Wohlmeynende gedancken über den geburts-tag der Bleßine

[36] C.H.v.H.


Bleßine laß mich doch in diesem brieffe schertzen/

Es scheint/ daß heute mir der himmel selber lacht;

Es quillt/ ich weiß nicht was/ aus meinem engen hertzen/

Das alle schmertzen mir zu süssem zucker macht.

Die Venus will mir selbst die dicke dinte rühren/

Cupido träget mir die weissen blätter zu;

Jedoch was dieses mahl soll meine Feder führen/

Das kan nichts anders seyn/ als nur Bleßine du.

Du weist am besten mir die geister zu erwecken/

Und legst im sand und eiß beblümte gärten an/

Du läst mich nicht im schlamm der bleichen sorgen stecken/

Und machest/ daß ich noch/ was lust ist/ schmecken kan.

Du kanst aus nächten tag/ aus winter frühling machen/

Aus deinen augen quillt der zeug zum hurtig seyn.

Du lehrst die traurigkeit und schwermuth selber lachen/

Und lockst aus trüber nacht den hellen sonnen-schein.

Die jahre deiner gunst sind ohne marter-wochen/

Der schwartze sonntag wird durch dich zum oster-fest.

Es läst dein paradeiß mich liebes-äpffel suchen/

Darbey die schlange sich nicht leichtlich spüren läst.

Bleßine/ weist du auch/ warum ich dieses schreibe/

Warum dir meine faust itzt hundert reime schickt?

Du kennst den schönen mertz/ als aus der mutter leibe

Vor siebzehn jahren du die welt hast angeblickt.

Da hat die Venus dich bald auff den arm geleget/

Und dich mit ihrer milch als mutter auch getränckt;

Sie hat die lieblichkeit dir reichlich eingepräget/

Und selbst ihr ebenbild auf deine brust gehenckt.[37]

Sie hat mit rosen-blut die lippen dir besprützet/

Und ihre zunge hat die deinige genetzt;

Sie hat dir alsobald das junge blut erhitzet/

Und warmen wunder-schnee in deine hand gesetzt.

Nach diesem hat sie dich den Gratien befohlen.

Die eine küßte dich/ du weist es wohl auff was;

Cupido muste dir zeug zu den windeln holen/

Der niemahls allzuweit von deiner wiege saß/

Er sang dir: kindgen schlaff; dein mund ist wie rubinen/

Dein bäuchlein schwanen-weiß/ dein hals wie helffenbein/

Es wird die freyheit dir vor eine sclavin dienen/

Wann um dein brünnlein wird ein schönes püschgen seyn.

Schlaff sanfft! Es müsse dich kein harter schall erwecken/

Die mutter decket dich mit ihrem flore zu.

In deine lippen will sie zucker-stengel stecken/

Die mehr als zucker sind/ und lieblich seyn/ wie du.

Er lehrte bald darauf die glatten Füsse schreiten/

Er macht aus seinem pfeil dir offt ein tummel-pferd/

Die Venus lacht'/ und sprach: Wie kan diß dirnlein reiten?

Der himmel mache sie des besten reuters werth!

Sie ließ die tauben offt in deiner kammer bleiben/

Dieweil ihr sclhnäblen dir fürtrefflich wohl gefiel/

Du fragtest: Was ist diß? was sie vor kurtzweil treiben?

O fürwitz/ sagte sie/ es ist ihr liebes-spiel.

Was soll ich endlich viel von deiner jugend sagen?

Dich hat der himmel selbst als tochter angelacht.

Und dich ohn unterlaß auff arm und schooß getragen/

Ja sammt und seide dir zu bett und stuhl gemacht.

Und hat er etwan dich was sauer angeblicket/

So hat er doppelt dich auch wieder bald geliebt/

Und aus dem nebel dir den schönsten strahl geschicket/

So wie ein pinsel thut/ der neuen fürniß giebt.[38]

Bleßine/ darff ich dir mein hertze recht entschliessen?

Du weist/ ich bin kein freund der schnöden heucheley;

So sag ich dir/ du sitzt auff des gelückes küssen/

Und lebest noch zur zeit von scharffen dornen frey.

Die lebens-göttin spinnt vor dich gar feste seide/

Die sonne deiner lust weiß nichts von untergehn.

Es kaufft die freudigkeit dir zeug zu einem kleide/

Und will als dienerin dir zu gebote stehn/

Sie reichet lachende dir ihre beste schaale/

Sie schencket nectar dir biß an den deckel ein/

Sie speist verschwenderisch dich auff dem bunten saale/

Und heisset hertzen dir gemeine bissen seyn.

Bleßin' ich schrey itzund/ ich fühle deine bisse/

Doch wo Bleßine beißt/ da richt sie lachen an.

Beiß/ beiß Bleßine/ beiß/ dein beissen ist so süsse/

Daß ich vor liebligkeit fast nicht mehr leben kan.

Ich habe schon vorlängst mein hertze dir geschencket/

Dein mund zerreist es zwar/ zermalmt es aber nicht.

Ach! freundin/ glaub es mir/ worauff dein geist gedencket/

Das hab ich allbereit als diener ausgericht.

Küßt aber/ schönste/ dich vergnügung und glücke/

Drückt dieses werthe paar dich freundlich an die brust/

So thu mir auch also/ du weist es/ deine blicke/

So mir dein auge shenckt/ sind strahlen meiner lust.

Laß deiner lippen thau um meine lippen fliessen/

Den thau/ der erstlich mich/ wie leim den vogel/ fing.

Laß die vertraulichkeit die seele mir durchsüssen/

Vertraulichkeit bleibt doch der liebe siegel-ring.

Mein auge kennst du ja/ es ist zwar nicht die sonne/

Es sey dir/ was du wilt/ nur sey ihm nicht zu scharff.

Wilst du mein himmel seyn/ so gönn ihm doch die wonne/

Daß es/ was himmlisch ist/ auch recht bestralen darff.

Itzt schließ ich diesen brieff. Bleßine/ das gelücke

Das müsse nimmermehr verändern deinen fuß/[39]

Die sterne senden dir dergleichen freuden-blicke/

Vor denen traurigkeit zu asche werden muß.

Es reihe mich und dich durch einen drat zusammen/

Es streu uns überall vergnügungs-körner ein/

Und lasse ungestört/ bey diesen süssen flammen/

Dein hauß mein paradieß, dich meinen engel seyn.

Quelle:
Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster Teil, Tübingen 1961, S. 36-40.
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