Sie weinete

[14] C.H.v.H.


Es brach der Lesbie das seufzen durch den mund/

Die rosen hatten hier den liljen weichen müssen.

Man sah der thränen bach auf beyden wangen flüssen/

Ein heisses ach und weh quall aus des hertzens grund.

Ich schaute/ wie der schmertz in ihren augen stund/

Wie ihre strahlen sich durch angst verdecken liessen/

Es lag die freundlichkeit in ohnmacht zu den füssen/

Und ihr verworren haar that ihre wehmuth kund.

Ich fühlte diese noth auf meine seele dringen/

Es grif die kalte pein auch meine geister an/

Und weil die wehmuth nicht mit freyheit reden kan/

So kont ich endlich nichts als diesen reim erzwingen:

Wie meinen geist belebt der schönen augen schein/

So soll ihr weinen itzt auch meine sündflut seyn.

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte zweiter Teil, Tübingen 1961, S. 14.
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