Bitte an Sylvia

Laß, Sylvia, die reine Gluth,

So mir entzündet Geist und Blut,

Dich, Liebste, nicht zum Zorn bewegen.

Wer kann vor deinen Augen stehn

Und unentbrannt von dannen gehn,

Wenn sich des Geistes Trieb will regen?


Nicht falle doch der Meinung bei,

Daß reine Liebe Sünde sei,

Die Gott in unser Herz geschrieben,

Die selbst sein Mund im Paradies

In uns mit unserm Athem blies,

Der uns geboten hat, zu lieben.


Soll meine Liebe Sünde sein,

So wisse, daß dein schöner Schein

Zu dieser Sünde mich getrieben,[33]

Und glaube, daß die kluge Welt

Für leibliche Geschwister hält

Die Schönheit und den Trieb, zu lieben.


Drum folg' ich der Natur Gebot;

Ich bin kein Stein und auch kein Gott,

Ich muß in deinen Flammen brennen.

Mir ist gefesselt Geist und Muth;

Drum will ich auch des Herzens Gluth

Vor Gott und dir nur frei bekennen.


Hier ist mein demuthvolles Herz,

So sich verband, in Lieb' und Schmerz

Mit gleicher Andacht dir zu dienen.

Nimm, Sylvia, das Opfer hin,

Laß Augentrost in deinem Sinn,

Vergißmeinnicht im Herzen grünen!

Quelle:
Auserlesene Gedichte von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Wernike, Friedrich Rudolf Frhr. von Canitz, Christian Weise, Johann von Besser, Heinrich Mühlpforth, Benjamin Neukirch, Johann Michael Moscherosch und Nicolaus Peucker, Leipzig 1838, S. 5-6,33-34.
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