Laß Sylvia die reine glut

[75] C.H.v.H.


1.

Laß Sylvia die reine glut/

So mir entzündet geist und blut/

Dich liebste nicht zum zorn bewegen.

Wer kan für deinen augen stehn/

Und unentbrannt von dannen gehn/

Wenn sich des geistes trieb will regen?


2.

Nicht falle doch der meinung bey/

Daß reine liebe sünde sey/

Die Gott in unser hertz geschrieben/

Die selbst sein mund im paradies

In uns mit unserm athem bließ/

Der uns geboten hat zu lieben.
[75]

3.

Soll meine liebe sünde seyn/

So wisse/ daß dein schöner schein

Zu dieser sünde mich getrieben/

Und glaube/ daß die kluge welt

Vor leibliche geschwister hält/

Die schönheit und den trieb zu lieben.


4.

Drum folg ich der natur gebot/

Ich bin kein stein und auch kein gott/

Ich muß in deinen flammen brennen.

Mir ist gefesselt geist und muth/

Drum will ich auch des hertzens glut

Vor Gott und dir nur frey bekennen.


5.

Hier ist mein demuth-volles hertz/

So sich verbindt in lieb und schmertz

Mit gleicher andacht dir zu dienen.

Nim Sylvia das opfer hin/

Laß augen-trost in deinem sinn/

Vergiß mein nicht im hertzen grünen.


6.

Ich bleibe dein/ biß daß mein geist

Aus meinem reinem hertzen reist/

Biß man mich wird zur leiche machen.

Laß Sylvia mein tausend-schön/

Mich nur bey deinen rosen stehn/

So will ich aller dornen lachen.

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte zweiter Teil, Tübingen 1961, S. 75-76.
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