Beantwortung eines empfangenen hochzeit-brieffes

Dir wünsch ich mehr gelück als Ceres garben zeiget/

Als Bachus trauben liest/ als Phöbus tage macht.

Und weil mein schlechter geist sich höher nicht versteiget/

Mehr als die Wiener post mir schreiben hat gebracht.

Ich schwere/ daß ich nichts von deiner hand erbrochen/

Das nicht/ wie mich bedeucht/ nach rosen hat geschmeckt;

Besonders dieser brieff/ den du vor wenig wochen

Mir zugeschickt/ war gantz mit ambra angesteckt:

Denn unter andern fand ich dieses auch geschrieben/

Das ich/ wie billig war/ mit freuden angeschaut.

Es war ein kurtzer satz: nach göttlichem belieben/

Ist mein geliebtes kind und tochter eine braut.[333]

Ein bisam-wort für mich! ietzt kenn ich meine pflichten/

Und was ich/ hoher freund/ dir mehr als schuldig bin.

Du forderst dieses auch/ ich soll ein braut-lied tichten/

Fürwar die beste krafft der poesie ist hin.

Der stern/ so mir zuvor die geister hat erwecket/

Scheint ietzund weit von mir/ mein feuer geht mir aus/

Es hat die alte glut ein kalter schnee bedecket/

Mein gantz Parnassus wird zu staub und ziegel-grauß.

Aus armuth muß ich nur bey diesem brieffe bleiben/

Der schlechter art und auch so niedrig ist wie ich.

Ich traue mir nicht mehr ein geistig lied zu schreiben/

Den sternen zuzugehn ist nun nicht mehr für mich.

Die edle Donau hegt ietzt tausend haupt-poeten/

Und mein geringer kram scheut dieser sonnen licht.

Die feld-trompete lacht der engen kinder flöthen/

Und ascherfarbe schickt sich zu dem purpur nicht.

Doch wahre freundschafft wiegt alleine das gemüthe/

Schaut gute meynung mehr als gute sylben an.

Ich kenne/ werther freund/ zu deutlich deine güte/

Die nur durch redligkeit vergnüget werden kan.

In dieser zuversicht entschütt ich geist und hertze/

Und lasse meine lust mit vollen strömen aus.

Ich sehe/ wie nunmehr des himmels freuden-kertze

Mit strahlen seiner gunst bestrahlt dein liebes hauß.

Was kan dir lieber seyn/ als diesen tag zu schauen/

Da du mit vaters hand der eh' geliebte frucht

Desselben redlichkeit wirst sollen anvertrauen/

Der sie durch reinen trieb der tugend hat gesucht?

Da du der tochter hand in dessen hand solt legen/

Der deinem kinde treu und ehre dir verspricht;

Der nichts so eiffrig sucht als deines mundes segen/

Und seinen geist auf dich als seinen Pharus richt.

Welch gärtner wird da wohl die thüre gantz verschliessen/[334]

Und läst die frucht allein die last der äste seyn?

Wer klug ist/ wird mit witz wohl zu eröffnen wissen/

Er stellt die süsse frucht getreuen händen ein.

Wer seine waare stets im krame will verwahren/

Und niemals in das licht und fremde hände stellt/

Erwirbt ihm endlich nichts/ als daß bey vielen jahren

Der waare alter glantz mit ihrem werth verfällt.

Was dienet uns ein schatz der stets verborgen lieget/

Mit dem der himmel schertzt/ den finsterniß verwacht/

Dem sich die einsamkeit nur an die seite füget/

Und keinem menschen nicht zu nutze wird gemacht?

Die perle so allein in ihrer muschel pranget/

Das gold so allezeit der berge därme drückt/

Hat niemahls einen ruhm in dieser welt erlanget

Und niemahls in der noth ein mattes hertz erquickt.

Was sind wir menschen doch/ wenn wir uns selbst verschlüssen?

Was ist ein geist/ der sich nur in sich selbst verzehrt?

Nur rosen so den stock zum sarge haben müssen/

Nur veilgen/ die der wind im stengel hat verheert.

Der menschen wegen seyn die menschen auch gebohren/

Und stetes einsam-seyn/ ist mehr als halber tod.

Wer nicht erkiesen kan/ und stirbt auch unerkohren/

Durch den bleibt unerfüllt das paradies-gebot.

Daraus ist nun dein witz/ geliebter freund/ zu schauen/

Daß du vermählen wilst diß angenehme pfand/

So dir des himmels gunst hat wollen anvertrauen/

Es bleibet doch dein kind/ obgleich in fremder hand.

Durch deinen seegen wird hier stets gelücke blühen/

Denn tugend-wurtzel welckt zu keinen zeiten nicht.

Es wird dein eydam sich zu aller zeit bemühen/

Daß thun und lassen sey nach deinem blick gericht.

Erquicke dich nunmehr/ verlaß die bleichen sorgen/

Nicht dencke was der rath/ was hof und kammer macht:

Denn diese sachen seyn vor einen andern morgen/[335]

Und heute wird von dir gewiß kein brieff erdacht.

Heut ist ein solcher tag/ der niemahls dir erschienen/

Du hast kein sonnen-licht noch dergestalt geschaut.

Es will die freudigkeit auf allen seiten dienen/

Und die ergötzlichkeit wacht um die junge braut.

Der Edenburger safft/ der schatz der besten reben/

Ersetze/ wo der lust an kräfften was gebricht.

Diß/ was das edle land des Rheines weiß zu geben/

Verlöscht/ wie uns bekandt/ die hochzeit-fackel nicht.

Nur frölich/ diese lust sey leitstern andrer freude/

Der himmel schaue dich mit mehrerm seegen an.

Es spinne seine hand ins künfft'ge solche seide/

So deiner tochter noch zur haube dienen kan.

Ich weiß/ die mutter wird mit tausend freuden-zähren

Die keusche tochter braut begleiten zu der ruh.

Was kan der mutter hand wohl kräfftigers gewähren/

Als wenn der tochter sie auch legt den seegen zu?

Mein freund/ geneuß forthin die früchte von dem seegen/

Und küsse mit der zeit auch deiner kinder kuß/

Wenn man den enckel dir wird in die armen legen.

Diß sey des hertzens wunsch/ und meines briefes schluß.

Quelle:
Auserlesene Gedichte von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Daniel Caspar von Lohenstein, Christian Wernike, Friedrich Rudolf Frhr. von Canitz, Christian Weise, Johann von Besser, Heinrich Mühlpforth, Benjamin Neukirch, Johann Michael Moscherosch und Nicolaus Peucker, Leipzig 1838.
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