Rosemunde an Siegreichen

[57] Mein Held sey itzt ümkräntzt von tausend Lorberzweigen,

Es stellen Ost und West sich zinsbar bey dir ein,

Es müsse sich die Welt vor deinem Throne neigen,

Und aller Völcker Gold dir Cron und Scepter seyn.

Wünscht deiner Mägde Magd die nichts hat zugewehren,

Und auch nichts würdig ist: Was aber will ein Brieff,

Von ungemeiner Hand und eyfrigen Begehren,

Der heut' üm sieben Uhr in meine Hände lieff?

Mich daucht' ich säße schon umbzirckt von Nacht und Schatten,

Es blickte mich kein Stern mit seinen Zwinckern an,

So darf ich, wie es scheint, fast in ein Licht gerathen,

Dem auch die Sonne selbst sich nicht vergleichen kan.

Ich hofft' ich lege nu in meiner Ruh vergraben,

Es kennte mich vielleicht der nechste Nachtbar nicht,

So soll ich nunmehr selbst in mir Verräther haben,

Und zeucht ein schlechtes Lied mich in das Tage Licht.

Ich weiß nicht wie mir ist und was ich soll beginnen,

Ob Aug' und Ohre mir die Zauberey bestrickt,

Ob mich ein todter Schlaf hat überreden können,

Daß Siegerich mich kennt, und mir ein Schreiben schickt.

Wie woll' ich aber doch nicht meinen Augen trauen?

Ich wach' und schlafe nicht, ich rede mit Verstandt,

Ich kann den kleinen Brief erbrechen und beschauen,

Und höre diesen Freund, den du hast abgesandt.

Es ist kein Bild vor mir, ich fühl' ein wahres Wesen,

Ich weiß das dieses Wachs ein hohes Siegel ist,

Ich küsse was ich itzt von grosser Hand gelesen.

Wie aber, daß man mich zuschauen auserkiest?

Mich, eine schlechte Magd, und arm von allen Schätzen,

Die sonsten die Natur den Frauen beygelegt,

Mich, die sich schämen muß sich in den Orth zusetzen,

Wo Schönheit und Verstand zusammen seyn gepregt.

Mein schwaches Auge kan die Strahlen nicht vertragen,

Ein schlechter Zeug, wie ich wünscht keinen hellen Tag,

Es darf sich ja das Wachs nicht in die Sonne wagen,

Man weiß wohl das ein Glaß die Gluth nicht leiden mag.[58]

Der Schatten ist mein Freund, dazu ich bin gebohren,

Es bleibt die Einsamkeit mein bestes Vaterland,

Ich habe zu der Fahn der Dürfftigkeit geschworen,

Und bin, wie mich bedeucht, der Welt durch nichts bekant;

Ich habe mich bemüht in mich mich zuverschlüssen,

Und meine gröste Lust war nicht bey Lust zuseyn,

Mein Geist hat nicht gewünscht die Pracht der Welt zuwissen,

Der Einfalt stelt ich mich zu einer Sclavin ein.

Mein gantzes Trachten war mein Armuth zuverhölen,

Mein enges Zimmer hieß ich eine weite Welt,

Der Schatten bleibet doch der Port geringer Seelen,

Und kein gemeines Fleisch wird Göttern fürgestellt.

Es will ein Held mich itzt aus meinem Lager treiben,

Und meine Freyheit soll nunmehr zu Hofe gehn,

Wie soll ein schwaches Kraut in frembder Lufft bekleiben,

Wie soll ein Schwefel Licht bey grossen Fackeln stehn?

Wie soll ich arme Magd doch grosse Herren speisen?

Ich weiß kein Keyser Brodt, und kan kein Himmels-Lied,

Man saget allzuviel von meinen schönen Weisen,

Ich weiß nicht, wer zu erst auf diesen Wahn gerieth.

Bißweilen hab' ich zwar ein kurtzes Lied ertichtet,

So schlecht von Weis' und Art mir gleich und ähnlich war;

Es scheint das Sprichwort sey nu gantz auf mich gerichtet,

Die Stimme bringet oft den Vogel in Gefahr.

Wiewohl mein schlechter Mund gewißlich nichts gesungen,

Was sich erkennen kan der Helden Ohren werth,

So machet doch itzund der Lobspruch frembder Zungen,

Daß meinen schlechten Thon ein grosses Haubt begehrt.

Darff ich mich noch ein Wort zumelden unterwinden,

Ist eine Zeile noch itzt deiner Magd erlaubt,

So laß mich Arme doch bey dir Genade finden,

Und wirf den Strahl der Gunst doch auf ein höher Haubt.

Laß mich doch unbekand in meinem Hause sterben,

Und zeuch mich Arme nicht aus meiner tieffen Nacht,

Ich mag kein ander Lob auf dieser Welt erwerben,

Als das kein Herren Hof mich hat bekant gemacht.

In Wolle will ich mich und nicht in Seide kleiden,

Und warten biß mich Gott von dieser Erden rückt,

Die Amberkuchen kan ich ohne Schaden meiden,[59]

Und meine Lenden seyn zum Purpur nicht geschickt.

Mein Held, sprich mich doch loß, und laß mir meine Hütte,

An mir ist umb und umb gewißlich nichts vor dich,

Erwehle dir ein Weib vom Fürstlichen Geblüthe,

Kan auch was schlechters seyn, auf dieser Welt als Ich?

Doch alles ist umsonst, mein Bitten ist verlohren,

Mein sorgenreicher Wunsch erreicht kein rechtes Ziel,

Mein Schreiben das verdirbt, ich singe harten Ohren,

Der Helden Wort begehrt den Wiederschall: Ich will.

Ihr Bitten ist umbzirckt mit tausend Donnerkeilen,

Das Weigern ist vor Sie ein neuer Apffelbiß,

Ihr Wollen ist Geboth, ihr Wincken heist uns eilen,

Und was unmöglich scheint, das machet uns gewiß.

Ich komme weil ich muß, doch voll von Angst und Zagen,

Und mein Belieben ist entfernt von meiner That,

Ich soll mich auf das Eiß des glatten Hofes wagen,

Da mancher junger Fuß vor mir geglitten hat.

Der ungemeine Glantz verblendet mein Gesichte,

Und was geschehen kan, macht mir das Hertze kalt,

Denn bey der Hofekost ist fast kein gut Gerichte,

Und eine Jungfrau wird zu Hofe selten alt.

Ach Held! bedecke mich mit Flügeln deiner Tugendt,

Ich laß' auf dein Geboth, Gespielen, Freund und Hauß,

Und dir vertrau ich itzt die Rosen meiner Jugendt,

Doch läßt du Bluhmen ein, so laß auch Bluhmen aus.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band36, Stuttgart [o.J.], S. 57-60.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Apuleius

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der in einen Esel verwandelte Lucius erzählt von seinen Irrfahrten, die ihn in absonderliche erotische Abenteuer mit einfachen Zofen und vornehmen Mädchen stürzen. Er trifft auf grobe Sadisten und homoerotische Priester, auf Transvestiten und Flagellanten. Verfällt einer adeligen Sodomitin und landet schließlich aus Scham über die öffentliche Kopulation allein am Strand von Korinth wo ihm die Göttin Isis erscheint und seine Rückverwandlung betreibt. Der vielschichtige Roman parodiert die Homer'sche Odyssee in burlesk-komischer Art und Weise.

196 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon