[Albanie/gebrauche deiner zeit]

[70] C.H.v.H.

1.

Albanie/ gebrauche deiner zeit/

Und laß den liebes-lüsten freyen zügel/

Wenn uns der schnee der jahre hat beschneyt/

So schmeckt kein kuß/ der liebe wahres siegel/

Im grünen may grünt nur der bunte klee.

Albanie.


2.

Albanie/ der schönen augen licht/

Der leib/ und was auff den beliebten wangen/[70]

Ist nicht vor dich/ vor uns nur zugericht/

Die äpffel/ so auff deinen brüsten prangen/

Sind unsre lust/ und süsse anmuths-see.

Albanie.


3.

Albanie/ was quälen wir uns viel/

Und züchtigen die nieren und die lenden?

Nur frisch gewagt das angenehme spiel/

Jedwedes glied ist ja gemacht zum wenden/

Und wendet doch die sonn sich in die höh.

Albanie.


4.

Albanie/ soll denn dein warmer schooß

So öd und wüst/ und unbebauet liegen?

Im paradieß da gieng man nackt und bloß/

Und durffte frey die liebes-äcker pflügen/

Welch menschen-satz macht uns diß nelle weh?

Albanie.


5.

Albanie/ wer kan die süßigkeit

Der zwey vermischten geister recht entdecken?

Wenn lieb und lust ein essen uns bereit/

Das wiederholt am besten pflegt zu schmecken/

Wünscht nicht ein hertz/ daß es dabey vergeh?

Albanie.


6.

Albanie/ weil noch der wollust-thau

Die glieder netzt/ und das geblüte springet/

So laß doch zu/ daß auff der Venus-au

Ein brünstger geist dir kniend opffer bringet/

Daß er vor dir in voller Andacht steh.

Albanie.

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster Teil, Tübingen 1961, S. 70-71.
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