinge. 6, 216–240. – Meine wissenschaftliche Beschäftigung hatte seitdem nicht nachgelassen, sie war nur eine freiere und eben deshalb angenehmere geworden. Zunächst waren es wieder sprachliche Studien, die mich in Anspruch nahmen. Ich hatte die niederdeutschen Sprichwörter des Antonius Tunnicius v.J. 1514, 1362 an der Zahl, abgeschrieben, mit Anmerkungen versehen und übersetzt, und zum Druck vorbereitet. Ferner hatte ich Beiträge geliefert zu Pfeiffer's Germania und zu Frommann's Zeitschrift: Die deutschen Mundarten. In besonderen[142] Abdrücken erschienen: ›Beiträge zu einem schlesischen Wörterbuche.‹ (Nürnberg. 1857. 8°. 30 SS.) und ›Die Mundart in und um Fallersleben.‹ (Nürnberg. 1858. 8°. 46 SS.)

Dem hohen Ministerium gegenüber war mein ganzes litterarisches Thun und Treiben so gut wie gar nicht mehr vorhanden; ich durfte von dieser Seite keine Unterstützung, ja nicht einmal eine Aufmunterung erwarten. Am 7. December ließ mir Excellenz von Raumer durch Dr. J. Schulze kurz und bündig schreiben: ›daß ich Ihrem Gesuche um eine Unterstützung der von Ihnen unternommenen litterarischen Werke nicht willfahren kann.‹

Das Jahr endete mit einem frohen Ereignisse. Ida wurde von einem Knaben glücklich entbunden und trotz unseren Besorgnissen schien sich Alles gut zu gestalten.

Den 3. Januar (1858) ging ich nach Almerich. Da ich auf mein Wartegeld noch warten mußte, so machte ich einen Ausflug nach Merseburg. Die Bibliothek war leider nicht zugänglich und da konnte es mir nur sehr angenehm sein, daß mir Conrector Osterwald seine ganze freie Zeit widmete. Wir sprachen uns über Alles was uns am Herzen lag genügend aus. Ich erzählte ihm von unserm Weimarischen Leben, meinen Studien und vergeblichen Bemühungen wieder angestellt zu werden und was ich in letzter Beziehung vor einigen Wochen noch nachträglich gehört hatte, nämlich mein Gesuch sei bei dem Ministerpräsidenten von Manteuffel günstig aufgenommen worden und er habe Herrn von Raumer die Randbemerkung gemacht: ›Mit Vorsicht zu verwenden.‹

Ich blieb noch zwei Tage in Almerich, besuchte von hier aus Steinhart und Koberstein in Pforta, gab meinen Behörden das übliche Neujahrsessen und war den 7. Januar wieder in Weimar.

Am 16. Januar wurde unser Kind getauft. Pathen waren meine Freunde Eduard Kießling und Conrad Wolff und die Prinzeß Maria von Wittgenstein. Nur letztere war anwesend und hielt das Kind über die Taufe. Der Diaconus Fiege sprach einfach, aber recht zum Herzen. Gerührt empfingen wir die Glückwünsche der Anwesenden. Leider sollten wir uns unsers Glückes nicht lange mehr freuen. Unser Edward erkrankte, und während wir uns der besten Hoffnung hingaben, daß es bald genesen würde, war es plötzlich verschieden.[143]

Am 26. Januar in der Morgendämmerung stürzt Ida auf mein Bette laut schluchzend: ›Unser Kind ist todt!‹ – Ich kann es mir nicht denken – noch gestern anscheinend so gesund – ich eile in die Kammer und sehe das liebe Kind bleich und kalt daliegen. – Wir weinen und weinen immer wieder. Ida hat zu viel gelitten und ich bin endlich von ihrem Schmerze so traurig und still geworden wie ich es fast noch nie war. Das liebe Kind mit seinen großen blauen Augen, unsere Hoffnung, unsere Freude, nun bald vom warmen Herzen der Mutter in der kalten Erde! Ich mußte ins Freie um mich auszuweinen. Als ich zurückkehrte, war unser Kind schon ins Leichenhaus abgeholt, ich habe es nicht wieder gesehen, aber sein Bild blieb vor meiner Seele. Die Theilnahme unserer Freunde und Freundinnen war groß, sie boten Alles auf uns zu trösten, zu zerstreuen, zu erfreuen und zu erheitern. Wir konnten nur sagen: Eine kurze Freude, ein desto längerer Schmerz! Nur Gott und die Zeit können trösten.

Zum 29. Januar war ich auf die Altenburg eingeladen. Tags vorher hatte uns Liszt besucht und mich dringend gebeten, doch ja zu kommen, ich müsse mich zerstreuen, und würde mich erheitern, wenn ich Andere erheiterte. Es war ein schwerer, schwerer Gang. Als ich die Fürstin, die Prinzeß und Miß Anderson wieder sah – da konnte ich vor Thränen kein Wort sagen. Ich kam mir so unendlich arm und elend vor. Es dauerte lange, ehe ich mich in der großen Gesellschaft zurecht fand. Zugegen waren Dingelstedt nebst Gemalin, Meißner, Rank, Lauckhard, von Bronsart. Es war heute anders als vor acht Tagen. Damals, als das Dingelstedtsche Ehepaar auch zugegen, hatte ich es unberücksichtigt gelassen, aber aus freien Stücken den ebenfalls anwesenden Alfred Meißner begrüßt.57 Heute mußte ich nun auf Wunsch der Fürstin einen Trinkspruch auf Herrn und Frau Dingelstedt ausbringen. So kitzlich mir die Aufgabe gewesen war, so hatte ich es doch für angemessen gehalten, selbst als Gast der Fürstin einen andern ihrer Gäste gewissermaßen in ihrem Auftrage zu beehren.58 Da es vor acht Tagen von der Fürstin gewünscht war, daß wir uns das nächste Mal beide besingen[144] sollten, so hatte nun auch Dingelstedt diesen Wunsch erfüllt und brachte mir ein Hoch59 aus. Eine Abschrift wurde mir versprochen, aber dabei blieb es, ich hatte jedoch eine Abschrift meines Spruches gar nicht diplomatisch zurückgehalten.

Den 8. Februar feierte die Fürstin wieder ihren Geburtstag. Nach ihrer langen Krankheit war sie wieder recht wohl und munter, und theilnahmvoller und fast freudiger gestimmt als vorher. Wir waren alle zur Tafel geladen und gingen etwas früher hin. Wir brachten unsere Glückwünsche, Franz überreichte ihr ein Gedicht und einen Blumenstrauß. Die Fürstin war sehr erfreut, besonders daß nun auch Ida wieder da war.

Bei den traurigen Erinnerungen an den Verlust unsers Kindes und bei dem fortwährenden Kranksein der Meinigen und dem anhaltenden unfreundlichen Wetter war es für mich recht wohlthuend, wenn es einen Anlaß zum Dichten gab. Und so dichtete ich denn zum Geburtstage der Prinzessin einen Kreis Lieder. Wir waren alle eingeladen, aber die Meinigen wurden wie Preller's durch Unwohlsein verhindert. Als ich kam, sah ich mir die Festgeschenke an: viele Blumen auf den Tischen, schöne Handzeichnungen, ein Gedicht von Meißner und ein Heft meiner Lieder, componiert von E. Lassen, die später als Op. 4. im Druck erschienen. Bei Tische trug ich meine Festgabe vor: ›Mein Fasching am 18. Februar 1858.60‹ Erfindung und Ausführung fanden Beifall.

Für meine Bücherkunde hatte ich im Laufe des Winters wenig thun können, nur der Opitz als Vorläufer und Probe war vollendet. Als es nun zum Frühling neigte und das Reisen bald wieder bequemer wurde, wollte ich erst sehen, ob meine Wünsche in Betreff meines Werkes sich verwirklichen würden. Den 15. März reiste ich nach Leipzig. Ich besuchte sofort T.O. Weigel. Er empfing mich ziemlich lau, sprach über Geldkrisis, schlechte Geschäfte u. dgl. Ich zeigte ihm den Opitz. Er meinte, so etwas würde nichts helfen, er wolle ein Lexikon von A-Z, keine einzelnen Abtheilungen. ›Nun, sagte ich, gedruckt wird er doch,‹ und empfahl mich. – Den dritten Tag besuchte mich Engelmann. Ich theilte ihm den Plan meines[145] Werkes mit und wir wurden schnell einig. Zuerst sollte der Opitz gedruckt werden, dann die dramatische Litteratur folgen. Zu meiner großen Freude übernahm auch Engelmann die zweite Ausgabe meines Buches über ›Unsere volksthümlichen Lieder.‹ Den vierten Tag war ich wieder in Weimar.

Den 25. März besuchte mich Bogumil Goltz. Ein fröhliches Wiedersehen seit so langer Zeit. Als wir uns zum letzten Male sahen, da gedachte ich also seiner: ›Goltz nimmt heute (23. Oct. 30) Abschied von mir – ich hatte mich auf ein langes, recht vielseitiges Gesprächspiel mit ihm gefreut, und nun ist Alles vorbei. Er wußte nicht oft genug sich zu äußern, wie sehr meine Aphorismen über die Liebe ihn angesprochen hätten, wie vieles daraus gleichsam aus seiner Seele geschrieben sei.‹

Preller war um diese Zeit oft sehr leidend. Wenn sich seine Kopfschmerzen einstellten, lag er oft fast bewußtlos darnieder. Am 25. April wollten wir ihn zu seinem Geburtstage beglückwünschen, aber wie erschraken wir! Er lag mit den heftigsten Kopfschmerzen auf dem Sopha und konnte kein Wort sprechen. Wir gingen traurig und schweigend heim, und er hörte und las nicht wie wir es so herzlich meinten.61

Wir hatten seit Neujahr fleißig das Theater besucht und verdankten unserm Freibillet manchen Genuß; auch hatten wir in unserm geselligen Verkehre Zerstreuung und Erheiterung gefunden. Mir aber war ein stiller Schmerz geblieben, der nur in der freien Natur jetzt zur Frühlingszeit Linderung suchte und fand. War es mir doch, als ob jede Blume mir einen Gruß unseres lieben Edwards brächte.62

Am 9. Mai, als wir noch bei Tische saßen, fragte ich Ida: ›Kennst Du Gödeke?‹ – Nein. – Da schellte es, und wer kam? Karl Gödeke. Drei Tage war ich nun fast immer mit ihm zusammen. Gödeke sah sich so ziemlich Alles an was für jemanden, der so tief eingeweiht ist in die Weimarische Glanzperiode, sehenswerth sein muß. Wir wanderten in und um Weimar umher, waren in Tiefurt und sogar in Ettersburg. Nur in die Erholung, die[146] doch auch ein Stück Glanzperiode ist, konnte ich ihn nicht bringen, bis er denn endlich auf langes Zureden sich bewegen ließ in das Haus einzutreten, ich durfte ihn aber nur als Dr. Meier vorstellen. Dagegen nahm er eine Einladung zur Altenburg an und er mußte es sich gefallen lassen, daß ich seiner als Dr. Gödeke gedachte.63

Den 27. Mai tagte in Weimar die zehnte allgemeine deutsche Lehrerversammlung. Ich war angegangen worden, doch etwas für sie zu dichten. Schon am 13. überreichte ich dem Schulrath Lauckhard zwei Lieder, das eine zum Componieren für Liszt, das andere ein Tafellied, nach einer allgemein bekannten Melodie zu singen. Am 27. erhielt ich ein Danksagungsschreiben vom Vorstande und zugleich eine Einladung zum Festessen. Dies begann um 2 Uhr Die Seminaristen trugen vorher meine Cantate vor nach Liszt's Composition. Während des Essens sang die ganze Versammlung mein Tafellied.64 Es wurden viele Hochs ausgebracht. In einem Berichte des Frankfurter Journals heißt es: ›Das gestrige Festessen war sehr zahlreich besucht und von classischem Hauche durchweht. Da saßen an Einer Tafel Franz Liszt, Hoffmann von Fallersleben, Dingelstedt, Joseph Rank und andere wohlbekannte Männer. Da fühlte man wieder einmal, daß das kleine Weimar doch eine Größe in Deutschland beanspruchen darf.‹ Schade, daß kaum ein Jahrzehent verging und von den genannten Männern war kein einziger mehr in Weimar, die ›anderen wohlbekannten‹ mögen noch da sein. – Unter den vielen Schulmännern lernte ich den Consistorial-Rath Hirsche von Wolfenbüttel näher kennen.

Im Mai besuchte mich Ernst Ortlepp. Er machte einen sehr traurigen Eindruck. Ich wußte nicht, was ihn zu mir herführte. Er war mit einer Gauklergesellschaft herübergekommen, der Vorsteher derselben hatte ihn zum Lehrer seiner Kinder angenommen und glaubte wirklich auf diese Weise den Tiefgesunkenen noch retten zu können. Ortlepp war durch diese Stellung vor Noth gesichert und behielt Zeit genug, um sich aus dem Bummlerleben an eine würdige Thätigkeit nach und nach zu gewöhnen. Ich stellte ihm vor, er möchte doch seine jetzige Muße darauf verwenden, seine Lebensgeschichte[147] zu schreiben. Er hörte sich Alles ruhig an, meinte dann aber, seine jetzige Lage sei der Art, daß sie ihn zu keiner litterarischen Thätigkeit kommen ließe. Er dankte für meine Theilnahme und schied nachdenklich und bewegt, so daß ich wirklich Hoffnung hatte, mein guter Rath könnte vielleicht von guter Wirkung sein. Meine Hoffnung war umsonst. Nach einigen Tagen traf ich ihn in der ›Sonne‹. Er war in einem seiner gewöhnlichen Zustände, sprach griechisch und allerlei Unsinn. Später hörte ich, daß er sein wüstes Bummlerleben beharrlich fortführe, sich im Herzogthum Sachsen herumtreibe und mitunter von Schulpforta unterstützt werde. Am 14. Juni 1864 fand man ihn in dem Wassergraben längs der Landstraße von Almerich nach Pforta ertrunken.

Schon zu Anfange Junis erschien mein Büchlein über Opitz, nachdem ich jeden Bogen zweimal sorgfältigst corrigiert hatte: ›Martin Opitz von Boberfeld. Vorläufer und Probe der Bücherkunde der deutschen Dichtung bis zum Jahre 1700. Von Hoffmann von Fallersleben.‹ (Leipzig. Wilh. Engelmann. 1858. 8°. 32. SS.)

Mein Werk ist seitdem nicht über die Vorarbeiten hinausgekommen. Ueber das was ich damals wollte und heute noch will, giebt die Vorrede genügenden Aufschluß und eben deshalb mag einiges aus ihr hier eine Stelle finden.

›Vorliegende Zusammenstellung aller Ausgaben und Einzeldrucke der Opitzischen Gedichte soll zugleich eine Probe eines größern bibliographischen Werkes sein, zu dessen Ausarbeitung ich schon seit vielen Jahren geforscht und gesammelt habe. Dies Werk soll den ganzen poetischen Bücherschatz der deutschen Litteratur umfassen bis zum Jahre 1700 unter dem Titel:


Bücherkunde

der deutschen Dichtung

bis zum Jahre 1700,

und zwar in folgenden Abtheilungen:

I. Gedichte (lyrische, didactische, epische). Alphabetisch nach den Verfassern, die anonymen nach dem Hauptworte.

II. Schauspiele. Alphabetisch nach den Verfassern, die anonymen chronologisch.

III. Gesangbücher (Sammlungen geistlicher Lieder). Chronologisch.[148]

IV. Erzählungen (Volksbücher, Romane, Satyren). Nach dem Hauptworte oder dem Namen des Verfassers.

V. Sprichwörter. Räthsel. Chronologisch.‹–

Um dieselbe Zeit vollendete ich mein thüringisches Idiotikon, eine Arbeit, die mir seit Jahr und Tag viel Unterhaltung und Belehrung gewährt hatte. In Weimar sammelte ich selbst aus dem Volksmunde; für andere Gegenden hatte ich mich mancher bereitwilligen Unterstützung zu erfreuen, namentlich durch Carl Gräf, Dr. Sigismund in Rudolstadt, Pfarrer Andreä in Stotternheim und die Lehrer Peter in Weimar, A. Schauseil in Allstedt und K. Gräser in Mittelhausen. Ferner benutzte ich alle bisher gedruckten Mittheilungen über thüringische Mundart. Doch beschränkte ich mich nicht auf den Volksmund: ich suchte alle älteren thüringischen Verordnungen, Gesetze, Chroniken u. dgl. für meinen Zweck auszubeuten. Meine Sammlung bedurfte nur noch der Abschrift und sollte dann in Frommann's Zeitschrift: ›Die deutschen Mundarten‹ gedruckt werden, Leider hatte diese für deutsche Sprachkunde so gehaltreiche Zeitschrift schon mit dem sechsten Jahrgange (1859) ihre Endschaft erreicht.65

Den 15. Juni traten wir unsere schon lange beschlossene Reise an. Ich begleitete die Meinigen nur bis Wolfenbüttel, da mir das Welfenreich immer noch verschlossen war. Ob ich mit ihnen in ihrer Heimat noch zusammenkommen würde, war noch sehr ungewiß, auf meine Eingabe an Herrn von Borries war noch keine Antwort erfolgt. So blieb ich denn vorläufig in Wolfenbüttel, wo ich die herzlichste Aufnahme fand bei Consistorial-Rath Hirsche Ich setzte nun die im Frühjahr unterbrochene Benutzung der Bibliothek fort. Während ich behaglich arbeitete, oder zur Erholung im Garten spazierte oder mit den Kindern spielte, und dann die Abende im traulichen Verkehre mit den Familien Hirsche, Voges, Strümpell, Bethmann heitere Stunden verlebte, quälte sich Ida um meinetwillen in Hannover. Endlich war sie am 17. Juli zum Minister von Borries durchgedrungen und theilte mir sofort Alles brieflich mit.


[Ida hatte selbst bei dem Minister eine Audienz, um für ihren Mann die Erlaubniß zu erwirken, im Königreich Hannover sich aufhalten zu dürfen. Als Grund für Hoffmann's Ausweisung[149] im Jahre 1853 gab der Minister an: seine Zusammenkunft mit dem größten Oppositionsmitgliede der Regierung, Planck, habe das damalige Ministerium sehr geärgert, und da er in dem Rufe stehe, Gemüther leicht zu erregen, so habe man ihn damals aus Hannover entfernt. Der Beredtsamkeit Ida's gelang es jedoch, Borries zu bewegen, daß er sich in dieser Angelegenheit an den König wendete, um eine Zurücknahme der damaligen Verfügung gegen Hoffmann zu erwirken. Darauf hin wurde dem Dichter, wie Borries in einem sehr freundlichen Schreiben Ida mittheilte, bis auf Weiteres der Aufenthalt in Bothfeld gestattet, zugleich aber wurde er ermahnt, in seinem Verkehre die empfehlenswerthe Vorsicht zu beobachten.]


Sofort war meine Abreise beschlossen. Ich war übrigens bis den letzten Augenblick noch recht fleißig gewesen. So hatte ich noch den 17. Juli 30 Bände aus der Bibliothek untersucht und verzeichnet. Meine litterarische Ausbeute hatte an Umfang sehr zugenommen Am 18. Juli reiste ich mit Hirsche's nach Braunschweig. Wir waren noch zu guter Letzt recht heiter zusammen. Den folgenden Tag traf ich in Bothfeld ein. Ida erzählte mir nun noch ausführlicher in ihrem liebenswürdigen Humor was sie für mich gethan und erlebt hatte. Wir waren hocherfreut und beruhigt.

Am 24. Juli meldete mir das königliche Amt Langenhagen oder der Reg. Rath Hagemann, ›daß das unter dem 7. August 1845 erlassene Verbot Ihres Aufenthalts im hiesigen Königreiche in seiner Allgemeinheit zur Zeit nicht aufgehoben werden könne, daß Ihnen indessen unter Allerhöchster Genehmigung bis auf Weiteres gestattet werde, in Bothfeld bei Ihren dortigen Verwandten, zu deren Besuche Sich aufzuhalten etc.‹ Ich konnte mir gar nicht denken, daß das so wörtlich gemeint sei. Ich ging am 27. Juli ohne irgend etwas Schlimmes zu ahnden nach Hannover. Ich blieb mehrere Stunden auf der königlichen Bibliothek, sah das ganze Fach der deutschen Litteratur durch und suchte die Bücher aus, die ich später näher ansehen wollte, dann machte ich einige Besuche und ging heim.

Den 29. Juli wiederholte ich meine Wanderung. Ich war wieder einige Stunden auf der Bibliothek und freute mich, daß ich für die nächste Zeit eine hübsche Ausbeute machen würde. Als ich eben[150] in einer Musikhandlung nach Compositionen meiner Lieder suchte, kam Ida mit einem Briefe des RR. Hagemann. Ich wurde gewarnt, wenn ich den mir durch die Gnade Sr. Majestät gestatteten Aufenthalt nochmals überschritte, so würde sofort die Ausweisung erfolgen.

Jetzt blieb mir weiter nichts übrig als mich ruhig zu verhalten. Wie ernstlich die Confinierung, diese sinnreiche Erfindung und berechtigte hannoversche Eigenthümlichkeit aus den Zeiten Ernst Augusts, gemeint war, wurde bald klar: zwei Gendarmen wurden auf dem angränzenden Gehöfte einquartiert, um mich zu überwachen. Daß sie um meinetwillen da waren, ist erst zur unumstößlichen Gewißheit geworden durch den eigenhändig von Sr. Majestät George V. unterzeichneten Cabinetsbefehl an den damaligen Chef der Gendarmerie E. Poten, der sich in seinem Nachlasse vorfand.

Was nun thun? Ich suchte mich bestens zu beschäftigen, ich las Allerlei, machte Abschriften, schrieb Briefe, dichtete, unterhielt mich mit den Meinigen, und spazierte auf und ab in dem Pfarrgärtchen, das nur einen einzigen Weg zwanzig Schritt lang hatte. Ich kam mir vor wie ein an einen Pflock getüdertes Pferd, das auf seinen kleinen Kreis beschränkt die sogar nur dürftige Weide vor sich sieht und nicht erlangen darf. Mein guter Humor erlosch nicht, ja er steigerte sich nur noch beim täglichen Anblick der Gendarmen, und das fröhliche Gesicht meines Franz, wenn er sich unter den Blumen und Schmetterlingen herumtummelte, oder die Hühner fütterte, oder die Katzen jagte, stimmte mich immer von neuem zur Heiterkeit und zum Dichten. Und so dichtete ich denn den größten Theil der Lieder, die nachher als ›Fränzchens Lieder‹66 erschienen.

Die Hitze war unerträglich und das Reisen deshalb nicht rathsam. Ich beschloß daher auszuharren und von der königlichen Gnade noch weiter Gebrauch zu machen. Endlich den 26. August, nachdem ich durch ein abermaliges Gesuch an den Herrn von Borries nichts erreichte, verließ ich mein St. Helena und begab mich in die Republik Hamburg.

Mein Vetter F. Wiede hatte mich schon lange erwartet. Er[151]

wohnte sehr weit von der Stadt und dadurch wurde mir die Benutzung der Bibliothek, und das war mein Hauptzweck, sehr erschwert. Doch war ich mit der Ausbeute auf der Stadtbibliothek sehr zufrieden, der Bibliothecar Dr. Petersen war sehr gefällig und von allen Seiten kam man mir hülfreich entgegen. Auch andere Bibliotheken sah ich. Zur Geschichte ›Unserer volksthümlichen Lieder‹ erhielt ich manchen hübschen Beitrag durch Friedrich August Cropp und Dr. Carl Rudolf Caspar. Letzterer, zwar Mediciner, beschäftigte sich gern mit der Volksdichtung und besaß eine große Sammlung seltener neuerer Liederbücher und fliegender Blätter, die ich näher kennen lernte. Dr. Johannes Geffcken, rühmlichst bekannt durch seine kirchengeschichtlichen Forschungen, war so freundlich, mir seine bedeutende Bibliothek zu zeigen, und ich mußte den andern Tag meinen Besuch wiederholen. Wäre mein Aufenthalt von längerer Dauer gewesen, so hätte ich wol noch manche Privatbibliothek zu sehen bekommen und etwas für meinen Zweck gefunden.

So zeitraubend auch täglich meine Arbeit war, so hatte ich doch noch immer Zeit übrig zu geselligem Verkehre: ich besuchte Dr. Friedrich Dörr, Otto Speckter und Siegmund und war einige Tage viel zusammen mit Resch, der eben von Helgoland kam. Siegmund hatte eine photographische Anstalt, er photographierte Resch und mich. Mein Bild ist Jahre lang im Bazar ausgestellt gewesen und alle, die es gesehen, haben behauptet, es wäre das beste das überhaupt von mir vorhanden. Ich wollte nun nach Berlin. Um aber nicht in die Bibliotheks-Ferien hinein zu gerathen, schien es mir besser, bis sie vorüber wären, unterwegs zu bleiben. So entschloß ich mich denn noch meine Freunde in Meklenburg zu besuchen, denen ich gewiß willkommen sein würde.

Den 8. October traf ich in Berlin ein. Ich wohnte wieder bei Erk. Das war mir für meine Liederforschung höchst willkommen. Ich konnte nun mit ihm in seinen freien Stunden gemeinschaftlich arbeiten und in seiner Abwesenheit seine reichen Sammlungen benutzen.

Mehrmals besuchte ich die königliche Bibliothek. Dr. Schrader unterstützte mich auch jetzt in alter liebenswürdiger Bereitwilligkeit und ich bereicherte meine Bücherkunde mit manchem hübschen Beitrag.[152] Ich beschränkte mich jedoch nicht auf die königliche Bibliothek, eine andere reiche Fundgrube eröffnete sich mir: Freiherr Wendelin von Maltzahn lud mich ein auf seine Schätze. Ich wiederholte öfter meinen Besuch und war jedesmal mehrere Stunden bei ihm. Er hatte seit Jahren für ältere und neuere deutsche Litteratur gesammelt und erstaunliches Glück gehabt. Mit dankenswerther Bereitwilligkeit legte er mir Alles vor was ihm für meinen Zweck wichtig schien, und seine Freude mitzutheilen war eben so groß als die meinige sein mußte zu empfangen. Diese Arbeiten und die weiten Wege raubten mir täglich viel Zeit, so daß mir zu Besuchen nur wenig übrig blieb. Ueberdem fand ich manchen Bekannten nicht zu Hause und so sah ich denn nur wenige.

Während meiner Anwesenheit gelangte die Regentschaftsfrage zur Entscheidung. Am 9. October enthielt die Volkszeitung in fetter Schrift die Nachricht, daß die Cabinetsordre zur Uebernahme der Regentschaft dem Prinzen von Preußen ausgefertigt sei. Ich knüpfte an dies Ereigniß auch für mich große Hoffnungen, die aber für mich nur Hoffnungen blieben.

Ehe ich noch an meine Abreise dachte, hatte ich meine große Sammlung französischer Lieder den Herren A. Cohn und D. Collin (Asher) übergeben und durfte erwarten, daß sie dieselbe für mich verwerthen würden. Sie hatte lange genug auf der königlichen Bibliothek gelegen, konnte aber um den Spottpreis, den Pertz dafür bot, ihr leider nicht einverleibt werden. Nach allen Seiten hin befriedigt trat ich meine Heimreise an. Am 21. October empfing mich Ida am Bahnhofe in Weimar. Die Meinigen waren alle wohl und munter. Nach einigen Tagen war ich wieder unterwegs: ich ging nach Leipzig und schloß mit Engelmann einen Vertrag ab über meine ›Findlinge‹ und ›Unsere volksthümlichen Lieder‹, 2. Ausgabe.

Die beiden letzten Monate des Jahres vergingen uns ziemlich still: wir machten und empfingen Besuche, gingen dann und wann ins Theater, und ich arbeitete sehr fleißig. Am 3. December besuchte mich Hofcapellmeister Kücken von Stuttgart. Er blieb viertehalb Stunden bei uns. Wir sprachen viel über volksthümliche Lieder, Opern u. dgl. Ich gab ihm meine Oper ›Der Graf im Pfluge‹ zum Lesen. – Als ich ihn den andern Tag besuchte, war er noch ganz entzückt von dem Texte, meinte aber, er entspreche nicht[153] den Anforderungen eines Operncomponisten, übrigens solle ich ihn doch ja drucken lassen.

Der Verein bestand noch, aber daß er bestand, erfuhren wir selbst nur, wenn Liszt nach Beendigung einer Oper oder eines Concertes einige Gäste mitbrachte. War er krank oder verreist, so erschienen auch die meisten unserer Musiker nicht. Früher wäre so etwas weniger von Einfluß gewesen. Seit 1856 hatten aber acht Mitglieder Weimar verlassen, einer war gestorben, einer ausgetreten. In diesem Jahre wurden nur zwei aufgenommen: Hofschauspieler Friedrich Caspari und Buchhändler Carl Voigt. Die Theilnahme der Mitglieder ließ viel zu wünschen übrig, einige kamen selten, andere gar nicht, Dingelstedt fast nie. Trotzdem glaubten wir durch eine größere Zahl eine größere Theilnahme zu erzielen und es wurden deshalb im nächsten Jahre noch sieben zu Mitgliedern aufgenommen und zwar außer Carl Gräf lauter Maler, die auch zugleich dem vorwaltenden musicalischen Elemente ein Gegengewicht sein sollten: Bonaventura Genelli, Hermann Wislicenus, Carl Hummel, Schuchardt, Bauer und James Marshall. Hiezu kamen noch im Januar 1860 A. von Wille und Dr. Reinhold Köhler. Dennoch entwickelte sich nichts was mir genügen konnte, und so habe ich denn z.B. mit Genelli angenehmere Abende außer als in dem Vereine verlebt.

Zu Weihnachten wurden wir alle erfreut durch eine reiche Christbescherung von der Altenburg, jedes war bedacht, auch unser kleine Franz, der auf seinem hübschen Schaukelpferde fröhlichen Muthes in das Neue Jahr hineinritt, während uns leider das schöne Fest sehr getrübt wurde, Ida war seit längerer Zeit schon recht krank.

So begann denn das Neue Jahr (1859) für uns recht traurig. Die Quelle, woraus ich sonst Erheiterung und Muth schöpfte, schien versiegt. Ich war recht fleißig, aber bei meinen wissenschaftlichen Arbeiten konnte ich wol meine trübe Stimmung vergessen, aber nicht gründlich beseitigen. Nur wenn sich ein äußerer Anlaß darbot, wobei das Gefühl der Dankbarkeit mitwirkte, begann ich wol wieder zu dichten. Und so begrüßte ich denn die Fürstin zu ihrem Geburtstage.67[154]

Am 12. Februar, als ich eben von der Bibliothek gekommen und mit Dr. Köhler und Dr. Kräuter unten vor der Thür noch stand, kam der Großherzog, der eben von einem Spaziergange zurückkehrte, auf mich zu, reichte mir die Hand und erkundigte sich nach dem Befinden meiner Frau. Ich war sehr überrascht – seit länger als Jahr und Tag hatte ich den Großherzog nicht mehr gesehen, und meinerseits konnte ich keine Schritte thun, mir eine Audienz zu erbitten. Nach dieser freundlichen Begegnung glaubte ich es wagen zu dürfen, den Großherzog um eine Verwendung für mich in Berlin anzugehen. Schon einige Tage nachher schrieb mir Herr Rath Vent im höchsten Auftrage, ›daß Se. königl. Hoheit zusehen werde, was in fraglicher Angelegenheit zu thun sey.‹ Bei dieser zweifelhaften Aussicht dachte ich: Selbst ist der Mann! und entschloß mich zur Reise nach Berlin. Während ich mich dazu vorbereitete, konnte ich noch an zwei Festlichkeiten auf der Altenburg theilnehmen.

Den 18. Februar war der Geburtstag der Prinzessin. Außer mir war nur Lassen zur Tafel geladen. Wir waren sehr heiter, niemand ahndete, daß wir hier diesen Geburtstag und wol überhaupt nie wieder feiern würden. Mein Glückwunsch fand großen Anklang.68 Den 25. Februar war Genelli zu Ehren große Abendgesellschaft auf der Altenburg. Er war erst Tags vorher in Weimar eingetroffen. Es waren meist nur Maler eingeladen: Preller, Wislicenus, Hummel, Schuchardt, Marshall, Fräulein Seidler und Frau Herwegh von Zürich. Ich sprach abermals meine Verehrung für den genialen, großartigen Künstler aus und diesmal vor seinen neuen Weimarischen Kunstgenossen.69

Kurz vor meiner Abreise hatte ich noch eine Doppelfreude: das erste Heft meiner ›Findlinge‹ war erschienen, und Asher meldete, daß er mir meine französischen Lieder für 300 Rb. mit 15% Abzug abkaufen wolle.

Den 1. März trat ich meine Reise nach Berlin an, nicht ohne Hoffnung, da doch etwas von der neuen Regierung für mich geschehen war, freilich nur in meiner Ordensangelegenheit.

Die Sache verhielt sich so. Am 28. September 1855 hatte mich[155] der König der Niederlande zum ›Ridder der Orde van den Nederlandschen Leeuw‹ er nannt. Obschon ich nicht die Absicht hatte, den Orden in Preußen zu tragen, so wollte ich doch das Recht haben. Ich wendete mich deshalb den 20. November 1856 an Seine Majestät den König. Schon den 13. December forderte mich der Minister von Raumer auf, ›die Urkunde über die Verleihung des gedachten Ordens einzureichen.‹ Das geschah. Ich erfuhr weiter nichts. Als ich am 14. Juli 1857 dem Minister in Kösen meine Aufwartung machte, erinnerte ich zuletzt noch an meine Ordensangelegenheit. Excellenz bemerkte: ›Künftige Woche wird wol schon die Entscheidung erfolgen. Seine Majestät wußte nicht, daß Sie Preuße waren. Ich habe einen Bericht eingereicht, worin dargethan ist, daß Sie Heimatsrecht in Preußen haben und als Professor Wartegeld beziehen.‹ – Wieder ein Jahr verging und da hörte ich denn, als Herr von Raumer noch Minister gewesen, habe Seine Majestät bei Vorlegung des Berichts gesagt: ›Nicht nöthig, der ist in Weimar.‹ Den 26. October 1858 wendete ich mich an den Prinz-Regenten, und den 22. December erfolgte die Erlaubniß, den niederländischen Orden annehmen und tragen zu dürfen, wie mir amtlich durch den Minister von Bethmann-Hollweg am 24. Januar 1859 angezeigt wurde.

Das war also die Hoffnung, die mich bestimmte, bei der neuen Regierung mein Heil weiter zu versuchen. Geh. Regierungs-Rath Justus Olshau sen empfing mich recht herzlich. Ich setzte ihn in Kenntniß von meiner mißlichen Lage, sprach meine Wünsche aus und bat ihn, dieselben dem Minister vortragen und mir Bescheid geben zu wollen. Nach acht Tagen wiederholte ich meinen Besuch. Olshausen war wieder recht freundlich, es schien mir aber sein Gespräch mit dem Minister vorläufig erfolglos geblieben zu sein: ›Der Minister wollte sich die Sache noch überlegen.‹ Unterdessen machte ich meine Aufwartung dem Minister R. von Auerswald und dem Minister von Bethmann-Hollweg. Letzterer hörte mich ruhig an: ›Ich sage Ihnen vorläufig nichts, weil ich das halte was ich sage, ich muß mir die Sache in Erwägung nehmen.‹ Ich überreichte ihm meine Geschichte des Kirchenliedes und empfahl mich.

Es waren abermals acht Tage vergangen, da besuchte ich wieder GR. Olshausen. Er hatte mit dem Minister gesprochen, ich sollte jetzt nur einfach um eine Unterstützung meiner ›Bücherkunde‹ einkommen.[156] Den Tag vor meiner Abreise nahm ich Abschied von Olshausen. Er fragte mich, ob ich an den Minister bereits geschrieben hätte? Ich las ihm meine Eingabe vor, er war damit einverstanden. Ich bemerkte dann noch: ›An eine Professur darf ich wol nicht denken – nun, ich will mit einer Unterstützung zufrieden sein. Eine Professur würde zuviel Aufsehn machen und das Ministerium fürchtet sich davor.‹ Olshausen wollte das nicht recht zugeben, aber ich merkte ihm doch an, daß ich Recht hatte.

Für meine nächsten litterarischen Arbeiten war ich sehr thätig und glücklich: ich machte für meine ›Findlinge‹ manchen hübschen Fund. Auf der königlichen Bibliothek sah ich die Meusebach'schen Autographa durch, es waren 22 Mappen voll. Herr Geh. Rath Pertz war so gütig, mir die Benutzung derselben wie auch noch anderer handschriftlichen Sammlungen zu erlauben; ich erhielt dazu einen der besten Plätze im Lesezimmer angewiesen, zugleich eine Schublade zum Verschließen.

Den 27. März verließ ich Berlin, blieb noch zwei Tage in Leipzig, besuchte S. Hirzel und Hofrath Freytag und war den 29. wieder in Weimar.

In den Monaten April und Mai ging es bei uns recht still zu. Ich arbeitete wieder fleißig, spazierte, besuchte die Bibliothek, Abends zuweilen die Erholung oder das Stadthaus, Montag-Abends unsern Verein. Ida und ihre Schwester Adele hatten ihren früheren Verkehr und gingen abwechselnd ins Theater. Dann und wann fand sich Besuch ein.

Ida's Geburtstag, der 11. April, sonst immer ein so frohes Familienfest, wurde uns diesmal durch ihre Krankheit sehr getrübt. Wie sie sich aber über jede kleine Aufmerksamkeit wie ein Kind freuen konnte, so war es auch diesmal, als ich ihr mein Bild in sieben verschiedenen Photographien und ein kleines Lied70 schenkte.

Den zweiten Ostertag, 25. April, feierten wir in unserm Verein durch ein Festessen F. Preller's Geburtstag. Er hatte vor einigen Wochen hier erst seine beiden Odyssee-Cartons: Polyphem und Circe, vollendet. Liszt war heute besonders heiter und suchte meinem[157] Hoch71 durch Champapner eine größere Wirkung zu geben. Noch in diesem Jahre begab sich Preller wieder nach Italien. Den 11. September nahm er in einem rührenden Briefe an Ida von uns Abschied: ›So sehr viel Schönes die Reise verspricht, trübt mir der Gedanke doch Alles, daß ich Sie und Heinrich vielleicht hier nicht wiederfinden könnte ... Daß Sie, liebe Freundin, das Sichere mit dem Fraglichen zu vertauschen wenig Neigung fühlen, weiß ich, und daher neben der Liebe für Sie und Heinrich meine Theilnahme an dem, was Ihnen die nächste Zeit bringen kann. Möge, was auch komme, Ihnen angenehm sein, Anderes will ich nicht wünschen, wenngleich Ihr Weggehen von uns ein großer Verlust ist und immer sein wird!‹ – Den 25. September, während wir noch abwesend waren, trat er in Begleitung seiner Frau seine Reise an.

Der lange vorhergesehene Krieg Oesterreichs gegen Frankreich und Italien war endlich ausgebrochen, und gegen Ende Mais lasen wir schon Berichte über den ersten Zusammenstoß der feindlichen Heere. Oesterreich that auf einmal ganz gewaltig deutsch. Durch seine ultramontanen und absolutistischen Vorkämpfer und Anhänger ließ es überall verkünden, der jetzige Krieg sei kein österreichischer, sondern ein rein deutscher. Süddeutschland wurde bald für diese Ansicht gewonnen und auch bei uns fehlte es nicht an Freunden und Fürsprechern, aus Liebe zur Kleinstaaterei oder mehr noch aus Haß gegen Preußen. Es war einem ehrlichen Deutschen viel zugemuthet, sich für Oesterreich zu begeistern und mitzuhelfen, daß Deutsche ihm in seinem wohlverdienten Unglück das eigene Leben opfern sollten. War es doch dasselbe Oesterreich, das viertehalb hundert Jahre Alles aufgeboten hatte, jede freiheitliche Entwickelung zu unterdrücken oder mindestens zu hemmen, dies Oesterreich mit seinen Concordatlern, Jesuiten, Absolutisten, Windisch-Grätzlern und Haynau's! Sollte Deutschland sich etwa am Kriege gegen Frankreich betheiligen, so war dazu nur ein einziger Grund vorhanden, der voraussichtlich auch noch später vorhanden sein dürfte: Deutschland für sich selbst, nicht für Oesterreich. Daß ein solcher Krieg jetzt nicht aus dem Bereiche des Möglichen lag, gaben die Rüstungen Preußens und des deutschen Bundes zu erkennen, und da sich Alles rüstete, glaubte ich auch,[158] auf meine Weise mich rüsten zu müssen. Ich sammelte viele meiner früheren Lieder, die mir jetzt in Bezug auf Deutschland zeitgemäß schienen. Mit dem Abschreiben und Ordnen war ich bald fertig; am 10. Juni war mein Büchlein gedruckt: ›Deutschland über Alles. Zeitgemäße Lieder von Hoffmann von Fallersleben.‹ (Leipzig. Voigt und Günther. 1859. kl. 8°. 63. SS.)72

Mit der Schlacht von Solferino am 24. Juni wurde auch mein Buch geschlagen, das kaum das Licht der Welt erblickt hatte. Der bald darauf folgende Friede von Villafranca beruhigte die Gemüther und niemand wollte sich aufregen lassen, weder prosaisch noch poetisch. Mein Büchlein konnte nicht einmal vergessen werden, da es ja gar nicht bekannt geworden war.73 Ich hatte nichts davon als die Freude, daß ich einen Liederstrauß in den Strauß der Parteien hatte werfen wollen; ich konnte mein Honorar nicht einmal verwenden zu den Kriegssteuern, die auch ich nachher bezahlen mußte, da ich keins empfing. Uebrigens hatte mein Gemüth gegen Ende Mais schon wieder eine friedliche Stimmung gewonnen, als ob ich geahndet hätte, daß der Weltfrieden bereits im Anzuge wäre. Ich dichtete an einem Kindergesangfeste: ›Die vier Jahreszeiten‹ und vollendete den Frühling.

In den ersten Tagen des Junis wurde ich sehr angenehm überrascht: das Ministerium hatte mir Behufs Ausführung meiner ›Bücherkunde‹ eine Unterstützung von 150 Rb. bewilligt. Ich entschloß mich nun sofort zum Reisen. Mein nächstes Ziel galt der Bibliothek zu Zwickau. Von den vielen deutschen Liederbüchern, meist aus dem 16. Jahrhundert, die noch im Jahre 1827 als vorhanden angegeben wurden, war nichts mehr vorhanden. Weder Uhland, der im Jahre 1843 die Bibliothek besuchte, noch ich fanden etwas vor. Sie scheinen für immer verschwunden zu sein. Trotzdem war ich mit meiner Ausbeute sehr zufrieden. Den 10. kehrte ich nach Weima zurück.

Den 15. Juni brachte ich Ida ins Bad nach Kösen und durchforschte dann die Bibliotheken zu Zeiz und Gera. Dann besuchte ich den Buchhändler Eberhard Hofmeister in Ronneburg. Er[159] empfing mich sehr freundlich, behielt mich als seinen Gast und gewährte mir die Benutzung seiner sehr bedeutenden Autographen-Sammlungen. Wir begannen sofort die Durchsicht und mit Erfolg. Den andern Tag fuhren wir damit fort. Einiges schrieb ich mir ab. Ich überzeugte mich bald, daß ich für dies Mal den reichen Schatz nicht heben könnte, und versprach bald wiederzukommen. So kehrte ich denn den 20. nach Weimar zurück.

Den 24. Juni begrüßte ich den Großherzog zu seinem Geburtstage mit einem Gedichte.74 Tags vorher war die Großfürstin gestorben, am 27. ward sie beigesetzt. Ein höchst trauriges Ereigniß, das in allen Kreisen tief empfunden wurde, ein unersetzlicher Verlust für Weimar, namentlich für seine milden Stiftungen. Die Trauer war allgemein und es wurde gerade an dem Begräbnißtage viel über das segensreiche Wirken der edelen Fürstin gesprochen, auch in unserem Vereine, zu dem sich heute ungewöhnlich viel Mitglieder eingefunden hatten. Liszt, der bei seinen nahen Beziehungen zum Hofe, dies Ereigniß mehr als mancher andere in seinen Folgen erkannte, sprach es dreimal aus: ›Mit dem heutigen Sarge ist Alt-Weimar begraben.‹

Am 1. Juli ging ich abermals auf Reisen. In Kösen besuchte ich Ida. Sie war so wohl, frisch und heiter, gar nicht zum Wiedererkennen. Wir waren den anderen Tag noch sehr fröhlich bei Steinhart's in Pforta zusammen. Den 3. Juli kam ich in Ronneburg an. Ich war nun abermals Hofmeister's Gast und Findlingssucher. Die Durchsicht der Autographen machte mir wie ihrem Besitzer große Freude. Ich war sehr fleißig im Abschreiben und meine ›Findlinge‹ wurden durch manchen werthvollen Beitrag bereichert. Uebrigens beschränkte ich mich nicht auf meine ›Findlinge‹, ich dichtete auch mitunter, und so konnte ich denn am 8. Juli Ida melden: ›Gestern habe ich den Winter vollendet und bin jetzt beim Herbste. Dann sind alle vier Jahreszeiten des Kinder-Gesangfestes fertig.‹75[160]

Auch ließen mir hier die Correcturen keine Ruhe. In den letzten Tagen in Weimar hatten sie mich noch recht sehr geplagt: den einen Tag mußte ich 12 Stunden darauf verwenden. Hier erhielt ich nun den Schluß des einen am 18. Juni vollendeten Buches: ›Unsere volksthümlichen Lieder. Von Hoffmann von Fallersleben.‹ (Suum cuique. Zweite Auflage. Leipzig. Wilh. Engelmann. 1859. 8°. XL. 171 SS.).

Abends pflegten wir zu spazieren, gewöhnlich nach dem Brunnen und brachten dann wol einige Stunden zu im Club, der auch hier unter dem vielversprechenden Namen ›die Erholung‹ besteht. Die Unterhaltung drehte sich gewöhnlich um den österreichisch-französischen Krieg. Merkwürdig, ich bin kein politischer Seher, aber am 13. Juli schrieb ich die wenigen Worte in mein Tagebuch: ›Es ist also Friede! und was nun? Krieg gegen Oesterreich, Krieg für Deutschland!‹ – Am 19. Juli kehrte ich nach Weimar zurück, nachdem ich noch vorher zwei Tage mit Ida zusammen gewesen war in Kösen. Am 25. holte ich sie von dort heim.

Ich beschloß nun mit den Meinigen eine größere Reise: sie wollten zu den Eltern nach Bothfeld und dort verweilen, während ich Bibliotheken und Freunde in Schlesien besuchte. Ueber Leipzig, Dresden und Görlitz eilte ich ins schlesische Gebirge, zunächst nach Eichberg bei Hirschberg zu Eduard Kießling, der jetzt Rittergutsbesitzer war. Es that mir wohl, nach so mancher Anstrengung in den staubigen, dumpfen Bibliotheken als willkommener Gast hier zu leben, in der schönen Natur mich zu ergehen, und nach Belieben mich mit mir oder mit den lieben Freunden Eduard und Albert zu unterhalten. So vergingen gar schnell vierzehn genußreiche Sommertage. Ich mußte nun wieder ans Arbeiten denken und begab mich am 29. August nach Warmbrunn.

Der gräfliche Bibliothecar, Wilhelm Burghardt, verschaffte mir bereitwilligst Alles aus der Bibliothek was ich wünschte. Zunächst richtete ich mein Augenmerk auf die vom Grafen angekaufte Autographen-Sammlung des Geh. Raths Stenzel. Ich fand darin und auch noch sonstwo Manches für meinen Zweck. Wenn ich nicht zu Hause arbeitete, verkehrte ich mit einigen Badegästen, lustwandelte in den Umgebungen oder spazierte zur Villa Aderholz. Schon von Eichberg aus hatte ich Aderholz besucht. Wir waren dann oft zusammen[161] und freuten uns der schönen Natur und des alten Breslauer Verkehrs. Als ich am 4. September Warmbrunn verließ, mußte ich noch zwei Tage bei ihm zubringen.

Aderholz hatte sich an der Straße, die von Hirschberg nach Warmbrunn führt, etwa Mitte Wegs, einen hübschen Sommersitz geschaffen. Die Aussicht vom Balcon des Hauses nach dem Gebirge ist entzückend; die parkartige Umgebung genügte, wenn man sich im Freien ergehen wollte. Wir waren unter uns und mit anderen sehr heiter gewesen. Beim Abschiede mußte ich versprechen, nächsten Sommer längere Zeit bei ihm zu weilen.

7.–24. September in Breslau. Ich wohnte in Aderholzens Wohnung, sein Arbeitszimmer war jetzt das meinige.

Breslau war seit 48, als ich es zuletzt sah, wieder ein anderes geworden. Auf den Straßen war es noch wühliger, das Gedränge noch viel ärger. An Einwohnern und Häusern hatte es noch mehr zugenommen. Von meinen alten Freunden und Bekannten war mancher heimgegangen; manche Kunde mußte ich hören, die mich sehr schmerzlich berührte. Ich wandelte in den belebten Straßen wie ein Fremder, der nichts mehr findet in der Gegenwart was sich freudig an die Vergangenheit anreiht.

Da war es mir denn recht angenehm, daß ich einen bestimmten Zweck hatte, der mich herführte und hier festhielt: die Durchsicht der deutschen Litteratur in den Bibliotheken. In der königlichen und Universitäts-Bibliothek war mir die Benutzung sehr erleichtert, da ich wußte wo und wie ich zu suchen hatte, dagegen waren die Schwierigkeiten in den städtischen Bibliotheken immer noch die alten. Noch einer anderen Ausbeute konnte ich mich erfreuen: Herr Robert Weigelt bot mir seine reiche Autographensammlung zur Benutzung an und ich fand manchen werthvollen Beitrag für meine ›Findlinge.‹ Mein diesmaliger geselliger Verkehr war übrigens sonst ein angenehmerer, vielseitigerer als in den Tagen der Aufregung im Jahre 48.

Am 24. September schrieb ich an Ida: ›Meinen Zweck habe ich hier erreicht und ich reise heute höchst zufrieden ab. Ich bin fleißig gewesen bis zum letzten Augenblick und habe eben um Mittag aufgehört zu arbeiten. Ich habe hübsche Sachen gefunden, bin aber auch wieder[162] recht glücklich gewesen. In einem Buche entdeckte ich folgendes hübsche Sprüchlein:


Mein Herz in mir Theil' ich mit Dir;

Brech' ich's an Dir, Räch's Gott an mir;

Vergess' ich Dein, So vergess' Gott mein!

Dies soll unser beider Verbündniß sein.‹


Den 25. September trat ich meine Heimreise an. Um nicht denselben Weg wieder zu machen, ging ich über Berlin. Den folgenden Tag blieb ich in Liegnitz und hielt noch eine Nachlese in der Bibliothek der Ritterakademie, deren musicalische Sammlungen ich früher viel benutzt hatte.

Da ich nun einmal wieder in Berlin war, so wollte ich sehen, ob ich nichts für mich erreichen könnte. Zunächst besuchte ich GR. Olshausen. Er meinte, es sei kein Geld da, vorläufig dürfe ich auf nichts rechnen, ich möchte zu Anfange Februars einkommen um eine Wiederholung der Unterstützung. Den andern Tag ging ich zum GR. Lehnert: ›Gehen Sie zum Minister. Lassen Sie sich auf Redensarten nicht ein! Wenn er Ihnen sagt, ich will Sie anstellen, dann ist es gut.‹ – So ging ich denn zum Minister. Als ich ihm meinen Wunsch aussprach, wieder angestellt zu werden, sagte er: ›Das ist mir ganz neu, darüber habe ich noch nie nachgedacht.‹

Den 10. October verließ ich Berlin, blieb noch zwei Tage in Köthen und kam den 13. in Weimar an. Den 15. October war der Hochzeitstag der Prinzeß Maria von Wittgenstein-Sayn. Tags vorher hatte ich sie beglückwünscht und ihr einige Kleinigkeiten zum Andenken überreicht.76 Daß dieser Tag auch für mich ein Glückstag sein sollte, konnte ich nicht ahnden: aus liebevoller Theilnahme für uns hatte mich die Prinzessin dem Herzog von Ratibor empfohlen und diese Empfehlung war von bestem Erfolge. Den 20. holte ich Ida und Franz auf ihrer Reise von Bothfeld in Kösen ab. Wir waren nun alle wieder beisammen und gingen mit neuen Hoffnungen ins Neue Jahr hinein.


1860.


Um noch einigen Stoff für meine ›Findlinge‹ zu holen, ging ich gleich nach Neujahr über Almerich und Zeiz nach Ronneburg.[163] Als Hofmeister's Gast erfreute ich mich wieder einer ziemlichen Ausbeute. Trotz der winterlichen Jahreszeit machten wir einige ergötzliche Ausflüge. Vom 17. Januar an war ich wieder in Weimar.

Der Herzog von Ratibor wollte mich erst persönlich kennen lernen und Rücksprache mit mir nehmen, ehe er mir die Stelle eines Bibliothecars in Corvey antrüge. Als ich die Anwesenheit des Herzogs in Berlin erfuhr, reiste ich hin. Ich erbat mir Audienz und schon auf den folgenden Morgen (11. Februar) wurde ich zu ihm beschieden. Der Herzog war sehr huldreich. Ich sprach meine Wünsche aus und wir waren bald einig, nur meinte der Herzog noch, ich möchte doch erst mir die Bibliothek ansehen und Bericht erstatten, er wisse ja auch nicht, ob mir die Sache genehm wäre etc.

Ich begab mich nun nach Corvey, machte meinen Bericht und kehrte den 2. März nach Berlin zurück. Den folgenden Tag empfing mich der Herzog. Nachdem wir Alles erwogen, meinte Durchlaucht, wir wollten nun jeder einen Vertrag aufsetzen, der bessere solle dann gelten. Ich machte den meinigen, konnte ihn aber erst den 5. März vorlegen, weil der Herzog immer verhindert war, mich zu empfangen. Er theilte mir nun den von ihm eigenhändig entworfenen und unterzeichneten Vertrag mit, und weil derselbe weit besser war als der meinige, so unterzeichnete ich ihn. Froh und dankbar nahm ich Abschied. Den Abend war ich schon in Halle, den andern Mittag (6. März) zu Hause, freudig von den Meinigen empfangen. Ich hatte nun viel mit Corrigieren zu thun. Bei meiner Ankunft fand ich 5 Bogen vor. Ein Buch war wenigstens wieder vollendet: ›Findlinge. Zur Geschichte deutscher Sprache und Dichtung von Hofmann von Fallersleben.‹ (Erster Band. Leipzig. W. Engelmann. 1860. 8°. VIII. 496 SS.)

An den Gesellschaftsliedern wurde fleißig gedruckt. Da sie eine Weimarische Arbeit noch sind, so mögen auch sie hier eine Stelle finden: ›Die deutschen Gesellschaftslieder des 16. und 17. Jahrhunderts. Aus gleichzeitigen Quellen gesammelt von Hoffmann von Fallersleben.‹ (1. u. 2. Theil. Zweite Auflage. Leipzig. W. Engelmann. 1860. 8°. I. XX. 376. II. 274 SS.)

Den 2. April wurde mein Geburtstag zunächst in unserm kleinen häuslichen Kreise gefeiert. Zu den Geschenken der Meinigen brachte noch Herr Hofmeister von Ronneburg mein Bildniß, gemalt[164] von Walther, im goldenen Rahmen, der von Ronneburger Fräulein mit einem Lorbeerkranze geschmückt war. – Zum Mittag war ich mit Ida auf die Altenburg eingeladen. – Von Genelli erhielt ich noch nachträglich ein sehr liebes Andenken: zwei schöne Handzeichnungen, die eine mit seinen Worten:


Ist man reich, so sei man ein Mensch!

Ist man arm, so sei man ein Mann!


Denselben Tag ward mir der Auftrag, sämmtliche Mitglieder des Neu-Weimar-Vereins zum Abendessen auf der Altenburg einzuladen: ›unser verehrter Präsident soll zu seinem Namenstage überrascht werden.‹ Die meisten Mitglieder waren zugegen, auch sonst noch Einheimische und Fremde hatten sich eingefunden. Es ging sehr heiter zu. Nachdem ich zweimal Liszt ein Hoch ausgebracht hatte, wurde auch mir eins zu Theil, welches ich mit einem Trinkspruch auf die einzelnen Maler beantwortete. Zuletzt sprach ich noch einen Wunsch und eine Hoffnung aus.77

Am 9. April wohnte ich zum letzten Male dem Vereine bei. Es war ein Abendessen im Stadthause. Ich erwiederte das Hoch auf mich mit einem Spruch.78 Der Abschied von allen den lieben Freunden und Bekannten ging mir sehr nahe, von niemandem mehr als von Liszt, denn es schien mir ein Abschied auf Nimmerwiedersehn. Was ich auch ihm aus vollem Herzen sagen konnte, sagte er mir im letzten Augenblicke unseres Scheidens: ›Die schönsten Stunden, die ich hier verlebt, habe ich Dir mit zu verdanken.‹

Wir hatten nun genug zu thuu mit unserer Uebersiedelung. Nachdem meine Bücher und Schriften eingepackt waren und ich überall Abschied genommen hatte, ging ich den Meinigen voran nach Corvey. Den 25. April traf ich ein, und den 1. Mai übernahm ich das Amt eines Bibliothecars Sr. Durchlaucht des Herzogs von Ratibor, Fürsten von Corvey.

Victor amandus Dux nobis haec otia fecit.

Fußnoten

1 Ueber das damalige Weimar vgl. Ges. W. Bd. VI. Vorwort. S. III-VIII.


2 Ges. W. Bd. VI. S. 59. 60.


3 Ges. W. Bd. VI. S. 211. 212 und S. 316. Anm. 98.


4 Ges. W. Bd. VI. S. 60. 61.


5 Von Weimar reiste Hoffmann alljährlich mehrmals nach Naumburg, um daselbst sein Wartegeld zu erheben. Fast regelmäßig besuchte er dann auch seinen Jugendfreund Carl Steinhart in Schulpforta.


6 Ges. W. Bd. VI. S. 63. 64.


7 Das Zueignungsgedicht im Altenburg-Album findet sich Ges. W. Bd. VI. S. 68. 69. (›Jeder Tag hat seine Plage‹); ein Trinkspruch auf Liszt von diesem Tage ebenda S. 69. 70. – Näheres über das Altenburg-Album vgl. Ges. W. Bd. VI. Vorwort S. VIII. Anmerk. **)


8 Briefwechsel des Großherzogs Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach mit Goethe in den Jahren 1775 bis 1828. 2 Bde. Lpz. 1863. VIII. 655 Seiten. Herausgeber geh. Hofrath Dr. Carl Vogel in Weimar.


9 H. faßte diese Sammlung unter dem Namen ›Kinderleben‹ zusammen. – Ges. W. Bd. II. S. 237–254.


10 Der Trinkspruch ist so voll persönlicher und lokaler Anspielungen, daß von seiner Aufnahme in die Ges. W. abgesehen ist. Einige Abschnitte desselben hat Hoffmann an dieser Stelle seiner Lebensgeschichte veröffentlich.


11 Fürstin Caroline Elisabeth von Sayn-Wittgenstein, geb. v. Iwanowska; näheres über sie Ges. W. Bd. VI. S. 373, 374.


12 ›Ein Besuch auf der Altenburg in Weimar‹ in der Illustrirten Zeitung 1855. Nr. 621. 622. von RP (Richard Pohl). S. 848 ›Bibliothek- und Musiksaal mit Beethoven's Flügel‹ und S. 364 ›Musiksalon mit dem Riesenflügel von Alexander und Sohn in Paris.‹ – Nach diesem Aufsatze kann man sich nur eine falsche Vorstellung von der Altenburg machen. Der Fürstin wird z.B. gar nicht gedacht, ihre Zimmer sind zugleich als Liszt'sche aufgeführt etc.


13 Prinzessin Maria von Wittgenstein, jetzige Fürstin Hohenlohe-Schillingsfürst zu Wien. Näheres Ges. W. Bd. VI. S. 374.


14 Ges. W. Bd. VI. S. 78. 79.


15 In die Ges. W. nicht aufgenommen.


16 Ges. W. Bd. VI. S. 79. 80


17 Ges. W. Bd. VI. S. 81. 82.


18 Ges. W. Bd. VI. S. 82. 83.


19 Ueber Berlioz's Anwesenheit in Weimar vgl. Ges. W. Bd. VI. S. 347. – Hoffmanns dichterischer Anteil an dem Berliozfeste besteht aus einem lateinischen Lied (Ges. W. Bd. VI. S. 83.) und einer stattlichen Reihe von Trinksprüchen, je einem auf den Gefeierten selbst, auf die Jugend, auf die Kunst zu schweigen und auf die wahre Kunst (Ges. W. Bd. VI. S. 80. 81. 84. 85).


20 Ges. W. Bd. VI. S. 85–87.


21 Ges. W. Bd. VI. S. 87. 88.


22 Ges. W. Bd. VI. S. 90–95.


23 Ausgebracht am 2. April auf der Altenburg; vgl. Ges. W. Bd. VI. S 93–95.


24 Ges. W. Bd. VI. S. 97. 98.; vgl. dazu ebenda S. 302. Anm. 40.


25 Ges. W. Bd. VI. S. 98–100.


26 Ges. W. Bd. VI. S. 100–102.


27 Dergleichen Geschichten kamen öfter vor, und mein liebenswürdiger Freund Rank hatte es am Ende satt und gab nach Jahr und Tag das Blatt, das er gegründet, auf, das nun unter der Leitung der Hofräthe nach zwei Jahren einem sicheren Schicksale entgegenging und für immer verschied.


28 Ges. W. Bd. VI. S. 156. 157.


29 Dieser Band wird mit der Zeit selten werden, er ist dem Verleger aus der Niederlage gestohlen worden.


30 Weil keine Aussicht dazu war, so nahm ich sie auf in Pars XII. p. 41–55.


31 auch wol der ›Schlüsselverein‹ genannt, weil die Herren über die Bürgerstunde hinaus zusammen blieben und ein guter Hausvater nie den Hausschlüssel vergißt.


32 Ges. W. Bd. VI. S. 109. 110.


33 Ges. W. Bd. VI. S. 111–113


34 Ges. W. Bd. VI. S. 114


35 Weimar. Jahrbuc 5. Bd. 1856. S. 1 ff. 106 Stück, vielleicht kaum ein Dutzend nicht von mir, doch war das genug, um die Ueberschrift: ›Von Verschiedenen‹ zu rechtfertigen.

Nicht von Hoffmann sind die Nummern: 3. 4. 15. 41–43. 62–65. 67–71. 77–79.


36 Ges. W. Bd. VI. S. 77.


37 Unter anderem erheiterte Hoffmann den Freund durch einen Trinkspruch Ges. W. Bd. VI. S 120–122.


38 Ges. W. Bd. II. S. 81.


39 Ges. W. Bd. VI. S. 122. 123.


40 ›Wel op! zoo laet ons streven‹ ist für den beabsichtigten IX. Band der Ges. W. zurückgelegt.


41 Die folgenden Schilderungen seiner Erlebnisse in Leiden stammen aus einem Briefe Hoffmanns an Ida vom Juni 1856.


42 Wir sahen uns nicht wieder, und darum mag denn hier seiner in Liebe und Dankbarkeit von mir gedacht werden.

Gottlieb Salomon, geb. 20. April 1774 zu Danzig, ältester Sohn eines israelitischen Kaufmanns, studierte zu Königsberg und ging, nachdem er Dr. med. geworden war, 1797 nach Holland und ließ sich in Leiden als practischer Arzt und Geburtshelfer nieder. Er starb den 7. August 1864. Eien Lebensabriß von ihm enthalten die Levensberichten der afgestorvene medeleden van de Maatsch der nederl. Letterkunde 1865. blz. 157–164. Darin heißt es:

›Salomon war stets gefällig und wohlwollend im Umgange, einfach in seiner Lebenswise, treu und herzlich für seine Freunde und Kranken, sehr empfänglich für jeden Beweis der Theilnahme und Dankbarkeit, in seiner Praxis pünktlich, eiferig und ziemlich ehrsüchtig; er war von gesunder und starker Leibesbeschaffenheit, für deren Pflege er, jedoch ohne es zu übertriben, sorgte. Solomon war in seinen alten Tagen sein laudator temporis acti, wie es so viele alte Leute zu sein pflegen; bei Werthschätzung dessen was er den Vorfaren in wissenschaftlicher und socialer Beziehung gethan, anerkannte er den Fortschritt, dessen Zeuge er auf seinem langen Lebenswege sein konnte.‹

Sehr erfreulich in dem kurzen Lebensabrisse ist es für mich, daß auch meines Verhältnisses zu ihm gedacht wird: ›Heeft Salomon ditg daan uit sympathie voor zijnen landgenoot en voor de Maatschappij, onder wiens leden hij zelf sedert 1828 geteld werd, de beoefenaars der Nederlandsche Letterkunde zullen den gullen gastheer daarvoor erkentelijk blijven.‹


43 Ges. W. Bd. VI. S. 123. 124.


44 Ges. W. Bd. II. S. 20–22 u. S. 395. Anm. 7.


45 Ges. W. Bd. VI. S. 127.


46 An dieser Stelle in M.L. (VI, 169) mitgeteilt; in die Ges. W. nicht aufgenommen.


47 Ges. W. Bd. VI. S. 128. 129.


48 Es sind die ›Alpenröschen. Lieder vom Kochelse‹. Ges. W. Bd. II. S. 23–38 und395. Anm. 8. Außerdem entstand in Kochel ein anderer Kreis von Liedern: ›Am Kochelsee‹ – Ges. W. Bd. II. S. 39–43 u. 396. Anm. 12.


49 Diese scherzhafte Dichtung ›Cellinchen und Violinchen: Eine melodramatische in drei Abtheilungen.‹ fügt H. hier in seine Biographie ein; wir haben deren Veröffentlichung in den Ges. W. unterlassen.


50 Ges. W. Bd. VI. S. 136–138.


51 Ges. W. Bd. VI. S. 141. 142.


52 Ges. W. Bd. I. S. 236. 237.


53 Hoffmanns Lied ist mitgeteilt: Ges W. Bd. VI. S. 144. 145. – Liszt zog ihm das von Peter Cornelius gedichtete Lied ›Von der Wartburg Zinnen nieder‹ vor, das mit der Liszt'schen Composition die weimarische Landeshymne geworden ist.


54 Was später erfolgt, erfuhr ich nur von Augenzeugen und aus dem Berichte der Illustrirten Zeitung 29. Bd. S. 187–190, welcen 4 Abbildungen in der gewöhnlichen Bilderbogenmanier eingedruckt sind.


55 Ges. W. Bd. VI. S. 147–156 und S. 306–309. Anm. 62–67.


56 Ges. W. Bd. VI. S. 158. 159.


57 Ges. W. Bd. VI. S. 159. 160.


58 Ges. W. Bd. VI. S. 160–163.


59 Ges. W. Bd. VI. S. 309. Anm. 69.


60 Ges. W. Bd. VI. S. 164–171


61 ›So wünsch' ich wieder dir auch heute‹ – Ges. W. Bd. VI. S. 171.


62 ›So viele Blumen blühen nun‹ – Ges. W. Bd. I. S. 111.


63 Ges. W. Bd. VI. S. 172. 173. und S. 310. Anm. 74.


64 Ges. W. Bd. VI. S. 173–175.


65 Das Thüringische Idiotikon ist damals und später nicht erschienen. Im Jahre 1867 bot er es seinem Freunde Carl Gräf zum Verlegen an, der auf diesen Vorschlag nicht einging.


66 Lübeck, Dittmarsche Buchhandlung, 1859; aufgenommen in die Ges. W. Bd. II. S. 209–254.


67 Ges. W. Bd. VI. S. 179. 180.


68 Ges. W. Bd. VI. S. 180–182.


69 Ges. W. Bd. VI. S. 182. 183.


70 Ges. W. Bd. I. S. 112.


71 Ges. W. Bd. VI. S. 185.


72 Ges. W. Bd. V. S. 155–157 und S. 350. Anm. 42.


73 Vgl. das Gedicht: ›Deutschland, Deutschland über Alles!‹ – Ges. W. Bd. VI. S. 271. 272 und S. 324. Anm. 128.


74 Im Nachlasse nicht vorhanden.


75 Erschien erst im folgenden Jahre: ›Die vier Jahreszeiten. Vier Kinder-Gesangfeste von Hoffmann von Fallersleben.‹ (Mit zweistimmigen Volks- und anderen Weisen. Berlin. 1860. Adolph Enslin. 92 SS. – Neue, mit einem Anhang verm. Ausg. 1864. 8°. VIII. 103 SS.)


76 Ges. W. Bd. VI. S. 186


77 In die Ges W. Bd. ist von den hier angeführten nur ein Gedicht aufgenommen. Bd. VI. S. 187.


78 Ges. W. Bd. VI. S. 188. 189.


Quelle:
Hoffmann von Fallersleben: Mein Leben. Zwei Teile, Teil 2, Berlin 1894.
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