Sie nähete ein weisses tuch

[15] C.H.v.H.


Es führte Lesbia in ihrer weissen hand

Ein wunderschönes tuch/ dem kreide nicht zu gleichen/

So nur alleine will dem schnee der hände weichen/

Weil dieser es beschützt vor ihrer augen brand.

Doch scheint es/ wie sich selbst das köstliche gewand

Bloß und alleine will von dieser sonne bleichen/

Und muß die nadel gleich durch seine faden streichen/

So wird es doch durch diß ie mehr und mehr bekandt.

O wunderschönes tuch! dir blühet das gelücke/

Ihr auge zieret dich/ mich tödten dessen blicke/

Dich macht es lieb und werth/ mir hat es haß gebracht/

Dein faden fühlt die stich/ ich fühle sie im hertzen/

Dir bringt er ehr und ruhm/ mir macht er noth und schmertzen/

Dich setzt er an den tag/ mich in die todes-nacht.

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte zweiter Teil, Tübingen 1961, S. 15-16.
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