Lied der Freude

Ach! was wollt ihr, trübe Sinnen

Doch beginnen!

Traurigsein hebt keine Noth;

Es verzehret nur die Herzen,

Nicht die Schmerzen,

Und ist ärger, als der Tod.


Dornenreiches Ungelücke,

Donnerblicke

Und des Himmels Härtigkeit

Wird kein Kummer linder machen;

Alle Sachen

Werden anders mit der Zeit.


Sich in tausend Thränen baden,

Bringt nur Schaden

Und verlöscht der Jugend Licht.

Unser Seufzen wird zum Winde;

Wie geschwinde

Aendert sich der Himmel nicht!
[41]

Heute will er Hagel streuen,

Feuer dräuen;

Bald gewährt er Sonnenschein;

Manches Irrlicht voller Sorgen

Wird uns morgen

Ein bequemer Leitstern sein.


Bei verkehrtem Spiele singen,

Sich bezwingen,

Reden, was uns nicht gefällt,

Und bei trübem Geist und Sinnen

Scherzen können,

Ist ein Schatz der klugen Welt.


Ueber das Verhängniß klagen,

Mehrt die Plagen

Und verräth die Ungeduld;

Solchem, der mit gleichem Herzen

Trägt die Schmerzen,

Wird der Himmel endlich hold.


Auf, o Seele, du mußt lernen,

Ohne Sternen,

Wenn das Wetter tobt und bricht,[42]

Wenn der Nächte schwarze Decken

Uns erschrecken,

Dir zu sein dein eigen Licht.


Du mußt dich in dir ergötzen

Mit den Schätzen,

Die kein Feind zu nichte macht

Und kein falscher Freund kann kränken

Mit den Ränken,

Die sein leichter Sinn erdacht.


Von der süßen Kost zu scheiden

Und zu meiden,

Was des Geistes Trieb begehrt,

Sich in sich stets zu bekriegen

Und zu siegen,

Ist der besten Krone werth.

Quelle:
Auserlesene Gedichte von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Wernike, Friedrich Rudolf Frhr. von Canitz, Christian Weise, Johann von Besser, Heinrich Mühlpforth, Benjamin Neukirch, Johann Michael Moscherosch und Nicolaus Peucker, Leipzig 1838, S. 37-38,41-43.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Droste-Hülshoff, Annette von

Gedichte (Die Ausgabe von 1844)

Gedichte (Die Ausgabe von 1844)

Nach einem schmalen Band, den die Droste 1838 mit mäßigem Erfolg herausgab, erscheint 1844 bei Cotta ihre zweite und weit bedeutendere Lyrikausgabe. Die Ausgabe enthält ihre Heidebilder mit dem berühmten »Knaben im Moor«, die Balladen, darunter »Die Vergeltung« und neben vielen anderen die Gedichte »Am Turme« und »Das Spiegelbild«. Von dem Honorar für diese Ausgabe erwarb die Autorin ein idyllisches Weinbergshaus in Meersburg am Bodensee, wo sie vier Jahre später verstarb.

220 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon