Die Gemahlin an Ludwig

[45] Es bringt der kleine Brief dir mehr getreuer Grüsse,

Als Freude sich itzund in meinem Hertzen regt,

Ich schwere, daß ich dich recht in Gedancken küsse,

Und meine Seite sich an deine Seite legt.

Verzeihe, Liebster Schatz, doch meinen schlechten Schreiben,

Daß Wort und Zeilen nicht in rechter Ordnung stehn;

Wem Freud und Zuversicht die schwachen Finger treiben,

Dem will die Feder nicht in gleicher Wage gehn.

Bald lesch' ich etwas aus, bald mach' ich neue Zeilen,

Bald werd' ich halb entzuckt, bald schlaf ich drüber ein,

Bald wird die Feder faul, bald will sie fertig eilen,

Und heist offt einen Kleck an statt der Wörter seyn.

Ich weiß nicht wie mir ist, und kan mir selbst nicht trauen,

Ob mein Gesichte hier den wahren Zweck erkiest?

Ob meine Hoffnung auch recht feste weiß zubauen?

Ob nicht ein schlechter Dunst itzund mein Grundstein ist?

Bald reiß' ich wiederum aus diesen falschen Schrancken,

Und schaue deinen Brieff mit scharffen Augen an,

Umbschlüsse mit Vernunfft die flüchtigen Gedancken,

Weil solche Klarheit ja mich nicht verblenden kan.

Ich schaue klar genug und küsse mein Gelücke,

So itzt mit seiner Hand die öden Nächte stöhrt,

Ich spühre wiederum des Himmels warme Blicke,

Der dich mir auf das neu aus seiner Schoß verehrt.

Was hab ich nicht bißher in Einsamkeit erlitten?

Was hat mir nicht vor Angst gefesselt Geist und Sinn?

Was hat mich nicht vor Furcht zu mancher Zeit bestritten?

Daß ich, wie mich bedeucht, mir fast nicht ehnlich bin.

Wie hab ich manchesmahl nach deinem Abereisen,

Wenn ich erwachet bin, die Hand nach dir gestreckt?

Wie offtmahls hat ein Traum dich mir in Band und Eisen

Erschrecklich fürgestellt, und denn mich aufgeweckt?[45]

Bald hab ich schlaffende gemeinet dich zuküssen,

Und meinen Irrthum denn aus leerer Lufft vermerckt,

Man schaut die Menschen ja am allermeisten büssen,

Indem der Mangel uns die alte Lust versterckt.

Bald hat dein Hochzeit Kleid, bald haben deine Ringe,

Die Pfänder erster Gunst, mir Zähren ausgeprest,

Kein Mensch berichte mich, wie dir es noch ergienge,

Ich schrieb ohn alle Frucht nach Nord, Süd, Ost und West.

Wenn nur ein Thor aufgieng, so meint' ich dich zu hören,

Was eine Tasche trug, das must ein Bothe seyn,

Ich ließ mich iedes Kind, ja ieden Ruf bethören,

Und blieb doch iederzeit verwittibt und allein.

Wenn ich zu Tische gieng und schaute deine Stelle,

Da wir uns oft erfüllt mit Speisen, Wein und Lust,

So ward das Zimmer mir zu einer rechten Hölle,

Zu Galle ward mein Wein, zu Wermuth meine Kost.

Der freudenreichen Lust verliebtes Angedencken

War diß, so meinen Geist recht auff die Folter nahm,

Nichts konte mich so sehr in meinem Hertzen kräncken

Als wenn dein Bildnüß mir in das Gesichte kam.

Der Kinder stetes Wort: Wo muß der Vater bleiben?

War mir ein herber Stoß, den meine Seel empfing,

Des Jammers ist zuviel, ich kan dir nicht beschreiben,

Was vor ein harter Wind durch meine Geister ging.

Itzt ziehn die Wolcken weg, mein Stern begint zu scheinen,

Der Himmel streicht mein Hauß mit lichten Farben an,

Und er verbeut mir fast dich ferner zubeweinen,

Ach daß ich dich mein Schatz nicht bald umfassen kan!

Was aber schreibest du und trachtest itzt zuwissen,

Ob die Erlösungs Arth mir auch verdrießlich fällt?

Wie sollt ich nicht die Hand zu tausendmahlen küssen,

So mir mein Bette füllt, und dich in Freyheit stellt?

Ich will sie warlich nicht nur vor ein Weib erkennen,

Die bloß in Fleisch und Bluth, wie ich und du besteht,

Ich will sie ungescheut stets einen Engel nennen,

Der nur zu unserm Schutz mit uns zu Bette geht.

Ich will mich ihr als Magd, zu ihren Füssen legen,

Ihr wollen soll forthin mir ein Gesetze seyn,

Ich halte sie in Ernst vor unsers Hauses Seegen,[46]

Und geb' Ihr selbst mein Hertz zu einem Zimmer ein.

Wie solt' ich thörichte die Schale nicht verehren,

Darauf der Himmel dich mir überreichen will?

Mein Ohre soll ihr Wort wie die Gebothe hören,

Für dem der Alten Volck auf das Gesichte fiel.

Ich will nach ihrer Arth das Lager zubereiten,

Ich laß ihr billig halb, was sie mir gantz geschenckt,

Mein Fuß wird nur allein nach derer Wincken schreiten,

Die mir noch unbekant, doch auf mein bestes denckt.

Nun kom Geliebter Schatz! des Glückes weiche schwingen,

Wo nichts verderben kan, umschlüsse deinen Leib,

Es wolle dich erfreut in diese Stelle bringen,

Da dich empfangen kan Land, Freunde, Kind und Weib.

Es müsse Sicherheit entsprüssen auf den Wegen,

Dahin du setzen must den abgematten Fuß,

Und wo du wirst dein Haubt zuruhen niederlegen,

Da rege sich zugleich der Seegensüberfluß.

Es müsse dich die Kraft gesunder Luft begleiten,

Die Dornen müssen nicht verfälschen deine Bahn,

Er lasse dich gesund in meine Stube schreiten,

Daß auf den Lippen ich die Rosen brechen kan!

Vor Freuden tritt mir itzt das Wasser ins Gesichte,

Und rollet unvermerckt wie Perlen ums Papier,

Ich weiß du hält'st das Wort nicht etwan vor Getichte,

Die Silben seyn verlescht, du schaust die Zeugen hier.

Dein Leitstern sei gegrüst! doch will ich Ihrentwegen

Auf kein zu grosses Bett' immittelst seyn bedacht;

Denn wird die Liebe sich mit uns zu Bette legen,

So wird der kleine Raum bald werden weit gemacht.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band36, Stuttgart [o.J.], S. 45-47.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Cleopatra. Trauerspiel

Cleopatra. Trauerspiel

Nach Caesars Ermordung macht Cleopatra Marcus Antonius zur ihrem Geliebten um ihre Macht im Ptolemäerreichs zu erhalten. Als der jedoch die Seeschlacht bei Actium verliert und die römischen Truppen des Octavius unaufhaltsam vordrängen verleitet sie Antonius zum Selbstmord.

212 Seiten, 10.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon